Kardels Tagebuch: 1915-1918

Einträge von Juli bis Dezember 1915

Einträge von Juli bis Dezember 1915

Einträge von Juli bis Dezember 1915

Harboe Kardel
Frankreich
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Kardels Tochter Elsbeth Kardel Knutz hat unserer Zeitung die eigenhändig abgetippten Tagebücher zur Verfügung gestellt, sodass Der Nordschleswiger bis zum Ende der Aufzeichnungen bis 2018 Kardels Tagebucheintragungen abdrucken kann. Die Einträge sind immer am 1. eines Monats 100 Jahre später abrufbar.

1. Juli 1915
Ich muss vergessen, nur vergessen, was hinter mir liegt. Im Vergleich zu der Zeit, die ich jetzt durchlebe, erscheint mir alles schön, was ich vorher durchgemacht habe. Die traurigsten Augenblicke waren noch immer tausendmal angenehmer als diese böse Zeit. Wenn ich nun in den Schützengraben komme, muss ich sagen: mein Leben ist hin und wenn ich es behalte, ist es ein Wunder, eine Gnade Gottes. Und ich hänge so sehr am Leben, ich glaube, fast mehr als alle anderen. Pastor Rienau  sagte in der feierlichen Kriegsgebetstunde vorm Abitur: „Es treibt den Jüngling wie des Sturmes Wehen fürs Vaterland in Not und Tod zu gehen.“ – Sollte das für mich nicht zutreffen? Ach, meine Niedergeschlagenheit rührt daher, dass ich es früher so viel besser gehabt habe, und besser haben könnte, wenn ich damals zur Ringkanonenbatterie gegangen wäre. Bin ich schlechter als Roedenbeck und Lorenz Andresen,  die freudig  in Not und Tod gingen? Ich will meine Pflicht tun und noch mehr.

2. Juli 1915
Ich will alle Hebel anspannen, um in die Maschinen-Gewehr-Kompagnie zu kommen, dazu habe ich noch am meisten Lust.
Rudolf hat das Eiserne Kreuz I. Klasse. Ich will und muss auch etwas leisten. Er soll mir ein Vorbild sein. Überhaupt ist meine Stimmung abends mutig und zuversichtlich, morgens gedrückt und missmutig. Schlimm hat der Unteroffizier uns heute morgen durch den französischen Lehmboden gezogen….!

3. Juli 1915
Heute Morgen Exerzieren unter Sergeant Haldenwanger, einem kleinen echten Berliner. Heute Nachmittag war Arbeitsdienst. Hoffentlich bekomme ich bald Nachricht von Oberleutnant Thomsen. Morgen werde ich zum Leutnant Schüder gehen, denn jeder ist seines Glückes Schmied. So heiß der Tag war, so erquickend ist der kühle Abend.

4. Juli 1915
Heute ist Sonntag und Ruhe. Gestern Abend lagen der Alte Stieger und ich auf der Wiese und verzehrten den schönen Kuchen, den Frau Dr. Westedt geschickt hatte. Um 10 Uhr ist Baden im Kanal.
Welch eine Wendung durch Gottes Fügung! Kann ich aus vollem dankerfülltem Herzen sagen. Ich bleibe bei der Artillerie! Als ich gerade etwas Wasser geholt hatte, bei der Parole, sagte Unteroffizier Meyer: „Kardel und Stieger kommen fort zu Res. Artl. Reg 17“.  Die Bestimmungen über unsere Sachen hörte ich gar nicht mehr. 
Meine Freude ist zu groß. Aber Euch, ihr heißen Tage von Liebermont werde ich nie vergessen, als eine dunkle, aber heilsame Zeitspanne werdet ihr stets vor meinen Augen stehen. Ich freue mich, dass ich mit diesem schönen Schlusston dieses Buch abschließen kann. Es ist voll von Hoffen, Sehnen und Wünschen, die an dem heutigen Tag mit meiner Versetzung in eine Batterie ihre Erfüllung sehen.
Soli Deo Gloria! Harboe Kardel.

5. Juli 1915
Heute morgen ging die Fahrt über Ercheu, Ognolles, Solente, Champien (greuliche Verwüstung) nach Roye. Dort erfuhren wir, dass der Regimentsstab in Roiglise liegt. Der Oberstleutnant Wellmann bringt uns selbst hinüber. –Meldung bei Leutnant Marx.
Dann mit der Postkutsche nach Roye zur 2. Abteilung. Da fährt gerade die Bagage der 6. Batterie vorbei, der ich zu geteilt bin, (welch` ein Glück!)
Die Batterie kommt heute Abend in Ruhestellung nach Ognolles. Die beiden Vize-Wachtmeister Stern und Pape begrüßten mich sehr freundlich. Ich wurde zunächst dem B-Wagen zugeteilt, und wie ich hörte, an dem auch Goslar Carstens ist. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge hier weiter entwickeln werden.

6. Juli 1915
Heute morgen begrüßte ich Goslar Carstens und stellte mich Herrn Hauptmann Waltfried vor. Er war sehr gnädig und sagte gleich: „Bitte stehen sie bequem“.

7. Juli 1915
Gestern Nachmittag, als die Reg. Kapelle 163 er konzertierte traf ich den Kandidaten des höheren Lehramts Hans Jensen aus Husum als Ersatzreservisten. Er war sehr verdrossen. Nachher lud Wachtmeister Stern Goslar Carstens und mich zu einer Flasche Wein ein, bei der wir unter lustigen und ernsten Gesprächen verweilten, bis wir die Wache am Telefon übernehmen mussten. Meine Stellung scheint sich hier solider zu gestalten als bei der Kolonne.

8. Juli 1915
Heute Nachmittag gab es eine Felddienstübung. Ich machte zu Pferde mit. Einmal, auf dem Rückweg konnte ich den Schinder nicht halten, sonst ging alles gut, sogar der Galopp.

9. Juli 1915
Gestern Abend spielte ich wieder und sang dazu.
Heute Morgen wieder B-Wagen-Übung südwestlich von Solente (in einem Rübenfeld). Mir war das Scherenfernrohr übergeben.
Heute Nachmittag kam der kranke Kruse ins Lazarett. Ich warte sehnlichst auf Nachrichten aus der Heimat. Geld ist auch „n´a plus“ – malheur.

11. Juli 1915
Von gestern Mittag bis heute Mittag stand ich Posten am Bahnhof. Als ich um 7 Uhr abends abgelöst wurde, fragte meine Ablösung mich, ob ich Geburtstag habe, ich hätte eine unheimliche Post.

12. Juli 1915
Gestern Abend saß ich gemütlich bei den „Burschen“ und las meine Zeitung. Heute ist Geschützreinigen.
Schön musizierte die Kapelle der 163er heute Nachmittag. „In der Heimat da gibt´s ein Wiedersehen“!

13. Juli 1915
Am Abend saß ich mit den beiden „Mademoiselles“ bei Lt. Pape und Wachtmeister Stern zusammen.
Eben kommt der Ersatz an unserem Fenster vorbei. Einige von Kolonne 29, Winter, Gefr. Giese, sind auch darunter.
Als wir heute Morgen die Gäule wechselten, warf der „Schmidtsche Gaul“ die Hinterbeine nach hinten heraus und schmiss mich runter---malheur.

14. Juli 1915
In der großen Scheune wir ein Feldgottesdienst abgehalten und das majestätische Lied „Lobe den Herrn“ klingt zu mir herüber, während ich liebe Briefe noch einmal durchlese.
Heute Abend ziehe ich auf Parkwache.
Heute eine Karte von Roedenbeck, der schreibt:“ Eben höre ich, dass Lala sich auf ihren künftigen Beruf als Pastorenfrau im Pfarrhaus Gillersheim vorbereitet.“ Mit derselben Post bekam ich –merkwürdigerweise – einen sehr herzlichen Brief von Lala.

15. Juli 1915
Gestern Abend spielte ich vor dem Hauptmann und Wachtmeister Stern. Heute Morgen ritt ich Trab und Galopp. Die anderen Kanoniere sind zum Buddeln nach St. Mard gefahren.

18. Juli 1915
Sonnabend ging´s zum Buddeln in die Feuerstellung der 4. Batterie. Dort traf ich P., mit dem ich auf Russenwache war. Wir bauen einen „Divisions-Unterstand“. Heute wurde Zeug ausgegeben. Ich bekam Drillichzeug und Reithose. Reitstiefel bekam ich von Unteroffizier Meier.

19. Juli 1915
Als ich heute Abend von der Schule durch den lauschigen „Philosofenweg“ nach Hause ging, sangen die Infanteristen voll und schön in dem hohen Hause: „Nach der Heimat möcht´ ich wieder.“ Es klang übers stille Dorf. An dem Himmel standen schwarze Wölkchen. Schweigend standen die dunklen Pappeln da. Ich hielt inne und lauschte und sog den schönen Augenblick ein und hielt ihn durch diese Zeilen für immer fest. Gestern wieder zum Buddeln. Das Balkentragen fiel mir schwer. Als ich kaum zu Hause war und etwas gegessen hatte, musste ich gleich auf Wache ziehen. Am nächsten Morgen hoffte ich, dass das Reiten ausfallen würde, aber es fand statt und wurde unerfreulicher denn je. Mein Gaul lahmte, der Braune war in der Schmiede, der Fuchs war zum Reiten schlechthin nicht geeignet, was Wachtmeister Pape selbst zugab. Jedes Mal flog ich beim Trab von selber aus dem Sattel. Ständig verlor ich den Bügel und drehte meine linke Hacke dem Pferd zu. Überdies kam auch noch ein „Höherer“ (Major Kohlbach) hinzu und fing an mich zu kritisieren. Einmal aufgefallen, wird man die Herren nicht wieder los. – Das ist ein Leiden, ich wollte, wir wären erst in Stellung, denn dies Reiten bringt mir nur Verdruss.

