Leitartikel

Rote Autofahrer

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Apenrade/Aabenraa
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Foto: Scanpix

Ohne große Ballungszetren und mit viel ländlichen Raum wird Dänemark nie ein echtes Zugland, meint Gwyn Nissen. Daher muss ihm zufolge auch in die Straßenkapazität investiert werden, damit viele Dänen nicht täglich im Stau stehen müssen.

Der politische Sprecher der Sozialdemokraten, Nicolai Wammen, konnte es einfach nicht sein lassen: Als die politischen Partner hinter dem Zugfonds – ein Milliarden großes Zukunftsprojekt für die Bahn – kürzlich zwei Milliarden Kronen obendrauf legten, nannte er es „die erste Haushaltsabsprache“ für das Finanzjahr 2018. Ein Seitenhieb an die Regierungsparteien, die nicht Teil des Zugfonds sind, die in diesen Wochen aber an den staatlichen Finanzen basteln. Nun muss die Regierung zwei Milliarden mehr im Haushalt finden – ein teurer, politischer Schabernack.

Die politische Kommentatorin  der Wirtschaftszeitung Børsen, Helle Ib, fragt sich allerdings, ob der Zugfonds die Trumpfkarte wird, die sich  Sozialdemokraten, die Einheitsliste, Radikale Venstre, Volkssozialisten und die Dänische Volkspartei erhoffen. Denn  auch ihre Wähler stehen an der Ostküstenautobahn, vor Kopenhagen oder über Fünen im Stau, weil die Kapazitäten hier zu gering sind.

Da  reichen  eben nicht nur die Milliarden aus dem Zugfonds (der sich eigentlich hätte über Steuern aus der Ölförderung finanzieren sollen – doch nach dem Preisfall auf Öl fehlen  die Steuereinnahmen, und die Zugpläne sind bis auf weiteres verschoben worden). Auch sozialdemokratische Bürgermeister im Land beschweren sich über überfüllte Autobahnen und vor wenigen Wochen mischte sich die Gewerkschaft Dansk Metal in die Verkehrsdebatte ein. Eigentlich wollten die Gewerkschaftler die Regierung kritisieren („Es nützt nichts, dass Leute ihre Zeit auf der Autobahn verschwenden“), doch nach dem Zugfonds-Alleingang muss sich auch die Opposition dieser Kritik stellen.

Ohne große Ballungszentren und mit viel ländlichem Raum  wird Dänemark nie ein echtes Zugland. Daher muss auch in die Straßenkapazität investiert werden. Die Verkehrs- und Infrastruktur eines Landes eignet sich einfach nicht für politische Spielereien und Machtdemonstrationen. Dänemark hat viele Jahre die Weichen für die Zukunft auf einer breiten Mehrheit basiert, doch diese fällt langsam auseinander. Währenddessen stehen  viele Dänen, für die der öffentliche Nahverkehr  keine Alternative ist, weiterhin täglich im Stau.  

Die besten Verbündeten der blauen Regierung sind daher die roten Autofahrer, kommentiert Helle Ib. Dem können wir uns nur anschließen.
 

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