Postnord-Krise

Schweden erwägt Trennung von Dänemark

Schweden erwägt Trennung von Dänemark

Schweden erwägt Trennung von Dänemark

Stockholm/Apenrade
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Foto: Scanpix

Wirtschaftsminister Damberg bemängelt "schwerwiegende" Probleme der dänischen Postnord. Noch diesen Monat wird in Stockholm Bilanz gezogen – für Dänemark sieht es schlecht aus.

Postnord

Postnord

  • Postnord gehört zu 60 Prozent dem schwedischen Staat und zu 40 Prozent Dänemark.
     
  • Die Stimmrechte sind jedoch mit 50:50 verteilt.
     
  • Der Konzern arbeitet mit dem deutschen DPD als Partner beim Paketversand und übernimmt dessen Dienste in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland.
     
  • Hauptsitz ist Solna bei Stockholm.
     
  • 2009 wurden die Postwesen der beiden Länder unter jeweils bürgerlichen Regierungen zusammengeschlagen.
     
  • In Dänemark wird der Name Postnord erst seit 2016 anstelle des alten Post Danmark auf allen Produkten benutzt.
     
  • Insgesamt sind noch rund 35.000 Menschen bei Postnord beschäftigt.

Wirtschaftsminister Damberg bemängelt "schwerwiegende" Probleme der dänischen Postnord. Noch diesen Monat wird in Stockholm Bilanz gezogen – für Dänemark sieht es schlecht aus.

"Ich kann gewisse Handlungsalternativen in der Zukunft nicht mehr ausschließen, muss jetzt aber erst einmal feststellen, dass wir in einer Ehe sind, die ich geerbt habe", sagte der schwedische Wirtschaftsminister Mikael Damberg (Sozialdemokraten) am Freitag der Nachrichtenagentur TT.

Ein Bekenntnis zur nordischen Postzusammenarbeit sieht anders aus. Rund 795 Millionen Kronen hat das schwedisch-dänische Staatsunternehmen Postnord im Jahr 2016 insgesamt verloren. Das Minus geht allein auf die Kappe der dänischen Abteilung. Dort steht denn auch die nächste große Entlassungswelle ins Haus.

Dänische Postnord mit deutlich schlechteren Zahlen als die Schweden

Ein Blick in den Geschäftsbericht zeigt: Während Postnord Schweden 647 Millionen Dänische Kronen Gewinn erzielte, machte Postnord Dänemark rund 1,5 Milliarden Kronen Verlust. In Schweden konnte der Umsatz trotz stark sinkender Briefmengen stabilisiert werden, die dänische Postnord verlor sechs Prozent.

Insgesamt steht die schwedische Postnord deutlich stärker da. Heruntergerechnet auf den Umsatz pro Einwohner erreichen die Schweden 1.881 Kronen pro Kopf, während es in Dänemark 1.314 Kronen pro Einwohner sind. Und das trotz der deutlichen Preisanstiege in Dänemark – oder wegen?

Einbruch nach Porto-Erhöhung

Der Geschäftsbericht für 2016 offenbart die drastischen Folgen der Portoerhöhung im vergangenen Jahr. Schon zu Beginn 2016 war das dänische Briefporto zum teuersten in ganz Europa angehoben worden. Mitte des Jahres dann wurde mit einer sogenannten "Vereinfachung" der Portogebühren noch einmal nachgelegt. 27 Kronen (3,63 Euro) kostet sogenannte A-Post bis 50 Gramm – also auch eine Postkarte – ins Ausland oder wenn sie innerhalb von zwei Tagen ihr Ziel im Inland erreichen soll.

Von rund 60 Millionen verteilten sogenannten A-Briefen im vierten Quartal 2014 ist die Zahl auf knapp über 20 Millionen im vierten Quartal 2016 gesunken. Zugleich blieb die Zahl der per "Schneckenpost" (bis zu fünf Werktage) verschickten Briefsendungen nach einem zwischenzeitlichen Einbruch in etwa konstant – bei rund 70 Millionen.

Schwedischer Minister entnervt

Er habe die "Ehe" mit der dänischen Post von seiner Vorgängerin, der damals äußerst umstrittenen Wirtschaftsministerin Maud Olofsson von der Zentrumspartei nur geerbt, sagte Damberg, und er habe verlangt, dass ihm sämtliche Unterlagen vorgelegt werden. "Hatte man die dänischen Bedingungen im Blick, warum wurde das Unternehmen so organisiert, wie das geschehen ist?", fragt er. Am 21. Februar will er den Bericht dem Wirtschaftsausschuss des Stockholmer Reichstages vorlegen.

"Wir müssen vor allem dafür sorgen, dass Postnord diese Zeit übersteht, aber auch dafür, dass das schwedische Unternehmen nicht zum Leidtragenden der Situation in Dänemark wird."

Postnord-Geschäftsführer Håkan Ericsson bemüht sich gar nicht erst darum, ein positives Bild der Lage zu zeichnen. In Schweden, sagt er, habe man den Stellen- und Serviceabbau auf "natürliche" Weise vollziehen können, und das werde auch weiter so laufen. In Dänemark allerdings "haben wir den Punkt erreicht, wo das nicht mehr geht". Und bei allen Einsparungen rechnet er weiterhin mit Verlusten. Zugleich verteidigt er den Zusammenschluss der dänischen und der schwedischen staatlichen Post weiter – schließlich sei so eine "fantastische Position in Logistik und E-Handel" geschaffen worden.

Schwedische Zeitung: Es gab Warnsignale

Schon 2008, als die "Ehe" der beiden Postdienste verhandelt wurde, habe es Warnungen vor der neuen Struktur gegeben, schreibt die schwedische Tageszeitung "Dagens Nyheter". Die schwedische Behörde für wirtschaftliche Entwicklung habe geurteilt, die Stimmenverteilung von 50:50 zwischen Dänemark und Schweden im Aufsichtsrat "scheint aus schwedischer Sicht ein schlechtes Geschäft" zu sein. Der damalige Umsatz der schwedischen Post habe, so die inzwischen aufgelöste Behörde, 70 Prozent der neuen Postnord betragen, Schweden erhielt aber nur 60 Prozent der Anteile – und für eine einmalige Zahlung von 1,1 Milliarden Kronen an den schwedischen Staat wurde das Stimmengleichgewicht vereinbart. Dadurch könne, so die Kritik der Behörde, der schwedische Staat keine Kontrolle mehr über die schwedische Post ausüben, was "die staatliche Eignerschaft der Firma überhaupt infrage stellt".

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