25. Juli 1914
Heute Abend aß ich nach der Parkwache ein feines Gericht – Bratkartoffeln! Jetzt sitze ich bei einem Becher Limonade, einer Zigarette und flackernder Kerze, gemütlich – wie ich es so sehr liebe –, und lese meine „Itzehoer Nachrichten“.

29. Juli 1915
Vorgestern sind wir abgelöst worden und befinden uns in unserer Stellung vor St. Mard. Ich besetze mit Goslar Carstens einen Beobachtungsstand. Wir bestreichen den Raum zwischen  Armancourt und Echelle.


 

August 1915

1. August 1915
Sonntag, den 1. August abends 11 Uhr schanzende Franzosen beschossen. 1 Jahr seit Kriegsbeginn!

4. August 1915
Ein Tag geht hin wie der andere. Morgens um 5 Uhr werde ich geweckt. Ich wasche mich im Bach, schnell meinen Telefonapparat auf den Rücken und trotte zur Beobachtung. Dort sitze ich entweder im Unterstand und schreibe, lese oder esse, oder ich bin oben auf dem Strohdiemen und suche das Gelände nach Franzosen ab.
Mittags gehe ich in die Batterie zum Essen. Abends um 9 Uhr baue ich ab und bin froh, wenn ich noch eine Stunde gemütlich im Divisions-Unterstand sitzen kann. Um 11 Uhr lege ich mich angekleidet auf mein hartes Lager.

5. August 1915
Gestern Abend hatte Goslar Carstens Besuch von Unteroffizier Kofall, einen Burschenschaftler. Wir tranken einige Flaschen Bier zusammen.
Eben höre ich durch’s Telefon, das Warschau gefallen ist. – Hurra!

6. August 1915
Gestern Abend erhielt ich eine Karte von Bruder Johannes „Hans und Else“. Was soll das denn nun bedeuten? Verlobung des älteren Bruders?

7. August 1915
Gestern beschoss Hauptmann Waltfried eine Ansammlung von 20 Mann zwischen Fäeherbaum und Hauptrichtungspunkt.
Der Mittagsschlaf fehlt mir, denn die Nacht ist verdammt kurz.

8. August 1915

Vize-Wachtm. Borckholte ist zur 9. Batterie gekommen. – Schade. Er ist ein aufrichtiger Mensch, mit dem ich schon manche Stunde in angeregter Unterhaltung verbrachte. Er erinnert mich in vielen Stücken an meinen Mitschüler Chr. Jebsen. Besonders fiel mir die kühle, verstandesmäßige Art auf, mit der er alle Dinge behandelte.
Heutmittag besuchte ich den „alten Stieger“ bei der 5. Batterie.
Gestern Beschießung von St. Mard und der Beobachtungsstelle der 5. Batterie.
Heute Morgen ging ich allein zur Beobachtung. Goslar Carstens hat in der Nacht Batterien „angeschnitten“, d. h. lokalisiert.

11. August 1915
Gestern Beschießung unseres Strohdiemens. 10 Schritt entfernt schlug ein Geschoss ein und schleuderte uns oben auf dem Diemen Lehmklumpen ins Gesicht. Drei Schüsse  gingen in die Deckung des hinteren Grabens.

12. August 1915
Gestern Nachmittag fuhren Unteroffizier Gutjahr, Hinz und Schopenhauer mit dem Küchenwagen durch St. Mard. Sie wurden alle durch  eine Granate schwer verwundet.—In 99 Fällen geht´s gut im 100. Fall schlecht.

13. August 1915
Batterie 5 und 6 schossen nach 8 Uhr nach Marquivillers. Von drüben rief Oberlt. Maßmann von 6/9: „Auf die roten Dächer, Herr Hauptmann, die sind noch so hübsch heil, die Schüsse liegen gut. „Ich glaube“, sagte der Hauptmann, „jetzt haben wir unsern Lau gerächt.“
Der fuhr heute Morgen durch St. Mard. Durch eine Granate werden seine Pferde wild, gehen durch; er kommt unter den Wagen und stirbt sofort.
Die Franzosen, um sich zu rächen, schießen nach Laucourt und mit Schnellfeuer auf die Gräber besonders, auch auf unseren Abschnitt. Den traurigen Erfolg höre ich abends durchs Telefon: Das III. Batt. 162 hat 6 Verwundete.
Heute Morgen wurde nicht geweckt und jetzt habe ich keine Verbindung mit der Batterie. Das ist ja mal wieder eine schöne Schweinerei!

15. August 1915
Gestern Abend gaben die 81er folgende interessante Meldung durch:
„Im Schlösschen von Echelle geht es lustig her. Die Franzosen machen einen kolossalen Spektakel, singen die ,Marseillaise‘, sind anscheinend total besoffen.“
Sie baten uns dort einige Schüsse hinzutun. Doch der Batl. Kommandeur der 162er, Hauptmann Z., wünschte es nicht sie zu stören.

17. August 1915
Als unsere Batterie gestern das feindliche Feuer auf unsere Gräben erwiderte, bekam sie Feuer aus Ligniséres. Ein Geschoß schlug nahe bei unserm Diemen ein.
Heute am Abend wieder Beschießung. Eine Granate krepiert auf dem Weg neben der Batterie. Die Splitter flogen in den Unterstand des Hauptmanns, der merkwürdigerweise nicht getroffen wurde.

18. August 1915
Kowno genommen. 420 Geschütze erbeutet. 3 Forts von Nowo Georgiewsk sind gefallen. Das war wieder einmal eine gute Botschaft.

19. August 1915
Gestern schossen die Franzosen auf unseren Graben von St. Auring (?) eine Miene ab. Darauf  belegten wir Echelles mit 2 Gruppen. In der Nacht wiederholte sich das Schauspiel.
Aus Tondern kam eine Familienkarte. Wieder einmal „Hans und Else“. Die feiern ja anscheinend Verlobung. Und ich weiß nichts davon – merkwürdige Sache!

20. August 1915
Als ich heute auf den Hauptmann wartete um 5 Uhr nachmittags schellte es von der 5. Batterie zu mir herüber: „In Nowo Georgiewsk 85.000 Mann gefangen, 700 Geschütze erbeutet“. Die Batterie trat an, und der Hauptmann hielt eine sehr nette Ansprache. „Dieser Sieg bringt uns der Heimat näher.“ Gebe Gott, dass es wahr wird!

22. August 1915
Wieder hat mich der Posten nicht geweckt! Ich bin unglücklich darüber. Auf mich fällt natürlich alle Schuld. Wachtm. Pape wird den Fall weidlich ausnutzen. Kommt es noch einmal vor, will er´s dem Hauptmann melden.
Wann wird mir als Soldat endlich die Sonne des Glücks scheinen? Ich bin im zweiten Jahr, und noch ist keine Aussicht auf ein Fortkommen. Die Tonart, die hier beim Militär am liebsten gehört wird, kann ich nicht spielen.

24. August 1915 (Vaters Geburtstag)
Bruder Hans schreibt mir, dass er sich mit Else Paulsen verlobt hat. Sie wollen sich kriegstrauen lassen.

23. August 1915
Gestern Morgen schoss das 13 cm Geschütz den Kirchturm von Marquivillers in Trümmer.
Der Hauptmann lobte meine Tabelle, die ich für ihn gezeichnet hatte und trug mir auf eine Skizze zu zeichnen. Gegen Abend fing ich damit an. Ich wurde gestört durch das Feuer der Franzosen . 30 Schüsse gingen in unsere Batterie.

25. August 1915
Gestern Abend suchten die Franzosen mit schwerem Kaliber das 13 cm Geschütz. Sie arbeiten fieberhaft vor ihrem vordersten Graben, als wollten sie dort noch einen Graben mit Drahtverhau anlegen.
Der moderne Krieg ist eine große  dröhnende, leuchtende Heimlichkeit, ein Versteckspiel von gewaltigen Riesen ausgeführt. Er hat eine ganz neue Art von Romantik, eine ganz neue Art von Mut erzeugt. Das uralte, ewige Heldentum bricht erst beim Sturmangriff durch.

27. August 1915
Gestern Abend näherte sich eine Patrouille von 8/162 der Sappe am Wald. Ein Mann wurde abgeschossen. Wir suchten die Franzosen durch wiederholtes Schießen zu stören.

30. August 1915
Unser Hauptmann Waltfried saß gestern Nachmittag bei uns in der Telefonbude.
Er sprach über dies und jenes wie ein guter Kamerad. Es ist 43 Jahre alt, ist schon in Belgien verwundet worden und erfüllt noch treu seine Pflicht an der Front.
Vor einigen Tagen fiel Brest-Litowsk. Die Russen weichen immer weiter zurück, eine Entscheidungsschlacht wäre uns lieber. Trotz all der herrlichen Siege ist doch kein Ende abzusehen. Soll wirklich noch immer mehr Blut fließen? Ich erwarte das Ende von den Zwistigkeiten im Vierverband.

31. August 1915
Gestern schossen sich die Franzosen auf die Wege zwischen Roye und St. Mard ein. 
Sie scheinen einen Angriff zu planen.
Gestern wurde der Unteroff. Posten 8 mit Handgranaten beworfen.
Es soll ein 2. Kursus in Fréniches stattfinden. Goslar und ich sollen daran teilnehmen.
Die Arbeit steht still, ich arbeite für Fréniches.
Als ich gestern eine Zeitlang im Offiziersunterstand war, und die Offiziere im lässigem Gespräch bei Kaffee und Kuchen sah, kam mir so recht mein armseliges Dasein zum Bewusstsein. So zu leben war ich gewohnt, und nun? Man lebt fürs Vaterland wie ein Hund.

