Leitartikel

Gesund peitschen

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Gesund peitschen

Peter Lassen
Peter Lassen Hauptredaktion
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Krankenhaus
Foto: Scanpix

Wer selbst im Krankenhaus war, weiß, dass die Mitarbeiter gerne und viel arbeiten – vielfach fehlten aber die Anleitung und der Rückhalt durch den Chef, meint Peter Lassen angesichts Forderungen nach mehr Produktivität in den Krankenhäusern.

Als SP-Amtsratsmitglied (1993 bis 2001) sagte Harald Søndergaard einst während einer der schon damals ewigen Debatten über (zu wenig) Ressourcen für das Krankenhauswesen, dass es nie gelingen werde, diesen Riesenapparat  in den Griff zu bekommen. In gewisser Weise hat er da leider recht bekommen.

Allein die Region Süddänemark arbeitet mit einem Gesundheitsbudget von 24 Milliarden Kronen. Seitens des Staates werden zudem jedes Jahr Milliarden extra beigesteuert, um den Ansturm der Patienten und der vielen neuen Behandlungsformen meistern zu können.
In den vergangenen 15 Jahren hat man sich von zentraler Stelle dann damit versucht, über eine Produktivitätsforderung „meistmögliche Gesundheit fürs Geld“ zu sichern – wobei dann häufig vergessen wurde, dass das Geld nicht dem Finanzminister, sondern dem Steuerzahler/Patienten gehört. Kaum hatten sich die Regierung und der Verband der Regionen im vergangenen Juni erneut auf eine Verlängerung der umstrittenen zweiprozentigen Produktivitätsforderung geeinigt, da jaulten Mitarbeiterorganisationenen wieder im Chor, dass  man nicht schneller laufen kann.

Montagabend schwang sich u. a. Genosse Wahlkämpfer Karsten Uno Petersen im Regionsrat in Vejle dazu auf, von Christiansborg zu fordern, den guten Erfahrungen Süddänemarks ohne Produktivitätsforderung in vielen Abteilungen zu folgen und diese ganz abzuschaffen. Man könne die Mitarbeiter einfach nicht mehr peitschen etc. etc.

Ein solch heißblütiges Plädoyer hätte man sich auch mal für die Patienten gewünscht, die in der Debatte oft  vergessen werden. Denn klar ist ja wohl, dass Stress der Mitarbeiter auf Patienten und ihre Pflege großen  und schlechten Einfluss  hat. Das spielt immer irgendwie eine untergeordnete Rolle in der politischen Diskussion.

Dabei meinen führende Experten, dass die Zwei-Prozent-Mehrleistungs-Forderung nicht unbedingt schnelleres Laufen in den Hospitalsgängen auslösen muss.  Es gibt mehr Patienten, aber die werden  heute weit schneller behandelt und wieder abgeschoben. Man vergisst auch die zahllosen technischen Hilfsmittel, die ja nicht ein Stressfaktor, sondern eine  Hilfe sein sollen im Rennen nach „mehr, schneller und besser“.

Wer hervorhebt, dass die Produktivitätsforderung für Süddänemark „nur“ knapp 300 Millionen Kronen ausmacht und in einem 24-Milliarden-Budget kaum zu Buche schlägt, der muss wissen, dass umgekehrt auch ein Schuh draus wird.
Experten meinen, dass das Problem  vielmehr mangelnde Steuerung und Planung ist im  häufig sehr konservativen Krankenhauswesen mit den starren Fachgrenzen und -kompetenzen.

Es sei ausgesprochen unbegabt, wenn man die Produktivitätsforderung durch schnelleres Laufen erfüllen wolle, so der führende Experte des Landes, Kjeld Møller Pedersen.
Da sind die gut bezahlten Chefs auf allen Ebenen gefragt. Sie sollen neue Arbeitsgänge nicht nur bestimmen, sondern auch umsetzen. Wer selbst im Krankenhaus war, weiß, dass die Mitarbeiter gerne und viel arbeiten – vielfach fehlten aber eben die Anleitung und der Rückhalt durch den Chef m/w. Das löst rigide (politische) Steuerung nicht.
Und mehr Geld allein heilt das Gesundheitswesen auch nicht, wie der Spruch von Harald Søndergaard schon sagte.

Oder vielleicht  „peitschte“ man bisher nicht die Richtigen …

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