Diese Woche in Kopenhagen

Rot-Blaue Balzrufe – kein Platz für humanistische Nebenbuhler

Rot-Blaue Balzrufe – kein Platz für humanistische Nebenbuhler

Rot-Blaue Balzrufe – kein Platz für humanistische Nebenbuhler

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Die Parteichefin der Sozialdemokraten, Mette Frederiksen. Foto: Scanpix

Die Parteitagsrede der sozialdemokratischen Parteichefin, Mette Frederiksen,hätte auch das Herz eines jeden DF-Mitgliedes erwärmt, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen. Der politische Kurs frederiksens ist ihm zufolge klar: Das Staatsministerium wird mit innenpolitischen Themen gewonnen - gemeinsam Hand in Hand mit der Dänischen Volkspartei.

Sozialdemokraten, Dänische Volkspartei (DF) und Radikale Venstre haben am Wochenende ihre Parteitage veranstaltet. Diese Terminüberschneidung war ein Zufall, versichern die Parteistrategen. Dennoch wurde dieser politische Dreiklang genutzt, um sich Botschaften hin und her zu schicken. Vor allem zwischen DF und Sozialdemokraten knisterte es heftig. Es ist offiziell: Sozialdemokraten und die national-populistische Dänische Volkspartei flirten nicht nur, sie bereiten eine Partnerschaft vor, die – lauscht man den Vorsitzenden der beiden Parteien – sich sogar zu einer Liebesheirat entwickeln könnte.

Die verbalen Handküsse in den Grundsatzreden von Mette Frederiksen und Thulesen Dahl waren nicht zu überhören. Thulesen Dahl sprach bereits offen von Regierungsbeteiligung (ohne sich auf die Sozialdemokraten festzulegen, wohlgemerkt). Aber ihm war der Stolz anzuhören; der DF-Chef konnte mit Recht behaupten, dass DF derzeit „das Zentrum der dänischen Politik“ sei.

Es wäre spannend zu erfahren, wie die ausländischen Beobachter des sozialdemokratischen Parteitages die Grundsatzrede von Mette Frederiksen analysiert haben mögen: Es fanden sich in der Parteitagsrede keine substantiellen Bemerkungen zur Außenpolitik oder zur Europapolitik. Dass Frederiksen ihre Parteimitglieder mit dem sich anbahnenden Völkermord an den Rohingya  nicht um den Schlaf bringen wollte, war zu erwarten – Myanmar ist weit weg. Der Entscheidung der Regierung von Lars Løkke Rasmussen, die zugesagten 500 UN-Quotenflüchtlingen (Kranke, Behinderte, Kinder und Frauen aus den schlimmsten Kriegsgebieten der Welt) in Dänemark nicht aufnehmen zu wollen, hatte die sozialdemokratische Chefin ja bereits vor dem Kongress ausdrücklich ihren Segen erteilt; man habe in Dänemark keine weiteren Kapazitäten für diese Flüchtlinge.

Nur innenpolitische Themen wurden von Frederiksen angesprochen. Mir hat ein hochrangiger Sozialdemokrat die dahinter steckende Strategie erklärt: Der dänische Wähler wolle nicht mit abgehobenen (!) Problemen konfrontiert werden, er will vielmehr lebensnahe, direkt ihn persönlich betreffende Fragen diskutiert wissen. Also kein Platz für die Probleme der Welt oder die Zukunft der EU.

Im Mittelpunkt der Rede von Mette Frederiksen stand folgerichtig auch eine rein innenpolitische Agenda, mit Themen wie die „gescheiterte Kommunalreform“ oder die Zukunft der Sozialpolitik. Frederiksen verpasst keine Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dass sie selbst aus sozial schwierigen Verhältnissen stammt und dass sie dafür kämpfen werde, dass der Zusammenhalt und der soziale Ausgleich im Land stabil bleibe. Die Sozialdemokratie hält folglich an ihrem Kurs fest: Das „dänische Modell“ muss vor den Stürmen der Globalisierung verteidigt werden. Sei es mit Grenzkontrollen oder Abweisung von Flüchtlingen. Die Rede der sozialdemokratischen Parteichefin hätte auch das Herz eines jeden DF-Mitgliedes erwärmt.

Etwas ungläubig verfolgen die Sozialliberalen von Radikale Venstre – die über Jahrzehnte die dänische Politik als Machtbeschaffer geprägt haben – den politischen Balztanz zwischen DF und Sozialdemokraten. Die Radikalen unterstrichen während ihres Parteitages, dass man an dem pro-europäischen Kurs und auch an einer liberalen Flüchtlingspolitik festhalten werde. Dass die Radikalen mit diesem Vorhaben nach einer Wahl Einfluss bekommen werden, scheint derzeit jedoch äußerst fraglich.

Es gab auch einige kritische Stimmen aus den Reihen der Sozialdemokraten, die sich noch nicht damit abgefunden haben, dass die Partei ihren solidarischen Kern, der über die eigenen Bürger hinausreicht, aufgegeben zu haben scheint. Doch aus der ersten Reihe der Partei war keine Kritik zu hören. Der Kurs von Mette Frederiksen ist klar und unumstritten: Das Staatsministerium wird mit innenpolitischen Themen gewonnen - gemeinsam Hand in Hand mit der Dänischen Volkspartei.

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