 

September 1915

1. September 1915
Gestern Abend wurden Roye und Carrépuis mit schwerem Geschütz beschossen. Unsere Batterie antwortete mit einer Beschiessung der Dörfer. Die Franzosen gaben wiederum Trommelfeuer auf St. Auvín. Von 10.15 an beschossen wir franz. Gräben. Um 11.30 ging eine ausgeschwärmte Postenkette von 50 Mann gegen die neuen Gräben und Sappen vor, um den Umfang der Gräben festzustellen und um sie womöglich zu zerstören.
Es gilt: Gesicht nach dem Feind, damit wir ihn niederkriegen, und der Winterfeldzug sich nicht (wie Joffre) sagt am Rhein, sondern vor Paris abspielt.
Gott, mache du mich stark und fest!

2. September 1915
Der arme Unteroffiziersposten am Echeller Wald hat viel auszuhalten. Gestern Nachmittag gegen 5 Uhr wurden nicht weniger als 30 Granaten auf ihn geworfen. Nachher bekam unsere Batterie auch ihr Teil. Die Brücke über den Gang zum Div. Unterstand wurde von einer Granate durchschlagen. Das merkte ich in der Dunkelheit, indem ich durch das Loch in dem Gang hinunterfiel. Mein Bruder Rudolf ist Batl. Adjutant geworden, und Tante Dora Suhren hat mir eine feine, leckere Torte geschickt. Bei der eintönigen Kost eine erfreuliche Abwechslung.

3. September 1915
Heute von 9-1beobachtete Vize – Wachtmeister Hensen ein Kriegsfreiwilliger von der 4. Batterie, der mit dem ersten Transportaus dem Lockstedter Lager ins Feld kam, auf dem Strohdiemen.
Gestern Abend schrieb ich einen Glückwunsch zu Hans´s Hochzeit, die Sonntag stattfindet. Bis 1 Uhr saß ich noch bei Unteroff. Duve in dem gemütlichen Bunker des 3. Geschützes.

4. September 1915
Grodnow gefallen. – Endlich einmal wieder Sonnenschein nach den trüben Tagen. Leider ist mein Lesestoff ausgegangen. Mit Wachtm. Sterns Zeitschriften halte ich mich noch einigermaßen über Wasser. Hoffentlich kommt das Essen bald, damit es nicht allzu kalt ist. Morgen ist Bruder Hans’ Hochzeit. Wie gern wäre ich dabei.

5. September 1915
Eben war Oberstlt. von Rettberg oben auf dem Diemen, ein urwüchsiger Soldat, der durch seine Fragen Lt. Schröder nicht wenig in Verlegenheit setzte. Nachher kam Oberstlt. Maßmann von der Haubitzbatterie des Feldart. Regiments 9 hinzu: Nun schießt „Franz“ nach dem Fliegerzug mit Granaten, die überhaupt nicht krepieren.
„Was kommen denn da für Vögel angeflogen?“ sagte der gemütliche Lt. Rudolph.
„Übrigens vertrieb mich eine Granate von der Latrine, auf der ich mich gerade häuslich niedergelassen hatte.“
Heute Abend erhielt ich Goethes „Dichtung und Wahrheit“. Dem Studium dieses Buches werde ich mich jetzt mit allem Eifer widmen.

7. September 1915
Gestern Nachmittag wurde der Fesselballon ganz niedrig und langsam von Marquivillers nach Ligniéres gezogen. Hauptmann Waltfried beschoss ihn mit dem Wanderzug. Er erreichte nur, dass er runterging.
Am Abend deckte „Franz“ die Batterie 6/9 mit 60 Schuss in einer Minute zu. Ein Volltreffer ging, wie ich nachher hörte, durch eine Geschützdeckung. Die Offiziere kamen in unsern Tel. Unterstand, wo der Hauptmann ihnen eröffnete: „Meine Herren, Abendessen gibt´s  heute nicht. Als die Schießerei losging, haben Behnke und Beckmann, die Burschen, die Schüsseln weggeworfen und sind kopfüber in den Graben gesprungen.“

Wir schossen in der Nacht so viel wie nie, oft 8 Gruppen hintereinander. Es kommt mir so vor, als wenn dies der Auftakt zu einem großen Schlamassel ist. Warum sollen die Franzosen auch nicht in unserem Abschnitt ihr Heil versuchen? Das aber ist sicher, wenn die Offensive losgeht, wird sie furchtbarer, entsetzlicher und gewaltiger als alle vorherigen. Gebe Gott, dass wir unsere Stellung halten.

„Goldene Abendsonne, wie bist du schön!“ Eine mächtige flammend-rote Kugel, so zeigt sie sich durch mein Scherenfernrohr. Aber es ist kein Abendfrieden! Über mir sausen die Granaten den feindlichen Gräben zu.

8. September 1915
Goslar Carstens beobachtet heute in St. Aurin.

9. September 1915
Gestern Abend um 10 Uhr 30 Feuerüberfall der Batterien 4/17, 6/17 und 6/9. Jedes Geschütz verfeuerte in 2 Minuten 15 Schuss. Ich lief nach dem Strohdiemen. Es war ein herrliches Schauspiel. Ein fortwährendes Krachen und Dröhnen, unzählige leuchtende Punkte flogen in der Luft, die Bahn der Geschosse bezeichnend. Über die feindlichen vorgeschobenen Gräben vor den Stellungen, eines der Straße St. Mard – Armancourt, ergoss sich der Hagel der Geschosse, im grellen Licht der platzenden Brennzünder lagen sie da. Welche Verwüstung mögen sie unter den dort arbeitenden Franzosen angerichtet haben.
Eben zweimalige Beschießung des Diemens mit 92 Kaliber. „Franz“ ist ein guter Schütze. 2 Bäume hat er abgesägt. Sie liegen quer über der Straße  St. Mard-Armancourt. Der Laufgraben, sogar das „Kaninchenloch“ stand voll von Infanteristen, die gerade nach St. Mard wollten.
Eben erzählt man mir, dass der Hauptmann der Abteilung gemeldet hat, Carstens und ich sollten zum Offiziers-Ausbildung Kursus. Da muss ich die Worte aus dem „Ajax“ anführen: „Ich freue mich, ich freue mich, lächelt das Glück mir.“
Gebe Gott, dass ich allen Anforderungen, die an mich gestellt werden, genüge. Um halb 11 heute Nacht, werde ich in den Offiziers Unterstand gerufen und mir mitgeteilt, dass ich zum Gefreiten und Offiziersaspiranten ernannt sei und am 20. Sept. nach Fréniches käme. Alle Offiziere gratulierten mir herzlich. Endlich hat sich erfüllt, was ich lange gehofft. 
„Einst wird von Gott dir kommen dein Tau und Sonnenschein“.
Goslar Carstens ist Unteroffizier geworden.

10. September 1915
Heute Morgen heftete Schneider Dust mir die Gefreitenknöpfe an.
Der erste Strohdiemen gegenüber der Auviner Stellung ist zur Hälfte abgetragen worden.

12. September 1915
Bis 2 Uhr habe ich noch am Fernsprecher zu wachen, da will ich mich ein weniges diesem Büchlein anvertrauen. Heute früh um 4 Uhr verlassen wir die Feuerstellung und beziehen Quartier in Ognolles. Hoffentlich sehe ich diese Stellung als Unteroffizier wieder! Ich erbitte von Dir, du allmächtiger Gott, Kraft und Weisheit, den Anforderungen in Fréniches zu entsprechen.
Abends wurde die Beförderung natürlich gehörig begossen.

16. September 1915
Und was tue ich hier? Ich führe ein gemütliches, beschauliches Leben. Vor allem ist mein Sinn darauf gerichtet, meine Ausrüstung in Schwung zu bringen. So habe ich meine Stiefel flicken, meinen Halskragen enger machen lassen. Dann lese ich im „Kanonier“ und in der Schiessvorschrift. Hin und wieder rufe ich auch Abteilung oder Regiment an, was immer sehr lange dauert. Jeden Morgen erhebe ich mich gegen 8 Uhr von einem erquickenden Schlaf. Aber es kann ja nicht immer so bleiben.   Die 10 Wochen gehen auch vorüber. Möge Gott meiner Arbeit Erfolg verleihen. Das ist mein tägliches Gebet. An seinem Segen ist alles gelegen.

17. September 1915
Gestern Abend besuchte ich den Festplatz am Südeingang des Dorfes. Dort war reges Treiben. Aufgefallen ist mir die schöne Musik und ein junger Leutnant, der mit einem Infanteristen in seiner kolossalen Besoffenheit Schieber tanzte.
Als ich beim Schuhmacher war, traf ich eine Italienerin und ihre Nachbarin. Letztere sagte, als wir über den Krieg sprachen: „Ich wollte, der Krieg dauerte noch 10 Jahre, dann würde das Kind meiner Tochter ihren Vater kennenlernen“!
Beim Offiziers-Kursus in Fréniches.

21. September 1915
Mit Goslar Carstens bin ich in Fréniches angekommen. Ich bekam eine Stube mit 3 Unteroffizieren vom Res. Artl. Reg. 18.

