Soziale Medien

In der Filterblase ist es so heimelig

In der Filterblase ist es so heimelig

In der Filterblase ist es so heimelig

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Smartphone
Foto: Scanpix

Wer andauernd darin bestätigt wird, dass die eigenen Meinung, die allein selig machende Wahrheit darstellt, der kann es zwar bis ins Weiße Haus schaffen, ein guter Präsident wird er aber noch lange nicht, meint Jan Diedrichsen.

Für viele Menschen ist der morgendliche Blick auf die Facebook-Timeline so natürlich, wie Zähneputzen oder der Frühstückskaffee. Auch Twitter oder Instagram, Snapchat und WhatsApp gehören für ganz viele Menschen zum Alltag dazu. Wir sind eine Gesellschaft geworden, die auch online lebt. 

Ich empfinde es als sehr angenehm, morgens über die eigene Timeline zu blicken. Sie beruhigt mich. Man sieht, was die Freunde, die ehemaligen Klassenkameraden, die Politiker, der Fußballverein (gewonnen!) so treiben. Man bleibt im Kontakt und ist gut informiert. Die Aufregung über das völlig geschmacklose „Kuchen-Foto“ von Inger Støjberg ist auf meiner Timeline explodiert. Wie herzlos, wie kann man nur! Donald Trump’s würdelose Verhalten bei der Pressekonferenz mit Angela Merkel: Wie ungehobelt, was für ein grober Klotz! Meine Facebook-Freunde und ich, wir verstehen uns.

Doch dieses Phänomen, des sich Wohlfühlens beim Blick auf die eigene Timeline, hat einen Namen; es handelt sich um eine Informations- bzw. Filterblase. Die Filterblase ist ein Begriffskonstrukt, das vom Internetaktivisten Eli Pariser in seinem gleichnamigen Buch geprägt wurde. Laut Pariser entstehe die Filterblase, weil Webseiten versuchen, durch ausgeklügelte Algorithmen vorauszusagen, welche Informationen der Benutzer auffinden möchte. Basierend auf den verfügbaren Informationen über den Benutzer (beispielsweise Standort des Benutzers, Suchhistorie und Klickverhalten). Informationen, die in das Muster nicht reinpassen, werden aussortiert. Facebook hat diese Form der selektiven Wahrnehmung der Wirklichkeit perfektioniert. Wir sehen nur das, was unsere eigene Meinungen verstärkt und was uns nicht überfordert.

Ein weiteres Beispiel: Jeder weiß, dass Google der Zugang zu unserem kollektiven Wissen ist. Wir alle googeln Informationen, wenn wir was suchen, unsicher sind. Pariser bringt in seinem Buch ein Beispiel, in dem der eine Benutzer auf Google mit dem Stichwort „BP“ suchte und Nachrichten zu Investitionsmöglichkeiten von British Petroleum erhielt, während ein anderer Nutzer mit der gleichen Suchanfrage Informationen über die von Deepwater Horizon verursachte Ölpest bekam – somit die beiden Suchanfragen also völlig unterschiedliche Ergebnisse brachten.

Wir bestätigen uns tagtäglich – unterstützt bzw. unterwandert von Algorithmen – in unserem eigenen Meinungsbild. Wir fühlen uns in dieser Welt, die uns bestätigt, wohl. Wer nun denkt, ich meine damit eine Seite, der gespaltenen politischen Öffentlichkeit, der irrt. Eine der großen Schwächen der sogenannten liberalen beziehungsweise linken Meinungsfront besteht darin, dass „die anderen“, die Trump-Wähler, die Afd-Wähler, die DF-Wähler als dumme, ungebildete Menschen wahrgenommen werden. Es schwingt häufig eine arge Arroganz mit. Nach dem Credo: Wenn „die“ nur unser Wissen hätten (unsere Filterblase) dann würden sie schon erkennen, wie falsch sie liegen. Natürlich muss man nicht Trump gut finden oder gar Inger Støjbergs bewusst gewählte Provokationen gut heißen. Doch die festgefahrenen eigenen Meinungen zu hinterfragen, wird im Zeitalter der Informationsblase und der damit einher gehenden Abschottung des eigenen  Denkens, immer schwieriger. 

Die Medien müssten da Einhalt bieten. Es muss doch der Auftrag der Presse sein, uns das andere Denken, die Gegenseite, näher zu bringen. Doch auch hier zeigt sich die Gefahr der Filterblase: Die Sozialen Medien sind unsere vorrangige Informationsquelle geworden und hier funktioniert die Informationsblase besonders gut. 

Unsere Filterblase wird immer stabiler, unser Weltbild wird immer unangreifbarer. Ich halte das für eine sehr gefährliche Entwicklung. Wer andauernd darin bestätigt wird, dass die eigenen Meinung, die allein selig machende Wahrheit darstellt, der kann es zwar bis ins Weiße Haus schaffen, ein guter Präsident wird er aber noch lange nicht. 

Für uns Normalsterblichen bedeutet dies, wollen wir uns aus den Fängen unserer eigenen Wohlfühl-Informationsblase befreien, dann müssen wir aktiv daran arbeiten, die eigene Meinung kritisch zu hinterfragen: auch in Bereichen, in denen wir uns (eigentlich) ganz sicher sind, dass wir richtig liegen. Gerade dort!

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