Leitartikel

Französischer Wein

Französischer Wein

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Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (l, SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron. Foto: dpa

Wenn das Grenzland mit Mehrheiten und Minderheiten dazu bereit ist, und wenn – auch über Kiel und Vejle hinaus – Berlin und Kopenhagen gemeinsam den Stellenwert der Grenzregion bilateral und europäisch ebenso anerkennen wie Paris und Berlin. Dann könnten wir vielleicht französischen Champagner bestellen, meint Siegfried Matlok.

In Paris und Berlin wurde kürzlich des 55. Jahrestages des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, des 1963 von Konrad Adenauer und Präsident de Gaulle unterzeichneten Elysee-Vertrages, erinnert. Die beiden Parlamente verabschiedeten feierlich eine gemeinsame Resolution und bezeichneten den Vertrag 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach einem Jahrhundert der Feindschaft „als wichtigen Meilenstein für die Aussöhnung zwischen den beiden Ländern“.

Nur zum Vergleich: Die Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen kamen  bereits 1955 zustande – auf deutscher Seite übrigens auch mit der Unterschrift von Kanzler Adenauer! –, und obwohl sie damals  auf beiden Seiten, in den Mehrheiten, aber nicht zuletzt in den Minderheiten, nicht unumstritten waren, kann man sie inzwischen auch als deutsch-dänischen Freundschaftsvertrag bewerten. Heute ist eigentlich umso erstaunlicher, dass diese Lösung in der Minderheitenfrage, die spätestens seit 1864 eine Schicksalsfrage für Dänemark war, schon zehn Jahre nach tragischer Besetzung und Kriegsende möglich war, also immerhin doch acht Jahre vor dem Elysee-Vertrag!

Hier geht es nicht um einen historischen Rückblick, sondern um die Zukunft, um neue Impulse. In der gemeinsamem Parlaments-Resolution heißt es u. a., dass die Bürgerinnen und Bürger in Frankreich und Deutschland ohne Hindernisse  leben und arbeiten und in beiden Ländern ein Mindestmaß an sozialen Rechten in Anspruch nehmen können. Bei der für 2018 von Paris und Berlin in Aussicht genommenen Erneuerung des Elysee-Vertrages wird eine umfassende Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefordert. 

Dazu gehören die stärkere politische Mitwirkung von Vertretern der Grenzregionen im Rahmen des Ausschusses der Regionen in Brüssel und mehr Kompetenzen für die sogenannten Eurodistrikte. So sollen zum Beispiel die auf Länder- und Regionalebene angesiedelten Befugnisse auf die Eurodistrikte übertragen werden, sodass den Eurodistrikten unter anderem die gemeinsame Trägerschaft von grenzüberschreitenden Institutionen wie Kindertagesstätten, Gesundheitseinrichtungen und beim grenzüberschreitenden öffentlichen Nahverkehr ermöglicht wird. In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit muss die Partnerschaft „einen Mehrwert bringen“, lautet es in der Resolution, wobei „das Beherrschen der Sprache des Nachbarlandes der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis ist“. Haben wir doch schon mal gehört?!

Nun, wir sind nicht vergleichbar mit der deutsch-französischen Grenzregion: Pathos ist uns eher fremd, und noch wächst hier kein Rotwein, der auch die Sinne mancher Politiker etwas beflügeln könnte, doch wie schön wäre es, wenn sich in Kopenhagen und Berlin die Erkenntnis durchsetzen würde: So ein Ding müssen wir auch haben! Gewiss, die deutsch-französischen Visionen sind aus vielerlei Gründen nicht im Verhältnis 1:1 im deutsch-dänischen Grenzland umzusetzen,  aber im 100. Jahr nach der Grenzziehung von 1920 könnte ein Plan 2020 ein Signal zu einem neuen Aufbruch sein. Wenn das Grenzland mit Mehrheiten und Minderheiten dazu bereit ist,  und wenn – auch über Kiel und Vejle hinaus – Berlin und Kopenhagen gemeinsam den Stellenwert der Grenzregion bilateral und europäisch ebenso anerkennen wie Paris und Berlin.  Dann könnten wir vielleicht französischen Champagner bestellen!   

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