Es sind Löhmann aus Flensburg, Behn aus Kiel und Jens Jessen, Stoltelund. Montag richtete sich alles ein.
Heute war zum ersten Mal Fuss-exerxieren und Vortrag bei Lt. Siedenknecht. Ich musste gleich kommandieren, es ging leidlich.

23. September 1915
Heute Morgen zum ersten Mal geritten. Mein „Infanterist“ ging sehr gut. Noack machte auf seinem Schimmel einen wahren Todesritt. Nachher wurden wir Major Vieregge vorgestellt.
Heute Nachmittag mussten wir sogar wieder das Grüßen üben.
Die am Kursus teilnehmenden Husaren veranstalteten eine Rebhuhn-Treibjagd.

24. September 1915
Heute Nachmittag hatten wir wegen Regen 2,5 St. Unterricht. Hauptmann von Appel hörte sich die Sache an.
Jens Jessen (Stoltelund) ist ein guter Koch. Heute Abend gab´s wieder tadellose Bratkartoffeln, gerade so wie ich es liebe.
Sonntag war ich in Villesselve. Ich traf die alten Kameraden, sie waren alle rührend gut gegen mich. Lucienne war krank. Ihr Vater war tot. Ich setzte mich an ihr Bett.
Abends ging ich wieder nach Fréniches.

30. September 1915
Heute morgen konnte ich nicht Galopp ohne Bügel reiten. Jedes Mal sauste der Gaul mit mir in die Gegend. Zweimal fiel ich ab. Der Rittmeister von Buggenhagen schimpfte mächtig. Meine gute Nummer bei Wachtmeister Rathje ist natürlich auch hin.


 

Oktober 1915

1. Oktober 1915
Welch ein Unglückstag heute! Schon beim Trabreiten saß ich unsicher. Etwas nach 8 Uhr führte der Rittmeister uns in den Sprunggarten. Ich fiel gleich nach der ersten Hürde ab und stieß mit dem Kopf auf den Boden. Ganz verwirrt taumelte ich umher. Der Rittmeister sagte: „Ich schicke Sie zu ihrem Regiment zurück, weil Sie Ihr Pferd nicht halten können.“ In meiner Verwirrung wollte ich sein Pferd besteigen, was ihn natürlich wütend machte. Ich hielt mich für aufgegeben und glaubte schon mir wäre das schrecklichste Schicksal zuteil geworden. Ich beruhigte mich erst wieder, als Lt. Siedenknecht nach der Vortragsstunde zu mir sagte: „Kardel, nehmen Sie sich mit dem Reiten in acht, damit Sie nicht andauernd auffallen.“
Aber wenn Gott nicht ein Wunder tut, kann ich den Forderungen des gestrengen Rittmeisters von Buggenhagen nicht genügen.

3. Oktober 1915
Wieder ist es Sonntag aber er sieht mich mit anderen Augen an. Wie hoffnungsfroh zog ich vor einer Woche nach Villesselve. Mit sicherem Gefühl ging ich in die neue Woche hinein. Heute schwebt das Unglück über meinem Haupt, das mich jeden Augenblick treffen kann, ich höre schon den Urteilsspruch: „Zur Batterie zurück, da eine Teilnahme am Kursus zwecklos ist.“
Seitdem der Rittmeister v. Buggenhagen mich im Sprunggarten herunter kanzelte, führe ich hier nur noch eine Scheinexistenz.
Das zeigten mir auch die Worte des Feldw.-Leutnants, als ich auf dem „Harras“ gestern Morgen meine Abteilung suchte: „ Sie will ja doch keiner haben. Für Sie muss ein Reitlehrer erst erfunden werden.“
Danach war Geländeritt. Er führte uns in die Gegend von Libermont an den Westrand des Bois l`Hôpital und nach der Ferme „du brie brûlè“.
„Harras“ war ein mächtiger Kleber. Als der Batterie Trupp davon galoppierte, rannte er mit.
Heute morgen geht´s nach Schloss Tirlancourt zum Gottesdienst.
Der Gottesdienst in dem herrlichen Schlossgarten von Tierlancourt war feierlich. Ich sah meinen früheren Präparandenlehrer Wischmann, konnte ihn aber nicht sprechen.
Nun liege ich hier im Sonnenschein auf einer Wiese voller Obstbäume an der Straße  nach Libermont und will das Buch beschliessen.
Mit einem frohen Augenblick begann es, meiner Versetzung zur Batterie. Gott hat meine Arbeit da wunderbar gesegnet und hat mir die Aussicht zuteil werden lassen, in Fréniches schnell weiterzukommen.
Das war immer mein sehnlichster Wunsch, mit einer Beförderung mein Leben zu verbessern und mich emporzuarbeiten!
Meine Aussichten sind jetzt nicht rosig, mir wankt der Boden unter den Füssen. Ich fühle es, wie schwer es mir wird, den gestellten Anforderungen zu genügen.
Aber dies sei mein letztes Wort, ob ich hier bleibe oder zur Batterie zurückkomme: „Du treuer Gott, der du mich bisher so herrlich geführt hast, ich lege mein Schicksal in Deine Hand. Was auch kommen mag: Dennoch bleibe ich stets an Dir!“

4. Oktober 1915
Das Reiten auf dem „Harras“ ging heute gut, und ich habe neuen Mut bekommen. Ich fühle mich sicher auf ihm, selbst beim Springen und beim Galopp. Beim Fahren war ich zuerst Geschützführer und dann Zugführer.
Der Rittmeister v. Buggenhagen rief mich zu sich und sagte, er hätte davon abgesehen mich fortzuschicken, da Lt. Siedenknecht ihm gesagt hätte, dass ich mich angestrengt hätte.
Eine kleine Drohung wurde natürlich daran geknüpft.
Mutter schreibt mir, dass Bruder Hans jetzt an die Front kommt. Gott schütze ihn im Feuer und führe ihn seiner jungen Frau gesund zurück! Gott, ich danke Dir für Deine Hilfe. Bleibe bei mir!

5. Oktober 1915
Heute morgen um 7 Uhr versammelten sich beide Abteilungen am Nordwestausgang von Fréniches zur Felddienstübung. Wir ritten an den Südwestausgang Erchen an Libermont vorbei, wo wir die Batterie übernahmen. Ich ritt mit dem Batterien Trupp, da ich Stellungen aussuchen sollte. Jedoch gleich beim Absteigen schoben mir meine lieben Kameraden ihre Pferde zu, so dass ich bald zu meinem Leidwesen mit einer Herde von Pferden herumzog.
Währenddessen ging die Batterie in Stellung am Waldrücken westlichen der Pannetrie-Ferme. Nachher sollte der „Feind“, der sich auf Beaulieu zurückzog, in der Flanke gefasst werden, und Löhmann führte uns in rasendem Galopp – ich verlor die Bügel!! – zur Pannetrie-Ferme, wo er am Grunde links von einem Wäldchen in offene Feuerstellung ging. Er wurde gleich abgesetzt. Ich wollte die Batterie gedeckt am Rande des Apfelgartens vor der Ferme aufstellen, wogegen der Hauptmann nichts einzuwenden hatte.
Auf dem Rückweg musste ich leider wieder feststellen, dass mein Gaul ein großer „Kleber“ ist. Doch bin ich von Dank erfüllt, dass ich das Vertrauen zu mir selber wieder bekommen habe. Gott helfe mir weiter und kröne meine Arbeit hier mit Erfolg! Sein Wille allein geschehe.

6. Oktober 1915
Mit „Harras“ wurde ich heute wieder gut fertig. Aber alle meine Hoffnungen wurden wieder zerstört durch die schadenfrohe Worte des Feldw.-Lt. Schulz, ich sollte morgen den „Infanteristen“ wieder nehmen. Was der Mann mir schon alles angetan hat, werde ich ihm nie vergessen.
Nachher war Geländeritt bei Muirancourt. Ich war Pferdehalter bei Gerlach, Krieschen und Hess I, die eine Stellung aussuchen sollten. Wenn Gott nicht ein Wunder tut, kann ich mich hier nicht halten.
Nach dem Vortrag des Hauptmanns ging ich zur „Ferme des Rouvrel“, um wenigstens einen anderen Sattel für den „Infanteristen“ zu bekommen.
Doch hatten die Husaren dort wenig Gehör für meine Angelegenheit. Der Sergeant vertröstete mich, er würde morgen mit auf den Reitplatz kommen. Wachtmeister Rathje sagte mir, als ich nach dem Apell fragte, ob ich nicht den „Harras“ behalten könne, ich möchte selber einmal zu Feldw.Lt. Schulz gehen und mit ihm reden.
Viermal war ich dort, aber ich bekam immer dieselbe Antwort „il nèst pas retournè de Libermont.“ Nun kann ich mich nicht mehr mit einem ruhigen, sicheren Gefühl zur Ruhe niederlegen, denn jeden Morgen kann mein Schicksal hier in Frêniches besiegeln.
Den „Infanteristen“ zu reiten, das geht über meine Kraft. Aber gibt es nicht eine Kraft, die in den Schwachen mächtig ist? Im Elternhaus wurde es mir erzählt.
Ich flehe Dich an, du allmächtiger Gott, der du die Kraft selber bist, hilf mir! Heute Abend greife ich zur Bibel.

