Leitartikel

Plötzlich Hamburg

Plötzlich Hamburg

Plötzlich Hamburg

Apenrade/Aabenraa
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Hamburg Foto: Christoph Mahlstedt/Unsplash

Hamburg und Dänemark sind Nachbarn und historisch eng verbandelt. Doch in Dänemarks Medien ist von der Millionenmetropole nur selten die Rede. Schade für die Dänen, meint Cornelius von Tiedemann. Die Hansestadt bietet schließlich viele spannende Geschichten.

Hamburg und Dänemark sind Nachbarn und historisch eng verbandelt. Doch in Dänemarks Medien ist von der Millionenmetropole nur selten die Rede. Schade für die Dänen, meint Cornelius von Tiedemann. Die Hansestadt bietet schließlich viele spannende Geschichten.

Am kommenden Wochenende versammeln sich die G20-Staats- und Regierungschefs in Hamburg. Rund um die Tagungsstätte, das CCH, herrscht der Ausnahmezustand. Politiker und Polizisten warnen vor Ausschreitungen. Die Katastrophengier lässt auch dänische Medien über Hamburg berichten. Vielleicht passiert ja was. Krawalle sind doch wohl vorprogrammiert.

Schade.

Doch was wirklich Schade ist, ist, dass Hamburg nur deshalb jetzt plötzlich in den dänischen Medien stattfindet. Die meisten dänischen Kollegen schreiben ihre Berichte über Hamburg vom Schreibtisch in Kopenhagen, Brüssel oder Berlin aus, klauben sich ihre Berichte aus den internationalen Medien zusammen. Die Stadt kennen sie offenkundig nicht.

Anderthalb Autostunden ist Hamburg von der dänischen Grenze entfernt. Ist es wirklich zu viel von dänischen Redaktionen verlangt, sich mit dieser Metropole vor der Haustür mal genauer zu befassen und nicht nur dann, wenn Trump und Putin kommen oder die Elbphilharmonie eröffnet wird (was in Dänemark auch eher am Rande behandelt wurde)?

Die Liebe der Dänen zu Berlin, sie sei ihnen vergönnt, sie ist aber eben nicht gleichzusetzen mit einem zunehmenden Interesse an Deutschland. Berlin war über Jahre die billige Partystadt mit Kultur und Geschichte im Paket. Viele Dänen haben das abgefeiert und kennen jetzt den Stadtplan (und vielleicht die Gesetze in Sachen Wohnungskauf und Airbnb) von Berlin. Aber kennen sie deshalb Deutschland und dessen Vielfalt? Offenbar nicht. Es wird weniger Deutsch gelernt und auch durch den Wegfall der deutschen TV-Sender im dänischen Netz findet Deutschland abseits vom Berlin-Hype und weltpolitischen (Merkel-) Fragen in Dänemark kaum noch statt. Dänische Reporter, die aus Deutschland berichten, sprechen nicht selten Englisch mit ihren Interviewpartnern.

Hamburg ist mehr als nur G20-Krawall, Flughafen, HSV, Madonna-Konzert, Stau vor dem Elbtunnel oder, ganz nebenbei, wichtigster Außenhandelspartner Dänemarks. Hamburg ist ein buntes Großstadtuniversum, dessen Reize aufzuzählen hier nicht der Platz ist, über das zu berichten aber den Horizont vieler Dänen erweitern und bereichern würde.

Den selbstbewussten (und ja, auch immer ein wenig selbstverliebten) Hanseaten fehlt die dänische Aufmerksamkeit nicht. Die größte der Städte Europas,  die nicht von Herrschenden geplant und gefördert wurden, sondern aus eigener Kraft gewachsen sind, kommt auch ohne Berichte im Kulturteil dänischer Tageszeitungen aus.

Doch deren Lesern entgeht eine Menge, wenn sie die „Große Stadt“, wie die Kieler Hamburg nennen, weiterhin so ignorieren.

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Cornelius von Tiedemann
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