Diese Woche in Kopenhagen

Zum eigenen Nachruhm im Fernsehen

Zum eigenen Nachruhm im Fernsehen

Zum eigenen Nachruhm im Fernsehen

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Dänemarks ehemalige Staatsministerin Helle Thorning-Schmidt 2015. Foto: Scanpix

Derzeit werden Dänemarks Regierungschefs der vergangenen Jahrzehnte im dänischen Fernsehen portraitiert. Wenn man im Hinterkopf behält, dass jeder der sechs Regierungschefs versucht, ein vorteilhaftes Bild von sich zu zeichnen, lassen sich viele interessante Schlüsse ziehen, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Politik ist immer auch die Geschichte der handelnden Personen. Jeder Journalist weiß, dass sich der eigene Artikel dann am besten verkaufen lässt, wenn er einen „human touch“ bekommt – die menschliche Komponente zählt.
Sehr viel von diesem „human touch“ hat die derzeit laufende TV-Dokumentation über die heute noch lebenden dänischen Regierungschefs Poul Schlüter, Poul Nyrup Rasmussen, Anders Fogh Rasmussen, Helle Thorning Schmidt und Lars Løkke Rasmussen. Diese haben sich den Kameras und Fragen von Anne Sofie Kragh gestellt. Auf Danmarks Radio lief der erste von vier Teilen.

Man muss vorsichtig sein bei solchen Formaten, denn sie dienen natürlich den Protagonisten vor allem dazu, den eigenen Nachruhm, das eigene Bild in der Geschichte zu festigen. Wer selbst an seinem Bild für die Nachwelt schreiben möchte und festlegen will, wie die Welt ihn zu sehen hat, der kommt schnell in die Gefahr, selbstbeweihräuchernd daherzukommen. Das wirkt dann eher peinlich. In einigen, wenigen Szenen der Regierungschef-Doku konnte ich ein solches  Selbstbeweihräucherungs-Fremdschämen nicht ganz unterdrücken. Die erste Folge der TV-Politik-Dokumentation hat mir dennoch gut gefallen. Wenn man im Hinterkopf behält, dass jeder der sechs Regierungschefs versucht, ein vorteilhaftes Bild von sich zu zeichnen, lassen sich viele interessante Schlüsse ziehen.

Mein absoluter Favorit war der 88-jährige Poul Schlüter, der gelassen und mit dem Abstand eines jahrzehntelangen Polit-Rentners wie aus der Zeit gefallen wirkte. Man erinnert sich bei seinen Erzählungen an die Zeit vor der rasanten Globalisierung und dem internationalen Terror: Mit dem Bus ins Regierungsbüro gefahren, am ersten Arbeitstag. Was für eine Geschichte.

Doch bevor man sich von der Nostalgie treiben lässt, muss man sich natürlich daran erinnern, dass auch in den Jahren unter Poul Schlüter die Politik aufgewirbelt und die gesellschaftlichen Konflikte harsch waren. Die Zeit heilt alle Wunden und lässt Konflikte in einem milderen Licht erscheinen.

Jeder der Regierungschefs hatte eine eigene Geschichte zu erzählen und versuchte, diese so plausibel wie möglich rüberzubringen.
In der Fachsprache heißt das auch gerne, der eigenen Geschichte den rechten „Spin“ / Dreh zu versetzen:  ob es Lars Løkke, der amtierende Regierungschef, ist, der deutlich unterstreicht, dass er ins Amt gekommen sei und eigentlich nur Probleme geerbt habe. Helle Thorning Schmidt, als einzige Frau in der Riege, versuchte das Bild der Polit-Boxerin zu zeichnen, die viele Schläge (und Tiefschläge) einstecken musste. Sie hatte deutlich die Mission für sich gewählt, das Bild zurechtzurücken, dass ihre Amtszeit chaotisch verlaufen sei und kaum als sehr erfolgreich in die Geschichtsbücher eingehen wird. Es scheint zweifelhaft, ob ihr das mit dem Auftritt gelungen ist.

Anders Fogh wiederum versuchte zu erklären, warum es gar nicht so schlecht ist, als Politiker kalt und rational zu handeln. Fogh gilt bekanntlich als der Urtyp einer kalten Politiker-Maschine, die nie Fehler begeht; dabei wirkte der ehemalige NATO-Generalsekretär distanziert und kalt. Nyrup Rasmussens „Spin“ wurde ebenfalls schnell sichtbar: Der Arbeitersohn, der es bis nach oben geschafft und das Leben für den kleinen Mann in Dänemark besser gemacht hat. Wenn man die Protagonisten selbst so ins Zentrum setzt, wie die Journalisten in der TV-Doku, lässt sich eine gewisse Oberflächlichkeit in der Bewertung nicht vermeiden. Kein Politikprofi setzt sich vor offener Kamera selbstkritisch mit der eigenen Leistung auseinander.  Die Selbstdarstellung und zum Teil Verklärung gilt es nun kritischer zu hinterfragen. Aber das kann in den nächsten Folgen geschehen, die ich mir sicher auch ansehen werde.

 

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