7. Oktober 1915
Beim Übernehmen der Pferde sagte der Reiter des „Infanteristen“ zu mir, dass er sein Pferd behalten wolle. Doch tauschten wir erstmals – der Ordnung halber. Trab und Springen mit dem „Infanteristen“ ging gut, aber beim Galopp versagte ich wieder. Zuletzt nahm Rathje das Pferd an die Leine. Beim Fahren, wo ich Vorderreiter war, verlor ich die Peitsche. Ich bin vollständig geknickt, weiß nicht, wo aus noch ein. Alles liegt trostlos vor mir, wie einst in Libermont. Wann wird endlich einmal wieder Sonnenschein kommen?
Eben sprach ich mit Feldwebel lt. Schulz. Zuerst sagte er: „Der ,Harras‘ gehört mir.“
Ich ließ aber nicht nach, und zuletzt gab er nach. Ich schilderte ihm meine Lage, und zuletzt sagte er: „Nehmen Sie ihn, nehmen Sie ihn.“
Er ist eine prächtige Reitergestalt. – Das Gegenteil von mir!

9. Oktober 1915
Gestern Felddienstübung über Muirancourt–Bussy–Chevilly–Campagne–Fretoy.
Ich war am Munitionswagen. Das war eine gemütliche Fahrt. Am Abend brauten wir uns einen heißen Grog. – Heute morgen Geländeritt nach Höhe 96, südöstlich Fretoy. Meine Zeichnung war „ganz ordentlich“. Das Mittagessen war großartig: Würstchen mit Sauerkraut. Von 2-3 Unterricht über Zaum und Sattelzeug an den dicken Kolonnenpferden!
Heute Abend ist Bierabend in Lehrhalle 2. Ich sehe wieder zuversichtlicher in die Zukunft.
Gott hat geholfen. Er helfe weiter nicht nur mir, unserem ganzen Volk zu einem baldigen ehrenvollen Frieden.

10. Oktober 1915
Mir fehlten gestern Abend die lieben treuen Husumer Freunde. Hätten wir ein Klavier da gehabt, wäre die Stimmung sicher gemütlicher gewesen. Die Mundharmonika war eine Aushilfe. Die Leutnants Siedenknecht und Duckwitz kamen um halb zehn. Letzterer ging bald wieder. Leutnant S. war sehr aufgeräumt und freundlich. Er trank mir zu. Wir hatten die Tische mit Blumen geschmückt, die wir in die leeren Bierflaschen steckten. Zum Schluss war ein leichtes durcheinander. Allen war das Bier zu Kopf gestiegen.
Es ist halb zehn, die anderen schlafen noch. Ich bin schon seit halb 8 auf und schrieb schon einen Brief an Roedenbetz, genannt „Äolus“, den ich Lalas Briefchen beilegte.
Die feindliche Offensive scheint zu Ende zu sein. Hoffentlich sinkt unsern Feinden bald der Mut, damit wieder Friede werden kann. „Nach der Heimat möcht` ich wieder.“ Ich kann es mir gar nicht vorstellen, wie schön es ist, wieder geborgen zu Hause zu sein, bei meiner lieben Mutter.

11. Oktober 1915
Gestern, am Sonntag nach Mittag, ging ich im schönsten Sonnenschein aufs Feld hinaus. An der Waldecke legte ich mich unter einen Apfelbaum nieder. Von ferne glänzten die Türme der Kathedrale von Noyon herüber, davor Kirche und Schornstein von Crisolles und Höhe 76, mit dem markanten Baum. Nachher beschäftigte mich die Skizze für den Hauptmann, die Vorpostenlinie. Heute ging ich wieder an die Arbeit der Woche. Das Springen über die große Hürde ging leidlich. Beim Fahren war ich zunächst Geschützführer, dann Zugführer.

12. Oktober 1915
In Muirancourt wurde ich bestimmt, Verbindung zu halten. Es zeigte sich mal wieder, dass mein Gaul ein großer „Kleber“ ist. Kurz vor Crisolles übernahmen wir die Geschütze. Meine Bedienung war nicht zur Stelle, und da ich sie nicht gleich eifrig zusammentrommelte, wurde ich furchtbar wegen dieser „Schlappheit“ von Lt. S. ausgeschimpft. – Verhüte Gott, dass dieser Fehler schwere Folgen für meine Zukunft hat!
Östl. Crisolles gingen wir in Stellung. Wir mussten die Geschütze lange vorschieben, weil wir sonst in die Erde geschossen hätten. Dann wurde anstatt Behn, Krieschen Batterieführer. Da wir auf dem Rückweg waren, blieb er bei der Batterie. Gerlach musste die Stellung erkunden. Die Stellung war unbrauchbar. Die Höhe 77 gewährte einen entzückenden Rundblick. Doch kann ich mich daran freuen, wenn ich immer ausgelümmelt werde?
Heute Nachmittag wurde Lt. Siedenknecht sehr deutlich und sagte mir, dass er es nicht verantworten könne, Leute wie mich einem Batterieführer als Geschützführer zuzuschicken. Ich könne Meldereiter oder sonst was werden. So ist es denn möglich, dass hier in Fréniches meiner militärischen Laufbahn früh ein Ziel gesetzt wird. Ich möchte so gern Unteroffizier werden, damit bin ich zufrieden. Welch`ein Unterschied zwischen meinem Bruder und mir! Gott, bleibe Du bei mir.

13. Oktober 1915
Das Springen ging heute gut und machte mir Spaß. Nachher eröffnete uns der Rittmeister, dass wir vom 19. ab bereit sein müssten, binnen einer Stunde abzurücken, da das Korps eine andere Bestimmung bekäme. Es würde eine Zeitlang in der Gegend von St. Quentin verbringen. So lange sollen wir noch hier in Fréniches bleiben. Zum Geländeritt  wurde ich bestimmt, beim Hauptmann zu reiten. Er führte uns in die Gegend von Flavy le Melddeux. Der Hauptmann unterhielt sich mit mir über meine Verhältnisse und meinen zukünftigen Beruf. Die Gräben nahmen wir im Sprunge. Ich will mir noch das Richtkreisverfahren ansehen, da wir heute Nachmittag Übungen am Richtkreis haben.
Komm` her, mein liebes Tagebuch, Dir allein kann ich mich anvertrauen. Du bist mein einziger Freund. Wann wird diese ewige Unruhe, dies beständige Gefühl der Ungewissheit endlich aufhören, dass mich jetzt beherrscht. Was nutzt alles Anstrengen, alles Bemühen? Ist es nicht doch alles umsonst? Man hat mir hier den frohen Mut zur Arbeit genommen. Sehe ich die sicheren unbefangenen Gesichter der
„Brauchbaren“, die ich z.T. so unsäglich geringschätze so versinke ich in Gedanken und sage nichts. Sie werden sich über mich lustig machen und nennen mich wohl mit den Namen derer, die „als unfähig zur Batterie zurückkommen“. Soll ich wirklich später vor den jungen Leuten, die jetzt mit mir zusammen sind, Ehrenbezeugungen machen? Und mich bücken und ducken und wieder in der Masse zurückgestoßen werden, die anders fühlt und denkt als ich? Gott, wenn es möglich ist, lass `diesen Kelch an mir vorübergehen.

14. Oktober 1915
Nach dem Reiten, als das Fahren gerade losgehen sollte, nannte er diejenigen, die zur Batterie zurückkämen. Wie war ich glücklich, dass ich nicht mit dabei war! Ich war Mittelreiter. Als wir durch den Grund auf die Höhe fuhren, und wieder herunterkamen, sahen wir unter den Pappeln einen Husaren, blutüberströmt, den Karabiner in der erstarrten Hand. Wie wir später hörten, war es der Husar Kruse, den der Rittmeister heute Morgen fortgeschickt hatte. Er sollte als unfähig zurück zur Eskadron. Ich sehe noch den blassen Menschen, der gestern beim Apell zu spät kam, mit dem scheuen Blick vor mir. Und nun ruht er schon tief in der Erde. Heute Nachmittag haben wir ihn auf dem Dorffriedhof von Fréniches bestattet. Ich bedaure seine armen Eltern.
Er hat nicht bedacht, wie Major von Viereck sagte, dass unser Leben nicht uns gehört, sondern dem Vaterlande.

15. Oktober 1915
Heute Morgen war Felddienstübung, westl. Beaulieu und bei der Pannetrie-Ferme. Ich war Kanonier 2. Alles ging gut. Heute Nachmittag schreiben wir eine Arbeit über die verschiedene Arten des Einfahrens in Feuerstellung. In der Taktik stunde nahm der Hauptmann den Stellungskrieg durch. Das erregte bei uns die Annahme, dass wir wieder in Stellungskrieg kommen. Und vielleicht schon sehr bald. Ich sage in dieser Hinsicht: je eher, desto besser! Nur gebe Gott, das ich einen kleinen Erfolg von Fréniches mitbringe. Ich bin für den kleinsten dankbar.
Wachtmeister Rathje sagte heute Morgen:“ Das Reiten ging gut“, was uns alle sehr freute. Dann führte uns ein Geländeritt auf Höhe 80 an der Straße von Rouvrel nach Thirlancourt. Ich war Pferdehalter von Hess II, der eine Protzenstellung aussuchen sollte. Heute Nachmittag stellten wir interessante Messungen mit dem Winkelmaß an.
Als wir uns zuletzt aufstellten beim Sprunggarten inmitten der warmen, farbenprächtigen Herbstlandschaft, sagte Leutnant Siedenknecht, dass der Kursus in allernächster Zeit aufgelöst wurde, später aber wieder aufgenommen würde. Jetzt könne keiner die Qualifikation bekommen.

