Leitartikel

Von Apenrade bis Katalonien

Von Apenrade bis Katalonien

Von Apenrade bis Katalonien

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Foto: Scanpix

In der Folketings-Debatte war aus dem Munde von Lars Løkke, der fast eine Kommunalwahlkampf-Rede hielt, auch der Name Apenrade zukunftsträchtig zu hören, doch viel mehr wurde ein ganz anderer Ort, eine Region fernab von Dänemark diskutiert: Katalonien. Allerdings, der Staatsminister pochte auf das souveräne Recht der Nicht-Einmischung von außen und war auch nicht bereit, das spanische Vorgehen in Katalonien zu kritisieren. Wissend, dass Pandoras Büchse auch im Nordatlantik unterwegs ist, meint Siegfried Matlok.

Wer es sich antut, die Debatte über die Regierungserklärung des Staatsministers im Folketing zu verfolgen, der weiß, dass am Ende der Marathon-Sitzung stets etwas Besonderes auf dem Bildschirm zu sehen ist. Während stundenlang der Puls von Süddänemark – also nicht von der Region Syddanmark! – gemessen wurde, ging es kurz vor Mitternacht  nur um den gemeinsamen Puls in der Reichsgemeinschaft. Wenn die nordatlantischen Abgeordneten – oft in Nationaltracht – den Rednerstuhl betreten, dann wird es noch einmal spannend.

Vor allem seitdem der Puls in Süddänemark sowie auf Grönland und den Färöern nicht mehr im Gleichklang schlägt.  Seitdem es mehr oder weniger offen Ideen, Visionen, Pläne für eine völlige Trennung der beiden autonomen Inseln gibt, die (nicht nur) in Kopenhagen für eine zunehmende Beunruhigung sorgen. Zwar hat sich die Regierung in Kopenhagen inzwischen als arktische Großmacht geoutet, dennoch wird ja in Süddänemark viel zu oft übersehen, dass 98 Prozent des dänischen Territoriums außerhalb von Süddänemark liegen!

In der Folketings-Debatte war aus dem Munde von Lars Løkke, der fast eine Kommunalwahlkampf-Rede hielt, auch der Name Apenrade zukunftsträchtig zu hören,  doch viel mehr wurde ein ganz anderer Ort, eine Region fernab von Dänemark diskutiert:  Katalonien. Die dort zurzeit schwelende Verfassungskrise zwischen Madrid und Barcelona wurde von mehreren Rednern angesprochen, vor allem von linker Seite gab es heftige Kritik am Verhalten der spanischen Zentralregierung. Das war natürlich ein Thema, das auch die nordatlantischen Abgeordneten bewegte. 

Die Rede des linksrepublikanischen Vertreters der Unabhängigkeitspartei Tjóðveldi, Magni Arge, war aus zwei Gründen besonders bemerkenswert: Erstens hatte er als Wahlbeobachter an der Volksabstimmung in Katolonien teilgenommen und war entsetzt über das brutale Polizei-Verhalten der spanischen Zentralregierung, zweitens tobt zurzeit auf den Färöern ein heftiger Verfassungsstreit. In Thorshavn ist ein Entwurf für eine eigene Verfassung ausgearbeitet worden, die nach Ansicht dänischer Politiker innerhalb der Reichsgemeinschaft so nicht mehr hinnehmbar ist.

Arge beruhigte die Gemüter rechts von der Mitte im Folketing mit der klaren Aussage, in Dänemark würden verfassungsrechtliche Streitfragen wie in Katalonien friedlich gelöst. Das ist nur zu hoffen, aber Arge verschwieg (sicherlich bewusst) jene Episoden aus dem Raum Klaksvík, wo noch heute viele derjenigen leben, die sich von Dänemark losreißen möchten. 1955 kam es dort praktisch zu einem Aufstand gegen die dänischen Behörden, die ihnen einen Arzt schickten, den sie strikt ablehnten.  Dänemark entsandte 200 Polizeibeamte, während die Klaksvikinger sich bewaffneten und sogar ihre Häfen verminten. Damals konnte ein blutiger Konflikt vermieden werden. Løkke war klug beraten, darauf hinzuweisen, dass Dänemark Selbstbestimmungswünsche natürlich letztlich respektieren würde – ohne Gewalt!

Allerdings, der Staatsminister pochte auf das souveräne Recht der Nicht-Einmischung von außen und war auch nicht bereit, das spanische Vorgehen in Katalonien zu kritisieren.  Wissend, dass Pandoras Büchse auch im Nordatlantik unterwegs ist!

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