Leitartikel

Bloßgestellt fürs Leben

Bloßgestellt fürs Leben

Bloßgestellt fürs Leben

Apenrade/Aabenraa
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Foto: dpa

1.004 Personen wurden in der vergangenen Woche angezeigt, weil sie Aufnahmen von einem Sexakt von zwei 15-Jährigen geteilt hatten. Es besteht kein Zweifel: Die Polizei versucht, ein Exempel zu statuieren, und das ist gut so, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Das Schlimmste war nicht einmal der unfreiwillige Sexakt an sich. Es waren die Reaktionen danach, als der Film geteilt wurde. Eigentlich braucht dieser Leitartikel gar nicht länger zu sein. Die beiden Sätze sagen alles über  einen kranken Trend aus, der  schon viel zu lange  im Netz floriert: das Aufnehmen  von sexuellen Akten mit dem Smartphone und anschließendem Teilen in den sozialen Netzwerken.

Die Zeitung Berlingske Tidende beschreibt, wie eine einzelne Nacht das Leben von Julie veränderte. Julie ist nicht das erste Opfer und nicht das einzige. Aber immer mehr Leute brechen ihr Schweigen und berichten über die Erniedrigung, gefilmt und  öffentlich zur Schau gestellt worden zu sein.  Dabei bedarf es eigentlich nur einer Frage, und zwar an sich selbst: Was wäre, wenn du auf dem Video zu sehen wärst ...?

Jetzt schreitet endlich auch die Justiz ein. 1.004 Personen wurden in der vergangenen  Woche angezeigt, weil sie Aufnahmen von einem Sexakt von zwei 15-Jährigen geteilt hatten. Es besteht kein Zweifel: Die Polizei versucht, ein Exempel zu statuieren, und das ist gut so. Die Strafe, die den „Teilern“ droht, ist ohne Frage hart, denn eine Reihe von Berufsmöglichkeiten werden ihnen in Zukunft verwehrt: z. B. Lehrer, Pädagoge oder Polizist. Zu Unrecht meinen einige Eltern. Doch eines darf nicht übersehen werden: Auch junge Menschen müssen mit den Konsequenzen ihres Handelns leben. Es bleibt also zu hoffen, dass  der Fall und das Durchgreifen der Polizei den fragwürdigen Trend  stoppen. Denn man darf nicht vergessen: Nicht die 1.004 Angeklagten sind hier die Opfer!

Dass nicht nur Jugendliche sich an diesen sexuellen Belästigungen  beteiligen, zeigt übrigens der Fall der norwegischen Handballnationalspielerin Nora Mørck, dessen private Fotos zunächst von Hackern geteilt wurden, aber anscheinend auch in der Herrennationalmannschaft – und nicht nur dort – die Runde machten.
Weder bei den männlichen Sportlern noch bei den 1.004 Angeklagten kommen die Fotos von allein aufs Handy. 

Sie  haben entweder gezielt nach den Bildern gesucht, beziehungsweise die Fotos angenommen und auf dem Handy gespeichert. Man braucht sich nur die Opfer anzuhören,  wie es sich anfühlt, wenn die eigene Intim- und Privatsphäre öffentlich zur Schau gestellt wird. Oder erneut die Frage: Würde man sich selbst nackt oder im Sexakt im Netz wiederfinden wollen?  Wohl nicht.

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