17. Oktober 1915
Heute Morgen war Gottesdienst in Thirlancourt. Morgen Mittag geht´s zur Batterie zurück.
Beim Appell las Rittmeister von Buggenhagen die Namen der beförderten vor. Ich war unter den Glücklichen –Unteroffizier—ein guter Schritt vorwärtz, und der ist mit Gottes Hilfe getan! Ihm sei Dank. „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut.“

18. Oktober 1915
Heute Morgen beendete ein wunderschöner Ritt durch das Bois de l`Hôpital den Kursus.
Hauptmann und Rittmeister verabschiedeten sich von uns. Um 11 Uhr erfreute uns die Orgel Musik Krieschens und Gerlachs in der Dorfkirche von Frèniches. Im Haus 14 spielte sich eine lustige Szene ab. Alles nahm herzlich Abschied.

18. Oktober 1915
Ich warte auf den Wagen, der mich nach der Batterie zurückbringen soll, doch vorerst wird uns die Madame noch ein warmes Glas Kakao bereiten. Mir ist zumute wie am Tage, wenn`s in die Ferien ging.
Um halb vier kam Unteroffizier Thode und holte uns. Abends wurde ich von ihm und seinen Fahrern sehr freundlich aufgenommen. Wir aßen den schönsten Ochsenbraten.

20. Oktober 1915
Gestern Morgen stellte ich mich dem Hauptmann Waltfried vor. Goslar Carstens dampfte gleich wieder ab nach dem Schießplatz. Ich bekam die „Liese“ von Lt. Rudolph und dazu einen braven Putzer. Gestern Abend gab’s wieder ein schlemmerhaftes Essen und danach einen gesunden Schlaf. Heute Abend werden wir wohl abrücken.
Mit dem Fahnenschmied, dem Trompeter und den Unteroffizieren trank ich heute Nachmittag auf der Schreibstube eine Flasche Likör. In Roye spielte die Regimentskapelle der 163er. Ein Stück Eisen traf den Brigadestall!
Ich besah heute Abend lange Liesel Koch’s Brief. Das schöne Mädchen hat mich also doch nicht vergessen. Ich bewundere sie ja noch immer – um ihrer Schönheit willen. Wenn ich einmal etwas Schweres vollbringen soll, dann will ich an die schöne, stolze Liesel Koch denken, und es soll mir gelingen.

In Stellung in Angres vor der Loretto-Höhe.
18. Oktober 1915- 5. November 1915

21. Oktober 1915
Gestern Abend besuchte ich Unteroffizier Jensen, den Vetter von Max Hansen und Lene Jensen in seiner gemütlichen Bude. Erst um halb eins ging ich zu Bett. Heute Nacht wurde die 6. Batterie abgelöst. Eben bin ich von der Besichtigung durch Major Kohlbach bei Carrepuis zurückgekehrt. Die „Liese“ ging genügend. Nur mit Mühe kam ich hinauf, weil sie so groß ist. Außerdem  rannte sie immer zu dicht auf. Sie muss kurz gehalten werden.

26. Oktober 1915
Ich lag warm. Draußen donnerten die Kanonen. Es war halb zwölf. Da kommt der Befehlsempfänger herein und sagt: „Alles aufstehen, morgen um halb sieben ist Abmarsch.“
Ich wurde zur Abteilung geholt als Befehlsempfänger. Ich lag im Pferdestall, bekam fast gar keinen Schlaf. Da ich überflüssig war, ritt ich mit der Batterie nach Nesle. Dort wurden wir verladen.
St. Quentin lag so schön, so friedlich da, mit der hochgebauten Kathedrale. Kurz vor Lens wurden wir ausgeladen und erreichten nach einem Marsch durch Nacht und Nebel Auby – ein gastliches Dorf. Doch kaum hatte ich bei einem Gespräch mit den Hausbewohnerinnen mein Abendbrot verzehrt, als es galt, sich sogleich zur Abfahrt fertigzumachen. Am Nachmittag hatte ich durch Tausch Wagners Pferd, – meine liebe , faule „Liese“ errungen. Die war bald gesattelt und hinaus ging’s in die Nacht und in den Regen.
Das Quartier in Lens war gut – sehr gut. Leider gab’s in der ersten Nacht nur 2 St. Schlaf . Sodann ging’s wieder los mit dem Richtkreis, durch tiefen Dreck, ich war heilfroh, als ich erst bei der freundlichen Madame eine Tasse Kaffee trinken konnte. Am Abend entdeckte ich in einem Laden ein hübsches Mädel, Mademoiselle Vienne.
Heute Morgen um 4 Uhr löste unsere Batterie in Angres die 1. Batterie ab. Sie trugen manche Toten und Verwundete vorbei. Ich ging gleich auf die B.-Stelle, ein hoch gelegenes Haus, für den Krieg ein ganz angenehmes Quartier. Den Anblick von Angres von der Lufthöhe will ich nicht beschreiben. Er war schrecklich, das werde ich nie vergessen, es ist das Leichenfeld Europas.

28. Oktober 1915
In der Nacht zum 26. 27. schossen wir Sperrfeuer. Das war ein tolles Geknalle. Am Mittag lud mich der Hauptmann zu einem Glas Wein ein. Die Nacht verlief ruhig.

29. Oktober 1915
Das Schönste vom ganzen Tag ist die Nacht unter der dicken Decke, die der Vize-Wachtmeister von der Garde hier zurückließ. Heute Abend werde ich von Unteroffizier Meyer abgelöst und komme nach Lens. Eben hält der Franzose Angres unter Feuer. Doch kam er uns nicht zu nah. Er schoss meistens in die Nähe der Fosse 6.

30. Oktober 1915
Der Hauptmann zeichnete. Ich war auch oben in der Beobachtung. Da pfiffen die Granaten über unser Haus hinweg. Die vierte traf, und zwei folgten nach, das Haus krachte. Die Bodenkammer war mit Scheiben und Qualm gefüllt. Wir eilten hinunter, da kam noch ein Schuss und verwundete Wiechmann an der Schulter. Abends gaben wir auf Befehl der „Feuerleitung Nord“ Sperrfeuer ab. Nachdem huschten die Granaten wieder über’s Haus hinweg. Ich blieb oben. Ein stiller Seufzer stieg zu Gott auf. – Endlich war das Feuer vorbei. Da kam Zimmermann und löste mich ab.
Heute Morgen ging ich von Angres nach Lens, wo mich die Nachbarin meiner ersten Wirtin freundlich aufnahm.

31. Oktober 1915
Am 5. November geht der Kursus wieder los in Courcelles.
Heute Nacht heulten die Granaten über Lens. Ich wurde in der Familie Vienne heute Morgen freundlich aufgenommen. Sie luden mich zum Mittagessen ein. Mit den Offizieren besichtigte ich die Reserve-Stellungen. Abends spielte ich und sang. Übermorgen früh gehe ich wieder an die Front.


 

November 1915

1. November 1915
Heute aß ich in dem Bürgerhaus Vienne-Cappe in Lens zu Mittag. Das Mädel da ist sehr niedlich.
Ich bin müde und will Schlafen gehen. Morgen früh um 5 Uhr stehe ich auf, packe meine Sachen zusammen, und fahre mit Lt. Schröder und Wachtmeister Stern hinaus.
Gott, geleite Du mich, bleibe Du bei mir. Leib und Seele befehle ich in Deine Hand.

3. November 1915
Mit Unteroffizier Meyer war ich hier einen Tag zusammen. Meine liebe Mutter schickte mir „Unteroffizier – Schokolade“. Von 9-12 beobachtete ich Lichtsignale. Es wurde viel geschossen.

4. November 1915
Heute Nacht schlief ich köstlich auf der Matratze in dem Unterstand, wo vorher die Infanterie hauste. Heute Morgen liegt dichter Nebel über dem Land, und es ist so still wie am Sonntag. Heute Abend komme ich wohl nach Lens, denn morgen geht’s zum Kursus nach Courcelles. – Est-ce un bonheur ou un malheur pour moi?

5. November 1915
Durch französische Granaten wurden Hagemeier und ich von oben vertrieben.
Heute Morgen nahm ich Abschied von Lens und von Mademoiselle Vienne-Cappe.

5. November 1915
Hier in Courcelles fand ich endlich eine Bude mit Bett in einer Arbeiterfamilie. All die altbekannten Gesellen begrüßte ich wieder, beim Appell beanstandete Hauptmann v. Apell mein schönes Halstuch. Ich soll morgen „Betty“ reiten. Hoffentlich geht sie gut. Bis jetzt hat Gott mir alles gelingen lassen. Er helfe weiter.

Beim Offizier Kursus in Courcelles
5. November 1915-21.December 1915

6. November 1915
Der erste Dienst liegt hinter mir, alles ging gut. „Betty“ gefällt mir. Heute Abend besuche ich den alten Stieger. Und morgen ist Sonntag.

7. November 1915
In der Nacht habe ich furchtbar  gefroren. Doch jetzt winkt warmer Kaffee.
Gestern hörte ich einen Reim, mit dem die Garde die Bayern hier an der Westfront geneckt hat:

„Im Osten kämpft ein tapfres Heer,
Im Westen steht die Feuerwehr.“

Darauf haben die Bayern die Garde verhauen.

8. November 1915
Ich bin müde und will zu Bett gehen. Doch erst noch ein paar Worte meinem lieben Büchlein.
Heute Morgen gelang mir das Satteln gut. Das freute mich. Ebenso hielt ich einen Vortrag über Feuerstellungen und kommandierte beim Fußdienst, beides zur Zufriedenheit von Lt. Litzmann. Nur mein Fuß wird immer lahmer, weil die Wunde an der Hacke nicht heilt. Heute Abend waren wieder einige Nachbarn, und wir sprachen gemütlich am „französischen Kamin“ über dies und jenes. Die Kanonen donnerten mit heftiger Wut während des ganzen Nachmittags.
Lieber Gott, lass `Friede werden, ich sehne mich danach.

