Kommentar

Steuern senken um jeden Preis

Steuern senken um jeden Preis

Steuern senken um jeden Preis

Apenrade/Aabenraa
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Die Regierungsspitzen stellen ihre Reformen vor. Foto: Scanpix

Die Regierung spielt mit ihren Reformplänen mit dem Feuer, meint Cornelius von Tiedemann.

Elf Mandate haben die Steuersenk-Parteien Venstre, Liberale Allianz und Konservative bei der vergangenen Folketingswahl eingebüßt. Insgesamt kommen sie auf 53 von 170 Mandaten (ohne die Abgeordneten aus dem Nordatlantik). Das sind 31 Prozent der Abgeordnetenplätze. Den Rest des Plenarsaales füllen Nationalisten, Sozialdemokraten, Sozialliberale, Grüne und Sozialisten. Steuersenkungen hat von ihnen niemand versprochen und auch nicht auf dem Wunschzettel. Das wussten die Bürger als sie 2015 an die Wahlurnen traten - und sie entschieden sich in großer Mehrheit für jene Parteien, die an der "Steuerlast", wie es die Liberalen nennen – oder den "angemessenen Beiträgen", wie man es auch nennen könnte – festhalten wollten.

Regiert wird Dänemark dennoch von einer Koalition der Steuersenker. Vor allem das finanzielle Wohl der Besserverdienenden liegt dieser Regierung am Herzen. Daraus machen vor allem die Vertreter der Liberalen Allianz keinen Hehl. Geht es der Elite (nicht der geistigen, sondern der ökonomischen, wohlgemerkt!) gut, dann geht es auch dem Land gut, meinen sie. Anders als die Liberale Allianz, die bei der dänischen Jugend übrigens die beliebteste Partei ist, versteht sich die rechtsliberale Venstre als Volkspartei. Deshalb schränkt sie ein: Auch die unteren Einkommen sollten weniger Beiträge leisten, oder, um es in ihrer Sprache zu sagen: Vom Steuerdruck entlastet werden.

Haken eins: Das Experiment Steuersenkungen geht auf Kosten der Wohlfahrt

Die Sache hat zwei Haken: Erstens gibt es da die Finanzierungsfrage. Wenn oben und unten Steuern gesenkt werden, muss der Staat an anderer Stelle Ausgaben kürzen oder Einnahmen steigern. Dies wird in einer konservativ-libertär-rechtsliberalen Regierung absehbar im sozialen Bereich, in Dänemark Wohlfahrt genannt, passieren. Durch die sogenannte Deckelung der Sozialhilfe ist ein Schritt in diese Richtung bereits unternommen. Unterdessen ist mehr als fraglich, ob Steuersenkungen zu einem Zeitpunkt, an dem der dänische Aufschwung nach der Finanzkrise noch ein sehr zartes Pflänzchen ist, ein ökonomisch vertretbarer Weg sind. Forschung und Geschichte lassen hier Zweifel aufkommen. Der sogenannte "Trickle-Down-Effekt", dass also bei erhöhtem Wohlstand in der Spitze auch mehr für die breite Masse herauskommt, wird von Liberalen immer wieder beschworen, ist aber, siehe USA, widerlegt. Führende, mit Nobelpreisen dekorierte, Wirtschaftswissenschaftler haben dies längst postuliert.

Haken zwei: Die Regierung hat die Bevölkerung nicht auf ihrer Seite

Der zweite Haken: Die Bevölkerung will keine Steuersenkungen mehr. Was unter Fogh noch zog, hat sich bei der Mehrheitsbevölkerung abgenutzt. Die fetten Jahre vor dem Beinahe-Kollaps 2008 haben die Dänen vorsichtig werden lassen. Dass ausgerechnet die Jugend, die damals noch nicht auf dem Arbeitsmarkt miterleben musste, wie gezittert wurde, die keine Hauskredite auf völlig überteuert gekaufte Immobilien abstottern muss, der Liberalen Allianz zuspricht, belegt das. Die meisten anderen in Dänemark wollen vor allem eines: Sicherheit. Auch deshalb wählen so viele die Nationalisten, auch deshalb funktioniert der Rechtsruck der Sozialdemokraten.

Es ist also eine Politik gegen den Willen der Mehrheit, die die Regierung führt. Das ist gewagt – wenn nur ausreichend Zugeständnisse in Sachen Ausländerpolitik an die Dänische Volkspartei gemacht werden, die Sicherheit durch Abschottung verspricht, kann die Rechnung für sie allerdings aufgehen.

Doch unter dem Strich steht, dass es ein zynisches Spiel mit den Ängsten der Bevölkerung ist, das die Regierung spielt. Ein Spiel, das uns mit Sicherheit nicht aus der Demokratiekrise helfen wird, in der Dänemark mit dem Rest des Westens steckt.

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