Diese Woche in Kopenhagen

Zwischen Mohammed und Finanzverhandlungen – Richtungsstreit in Venstre

Zwischen Mohammed und Finanzverhandlungen – Richtungsstreit in Venstre

Zwischen Mohammed und Finanzverhandlungen – Richtungsstreit in Venstre

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Kristain Jensen (r.) und Inger Støjberg (m.). Foto: Scanpix

Spielt sich bei Venstre ein Gerangel in der Nachfolge an der Parteispitze ab? Mehrere kleinere Auseinandersetzungen in der vergangenen Woche deuten ein solches Szenario an, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Es ist Vorsicht geboten, nutzt man die Botschaften von Politikern in den sozialen Medien dazu, politische Entwicklungen zu deuten. Oft ergibt sich daraus nur Kaffeesatzleserei. Doch es war  auffällig, dass der dänische Finanzminister Kristian Jensen (Venstre) sich in einem sogenannten belasteten Stadtteil mit erfolgreichen Migranten fotografieren ließ.

Seine Ministerkollegin Inger Støjberg ging dahingegen mal wieder in die Vollen und provozierte einen nicht unerheblichen Teil der geschätzten 1,8 Milliarden Menschen, die einem muslimischen Glauben nachgehen. Die Integrationsministerin (das ist in der Tat ein Teil ihrer offiziellen Jobbeschreibung) entschied sich nämlich aus Protest gegen die Nicht-Ausstellung der Mohammed-Karikaturen in einem Museum – selbst ist die Frau –, die bekannteste Mohammed-Karikatur als Bildschirmhintergrund ihres I-Pads anzulegen und dies natürlich auf Facebook zu posten. Falls Kristian Jensens Nachricht über erfolgreiche Integration als Gegenstandpunkt zu verstehen war, verlor dieser haushoch; zumindest wenn man die Popularität anhand von zustimmenden „Likes“ auf Facebook misst. Inger Støjberg und ihr I-Pad traf man am darauffolgenden Tag in den Medien weltweit.

In der vergangenen Woche machte jedoch nicht nur Inger Støjberg mit eher wenig liberalen Thesen auf sich aufmerksam. Der Venstre-Abgeordnete Marcus Knuth erklärte nach der Bundestagswahl durchaus wohlwollend das Wahlergebnis der AfD, da nun zu vermuten sei, dass es eine realistischere Flüchtlingspolitik aus Deutschland geben werde.

Das brachte den Venstre-Fraktionskollegen Jan E. Jørgensen aus dem Sofa an die Tasten, der diese doch sehr eigentümliche Wahlanalyse mit den im englischen Sprachgebrauch wohl bekannten drei Buchstaben „WTF?“ kommentierte. In beiden Fällen sah sich sogar der Regierungschef, Lars Løkke Rasmussen, genötigt, beschwichtigend aufzutreten. Es sei nicht Politik der Regierung, Karikaturen zu kommentieren (die alte Fogh-Rasmussen-Argumentationslinie), und über den AfD-Triumph freue man sich schon mal gar nicht.

Keine dramatischen Entwicklungen

Das alles sind an sich keine dramatischen Entwicklungen, doch deuten sie ein sich anbahnendes Zerwürfnis in der Venstre-Fraktion an. Schaut man sich das Spiel von Inger Støjberg mit parteitaktischen Brillen etwas genauer an, dann könnte sich dahinter nämlich durchaus Kalkül verstecken. Wenn man etwas mutiger formulieren mag, kann man darin bereits ein Gerangel in der Nachfolge an der Spitze der Partei Venstre erkennen, sollte der Premier Lars Løkke Rasmussen nicht mehr lange dabei sein.

Es ist kein Geheimnis, dass Lars Løkke Rasmussen nicht besonders stark dasteht und dass er es mit seinen kleinen, aber vor selbst-gefühlter Kraft strotzenden Koalitionspartner (Konservative und Liberale Allianz) nicht leicht hat. Die Regierung scheint sich immer weiter von Dänischen Volkspartei, die zielstrebig in Person des Parteivorsitzenden Kristian Thulesen Dahl die Regierungsübernahme vorbereitet, zu entfernen. Thulesen Dahl wird es leidlich egal sein, ob er nach der Wahl mit den Sozialdemokraten oder mit Venstre in die Minister-Ämter gelangen sollte. Mit Inger Støjberg würde er jedoch keine Probleme mit ihrem Amtsverständnis als „Integrationsministerin“ oder gar als Regierungschefin haben.

Kristian Jensen, der neben Inger Støjberg parteiintern ein erklärter Favorit für die Nachfolge von Lars Løkke Rasmussen ist,  heimst derzeit bei „Feind und Freund“ auf Christiansborg viel Respekt für seine finanzpolitischen Verhandlungsgeschicke im Rahmen der derzeit laufenden Haushaltssondierungen ein. Seine Konkurrentin Inger Støjberg wirft eine Mohammed Karikatur auf ihren I-Pad und postet das auf Facebook. Der Stich ging – ob man das nun mag oder nicht – in einem möglichen Kulissen-Venstre-Machtkampf an Inger Støjberg.

Mehr lesen

Leserbrief

Meinung
Allan Søgaard-Andersen
„Bekymret for det ekstreme højre“

Diese Woche In Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Hurra, der Kindersegen ist ausgeblieben!“