9. November 1915
Geländeritt nach Flers. Ich hatte mit D`Alquen und Hess I am Nordrand von Flers eine Batterie-Stellung auszusuchen. Alles ging gut. Doch das Pferd, das Unteroffizier Jaeger mir heute Morgen zuscganzte, die „Hulda“, habe ich schnell wieder gegen meine „Betty“ eingetauscht.
Heftige Kanonade.

10. November 1915
Heute Morgen ritten wir in unergründlichem Dreck.
Beim Kaffee holen schälte ein niedliches Mädel Kartoffeln. Trotzdem muss ich sagen, wenn ich das französische Wesen ansehe: „Nur in Deutschland will ich ewig leben, nur in Deutschland soll mein Schätzchen wohnen“.
Geländeritt nach Moncheaux. Heute Abend lasse ich mir wieder „pommes frites“ machen, die ich sehr schätze. Draußen heult der Wind, dröhnt der Kanonendonner der Lorettoschlacht. Ich will schlafen gehen und vom Frieden träumen.

13. November 1915
Ich war sehr erstaunt, als Wachtm. Ehrke heute Abend beim Appell sagte: „Morgen ist nur um 5 Uhr Appell, weiter nichts“.
Ich war doch immer der Meinung, es sei erst Freitag. Eine Woche keine Post! Das ist zu traurig. Ich sehne mich nach einem Gruß von meiner lieben Mutter.
Mein Waffenrock ist noch nass von der Fahrübung, wo wir in eisigkaltem Regen aushielten. Lieber Gott, lass`Frieden werden – bald!

14. November 1915
Heute Morgen erschienen drei französische Flugzeuge zugleich über Courcelles.
Ein Sprengstück flog in den Acker jenseits der Straße. Die Kanonen schweigen – hoffentlich bald auf immer!

15. November 1915
Heute Nachmittag machte ich mit den beiden „Hessen“ einen Spaziergang nach Auby. Dort begrüßte ich meine Wirtin von damals und trank 2 Gläser Kaffee in dem Estaminet, wo ich vor gerade 3 Wochen mit lieben Kameraden saß. Es ist eine starke, ungestillte Sehnsucht in mir – nach Deutschland, nach der Heimat.
Wann höre ich wieder das erste Wort von meiner lieben Mutter?? –
Heute Nachmittag wurden Plaut und Stieger zur Abteilung Siedenknecht versetzt. Vizewachtmeister Schuster und Selige besuchten mich und brachten mir Post, die mich wieder froh machte.

16. November 1915 
Heute Nachmittag verließ uns Lt. Litzmann. Wir alle haben ihn sehr lieb gewonnen, und sehen ihn ungern scheiden. Lt. Booth ist sein Nachfolger.
Ich bekam so reichlich Paketpost, dass ich heute Abend die beiden „Hessen“, meine Nachbarn, zu einem schlemmerhaften Abendbrot einladen konnte.

Mein Mitabiturient Johann Jebsen, genannt Seu ist ind Russland an der Ruhr gestorben und in heimatlicher Erde zur letzten Ruhe gebettet worden. Stoldt ist durch einen Unglücksfall hinter der Front ums Leben gekommen. Ich denke zurück an die beiden Kameraden, die jetzt kalt und stumm sind.

Heute Morgen war ich Batteriefahrer beim Gespann exerzieren. Die Kritik verlief einigermaßen günstig. Lt. Booth erteilte uns Unterricht.- Fräulein Wieding schreibt mir, dass Otto Wilhelm Roedenbeck in Husum gewesen ist.—Der Glückliche. In Husum hat er an mich gedacht, das freut mich Geländeritt unter Lt. Booth nach Cuincy.

19. November 1915
Beim Galopp heute Morgen stürzte ich mit meinem Gaul, kam aber mit einer über und über mit Lehm und Dreck bedeckten Uniform davon. Bei der nachfolgenden Fahrübung war ich Stangenreiter.
Am Nachmittag gingen wir mit Lt. Booth ins Feld und machten eine Ansichtsskizze. Dabei sagte Lt. B.: „ Meine Herren, wenn Sie rauchen wollen, bitte sehr!“
Wir alle freuten uns über seinen vornehmen Charakter.

20. November 1915
Heute Morgen sprangen wir über die Hürde. „Kaspar“ springt sehr hoch. Lt. Booth ließ uns eine Arbeit schreiben über:
„Das Verhalten der Abteilungsführer, Batterieführer und nachführenden Offiziere beim In-Stellung-gehen einer Abteilung.“
Beim Fußdienst prüfte er das Kommando jedes einzelnen. Nachmittags war Vortrag über Beschienen und Veterinärunterricht.
Heute Abend besuchte mich der Bursche von Lt. Booth. Hess I kam auch dazu und es entwickelte sich ein interessantes Gespräch über unseren Vormarsch durch Belgien und Nordfrankreich.

21. November 1915
Heute war ich mit den beiden „Hessen“ in Douai. Ich sah eine schöne, friedliche Stadt, die nur durch die vielen Soldaten daran erinnerte, dass Krieg war. In einem Estaminet traf ich Feldwebel Andersen, den ich oft bei Feldwebel Hansen auf Schloss „Les Essarts“ sah.

22. November 1915
Montag brachte eine Felddienstübung. Ich erkundete eine gute Bereitstellung. – Endlich kamen die bestellten Gamaschen. Doch muss ich sie wegen ihrer Minderwertigkeit wieder zurückschicken. Ich kann sie wirklich nicht so gebrauchen. Was soll die Pappe im Wasser und Lehm des Schützengrabens? –
Mutter schrieb mir schon zu meinem Geburtstag einen lieben Brief. Die gute Mutter, wann werde ich Dich endlich, endlich wiedersehen?

23. November 1915
Heute bei der Lehrübung war ich Zugführer. Ich hatte ein widerspenstiges schwarzes Pferd von der 3. Schwadron. – Am Nachmittag hatten wir Unterricht am Geschütz. –  Mein Abendessen war tadellos. Würstchen mit Sauerkraut und „richtige“ Pommes Frites.

24. November 1915
Wir suchten Stellungen bei Auby.
Der Stabsveterinär stellte unsere Unwissenheit über das Gebiss des Pferdes fest.
Vater schreibt mir einen langen Brief.
Hess und ich trinken abends Tee und essen da zu Kuchen , den meine liebe Mutter mir zum Geburtstag schickte.

25. November 1915
Der Geburtstag verlief wie jeder andere Alltag. Abends saß ich gemütlich mit Hess zusammen.

28. November 1915
Sonnabend Abend  verlebten wir gemütliche Stunden. Alles war da, gutes Bier, ein Klavier, eine weißgedeckte Tafel. Besonders das erste Lied klang prächtig:
„Hier sind wir versammelt zu lieblichem Tun“. Es rief Erinnerung an so manche schöne Stunde wach.
Heute Nachmittag war ich mit Hess in Roost-Warendin.

29. November 1915
Jeden Tag erwarte ich Geld, aber es kommt nichts. Ich habe keinen Heller und soll soviel bezahlen. Vater müsste doch überzeugt sein, dass ich, wenn ich darum bitte es notwendig brauche.

30. November 1915
Heute Mittag wurde bei Hènin Liètard ein französischer Flieger zum Landen gezwungen. – Für die morgige Felddienstübung haben wir noch keine Einteilung bekommen. Das gefällt uns nicht.


 


 

Dezember 1915

2. Dezember 1915
Heute Morgen machten wir einen Orientierungsritt nach Mons en Pèvele und Höhe 107, wo sich uns ein großartiger Rundblick darbot. Über Thumeries-Ostricourt ritten wir zurück.

4. Dezember 1915
Vater schickte mir 12 M.
Reiten und Fahrdienst fallen heute wegen des Regens aus. Meyer, Timm, Hess und ich fuhren mit einer Kanone nach Hènin-Liètard. Abends heulte die Madame uns etwas vor. Ich glaube, weil ihr Geschäft diesmal verhagelt war. Jetzt beruhigt sie sich allmählich wieder, nachdem sie sich eine Zeitlang in ihre Schlafstube zurückgezogen hatte.

5. Dezember 1915
Heute Nachmittag besuchte mich mein Vetter Rudi Suhren. Wir gingen zusammen nach Wagnonville.
Ich sah ihn zuletzt als ich zur Infanterie übergeschrieben war. Seitdem hat Gott mich über Bitten und Verstehen gesegnet.

7. Dezember 1915
Heute Morgen war Felddienst bei Noyelle-Godault. Hess II und ich saßen auf den Achssitzen der Lafette, wurden total mit Dreck bespritzt, so dass unser Aussehen allgemeine Heiterkeit erregte. Der erste Batterieführer wurde abgesägt.
Dann war Jessen Batterieführer. Die Kritik des Hauptmanns war wieder sehr niederdrückend, zumal das Telefon wieder mal vollständig versagte.
Ich habe jetzt hier oben meine Bude für mich, darin Ofen, Tisch und Stühle. In der Einsamkeit fühle ich mich sauwohl, das ist es ja gerade, was ich mir so lange gewünscht habe– ein stilles Stübchen à la Husum.

8. Dezember 1915
Heute machten wir einen Übungsritt, der sehr reich war an komischen Momenten. Der Hauptmann sagte zu d`Alquen, als dieser seinen Richtkreis gleich wieder einpackte: „Sie sind ein großer Nachtwächter“. Michaelis kletterte auf einem steilen Dach herum und wurde ganz bestürzt und verwirrt, als Lt. Booth plötzlich sagte:
„Sie werden mit Schrapnells beschossen“. Den Draht ließ er an einer Klistierspritze herab. Als Brütt mit seinem Batterie –Trupp durch die Gegend sauste, rutschte Glienicke aus dem Sattel, und der Gaul ging mit dem Richtkreis in Karriere davon.
Heute Nachmittag nahm Lt. Booth die besten zum Kommandieren, aber mich nicht. Hoffentlich ist das kein Böses Omen. Ich wurde, als ich nach dem Dienst mit Hess zusammensaß, ganz nachdenklich.---Sollte ich schon dazu verurteilt sein, einen zweiten Kursus hier mitzumachen? Das verhüte Gott.

9. Dezember 1915
Meinen Wachtmeisterposten konnte ich heute gut ausfüllen. Beide Stellungen waren in der Nähe von Courcelles. Als ich vom Unterricht kam, traf ich Postkutscher Adams, der mir einen neuen Rock brachte.

10. Dezember 1915
Nun neigt sich die Woche wieder ihrem Ende zu, auch der Freitag wäre glücklich überstanden.
„Kaspar“ wollte heute durchaus nicht springen, selbst Unteroffizier Jäger erreichte nichts mit ihm. Deshalb soll ich morgen die „Lupine“ reiten. Beim Reiten hörte ich’s zum ersten Mal und mit immer größerer Bestimmtheit wird es behauptet: Wir bekommen alle Weihnachten Urlaub. Welch eine Freude für meine lieben Eltern!

11. Dezember 1915
Die „Lupine“ gefällt mir. Bei der nachfolgenden Felddienstübung zwischen Noyelle-Godault und Courselles sanken die Geschütze bis an die Achse in die Erde. Rettberg war Batterieführer.
Um 11 Uhr war sie beendet, es schien, als wenn die Offiziere etwas vorhatten. Ihr Unterricht heute Nachmittag fällt aus. Es ist nur Veterinärlehre. Ich bin sehr gespannt, welches Urteil über mich gefällt wird. Überall, wohin man sieht, steht ein Fragezeichen.

12. Dezember 1915
Heute ist ruhiges, trockenes Wetter. Ich reite auf Lt. Booth’s Pferd zur Batterie. Hoffentlich macht der Ritt mir Freude.
Ich habe einen schönen Ritt hinter mir. Im Kasino wurde ich von allen Offizieren freundlich aufgenommen.
 Ich fühlte mich dort wie zu Hause und wünsche, dass ich recht bald zur 6. Batterie zurückkomme.
Nun sitze ich wieder allein in meinem Stübchen, und wieder Qqält mich die Ungewissheit, Lieber Gott gib mir bald Klarheit über mein Schicksal.

13. Dezember 1915
Bei der heutigen Felddienstübung war ich Nachführender Offizier.
Ich brachte die Batterie glücklich in Stellung, unterließ aber, Rufverbindung mit dem Batterie-Führer aufzunehmen, stattdessen „freute ich mich über das schöne Wetter“, wie der Hauptmann sagte. Schade, dass ich dadurch unangenehm auffiel.

14. Dezember 1915
Heute Nachmittag war Geschützwaschen, dann Exerzieren mit Kanonen und Haubitzen.
Ich sollte die Bahn östlich Flers beschießen  (6000 m). Fälschlicherweise schoss ich mich zuerst ein, ich hätte gleich ein Streuverfahren anwenden müssen. Es war „sinnlos u. unüberlegt“. Taktik fällt aus.
Heute will ich nach Hause schreiben, dass ich vielleicht zu Weihnachten Urlaub bekomme. Werden die sich aber freuen!
Eben waren Hess und ich bei Mademoiselle Gabrièle, vor deren Hause wir heute Nachmittag mit den Geschützen exerzierten. Ich spielte Klavier. Sehr gemütlich.

15. Dezember 1915
Als wir mit der Batterie vor der Kirche hielten, eröffnete Lt. Booth uns, dass wir alle vom 22. Dezember bis 1. Januar Urlaub bekämen. Auch heute Morgen wurden wieder einige „Cigarren“ ausgeteilt.

17. Dezember 1915
Der Infanterie-Lehrkursus aus Wagnonville lässt sich heute Morgen bei uns einen Vortrag über die Geschütze halten.
Ich begrüßte Oberleutnant Thomsen aus Tondern und Lehrer Wischmann. Was man wohl mit mir macht? Die peinigende Ungewissheit wächst mit jedem Tag.
Die letzte Felddienstübung fand wieder hier in Courcelles statt. Ich war bei der Einteilung vergessen. Brütt war zunächst Batterieführer, nachher machte Behn mit einem Zuge Stellungswechsel. Am Schluss sprach der Hauptmann von den „wenigen“, die die Qualifikation zu Offizieren des Beurlaubtenstandes erhielten.
Der Nachmittag brachte uns einen warmherzigen Vortrag eines Stabsarztes über die großen Gefahren, die die zunehmende Geschlechtskrankheit für unser Heer und Volk bedeutet.
Dann beschäftigte uns das Thema: „Überlegungen und Maßnahmen des Führers einer Infanterie-Batterie bei Einnehmen einer Feuerstellung.“ Ich musste zuerst abfragen.
In der letzten Taktikstunde beschäftigten wir uns mit der Aufstellung der Munitions-Kolonnen bei der Kriegslage von heute Morgen. Am Schluss gab uns der Hauptmann noch einige gute Ratschläge, umschrieb im allgemeinen, welches Los der einzelnen sein werde und verließ uns sehr wohlwollend.

19. Dezember 1915
Sonnabend-abend besuchten Hess und ich Kleppe und Stieger. Hess hatte schöne Leberwurst gekauft, die auch meinem leeren Magen zu großer Freude gereichte.
Heute Morgen war eine Stunde Unterricht. Nachher wurde Abteilung A von Unteroffizier Glienicke photografiert. Das Wetter ist sonnig und klar. Heute Abend findet in Gegenwart von Major von Vierecke ein Bierabend in der Schule statt.

20. Dezember 1915
Der Bierabend war recht gemütlich. Auch Rittmeister Anton Schifferer nahm teil.
Michaelis wurde heute zum Verpflegungsoffizier vorgeschlagen. Um 4 Uhr war Antreten im Besichtigungsanzug.

21. Dezember 1915
So hat mich dann wirklich das schlimmste Los getroffen.: abgesägt!!
Als Unteroffizier gehe ich in die Batterie zurück. Allgemein ist man erstaunt über diese Wendung. Ich habe die Verhältnisse vollständig verkannt, und nahm an, die Offiziere wollten mir wohl, während sie doch keinen Funken von Interesse für mich hatten. Ich muss mich fügen und vergessen. Gott weiß, weshalb er mir dies geschickt hat. Daran will ich glauben.

22. Dezember 1915
Ich befinde mich auf der Strecke Husum-Tondern. In Douai ging die Reise an. In Lille Umsteigen. Kurz hinter Brüssel Maschinendefekt. Morgens treffen wir in Aachen ein, sprachen zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mit deutschen Mädeln.
Köln-Hamburg im Schnellzug. In Husum stieg ich aus, um nach Bekannten auszuschauen.
Jetzt bin ich dem Wiedersehen mit meinen Lieben nahe. Gib mir, lieber Gott, ein frohes Zusammensein mit ihnen. Meine Hoffnungen, die ich auf den Schluss des Kursus setzte, haben sich nicht erfüllt.
Ich sehe eine begrenzte militärische Laufbahn und langsame Beförderung vor mir.
Ich will nicht mit dem Schicksal hadern und sagen: Warum gerade mir dies bittere Los? Denn Gottes Gedanken sind höher denn unsere.
Ich schließe diese Aufzeichnungen mit der Bitte an Gott, den Allmächtigen:
Gib unserem Volk bald einen vollen Sieg und ehrenvollen Frieden.

31. Dezember 1916
Ich sitze in dem Zug, der morgens in aller Frühe von Tondern nach Tingleff bummelt, es geht zurück nach Frankreich. Wie schnell, wie schnell sind doch die schönen Tage dahingegangen!
Der Krieg lag so meilenweit hinter mir, und die 10 Monate Frankreich waren vergessen. Ich spürte nur den Frieden und die Liebe des Elternhauses, die mich an jedem Morgen erneut umfing. Ich habe nichts Besonderes mitgemacht, es war ja auch nicht nötig. Das ganze Leben in geordneten, normalen Verhältnissen der Heimat war mir ja neu.
Husum hat sich von neuem von der besten Seite gezeigt. In Baland`s Kaffeehaus küsste ich einen roten Mund, und im Ratskeller trank ich mit der Familie Westedt würziges Bier. Wie viel liebes und gutes ist mir nicht schon in Husum widerfahren! Ich fand die alte trauliche Stimmung wieder, gepaart mit herzlichem Mitgefühl für uns da draußen. Bei Fräulein Wieding musste ich an Otto Wilhelm Roedenbeck denken, der jetzt oft dort aus und ein geht – der Glückliche. Ihr deutschen Mädels, wie viel Liebe bleibt nutzlos in eurem Busen, seit wir nicht bei Euch sein können. Wie viele Küsse bleiben ungeküsst.
Mein Vater sprach ernst mit mir, ihn bangt um meine Seele. Er kann mich nicht bekehren. Die Welt, die trotz allen Krieges schöne Welt, hält mich mit tausend Banden gefesselt.
Heute Morgen brachten sie mich zur Bahn, nachdem sie mich gestern Abend mit viel Liebe ausgerüstet hatten. Ich flehe Gottes Schutz auf Euch herab. Es gebe uns allen ein fröhliches Wiedersehen.

Foto: DN
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