Leitartikel

Gefühle ernst nehmen

Gefühle ernst nehmen

Gefühle ernst nehmen

Apenrade/Aabenraa
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Gadehavegård
Wohngebiete wie Gadehavegård in Høje Taastrup werden von der Regierung als „Ghettos“ bezeichnet. Foto: Liselotte Sabroe/Scanpix

Mit ihren neuen Plänen, angebliche Parallelgesellschaften in Dänemarks als „Ghettos“ gebrandmarkten sozialen Brennpunkten mit rechtlichen Sonderregeln bekämpfen zu wollen, treibt die Regierung die Spaltung der Gesellschaft nur weiter voran, kritisiert Cornelius von Tiedemann.

Dänemarks Regierung will gegen angebliche Parallelgesellschaften in Dänemark vorgehen. Mit der Begründung, dass es in Dänemark keine Gegenden geben dürfe, in denen andere Regeln gelten als im Rest des Landes, will sie für eben jene Gegenden, die sie selbst als „Ghettos“ gebrandmarkt hat, Sonderregeln einführen. Bürger, die damit gestraft sind, in diesen Wohngebieten zu leben, sollen für Straftaten künftig doppelt so hart bestraft werden wie alle anderen Bürger.

Dass die Zahl der Straftaten in den sogenannten „Ghettos“ seit Jahren rückläufig ist, dass nur noch in neun Prozent der sogenannten „Ghettos“ die Kriminalität überhaupt so hoch ist, dass diese die „Ghetto“-Kriterien erfüllen, ignorieren Regierung und Justizminister Søren Pape Poulsen (Kons.) dabei geflissentlich. Diese Erfolge will die Regierung nicht feiern, stattdessen die niemals erschlaffenden Euter der Heidrun des Populismus, die ewige Met-Ziege Ausländerpolitik weiter abmelken. Der Minister spricht nicht über die Erfolge, sondern lieber davon, dass Bürger sich in den Vierteln unsicher „fühlen“ würden.

Gefühlspolitik also. Gerade von einem Justizminister in dem Land, das erst kürzlich zum am besten funktionierenden Rechtsstaat der Welt gekürt wurde, sollte mehr zu erwarten sein. Sollte zu erwarten sein, dass er die Bürger beruhigt, ihnen die Leistungsstärke des Rechtsstaates vor Augen führt. Niemand, der sich nicht sicher fühlt, darf überhört oder gar lächerlich gemacht werden. Doch es ist der falsche Weg, diesen Gefühlen mit Gefühlsverstärkern zu begegnen.

 Venstres ehemalige Integrationsministerin Birthe Rønn Hornbech sieht das ähnlich. Die rigide Juristin, die es vor ihrem politischen Aufstieg bereits bis in die Chefetage der Reichspolizei geschafft hatte, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, aufzudecken, wo es der Løkke-Regierung ihrer Meinung nach an dem liberalen Geist fehlt, für den sie steht und den sie in ihrer Partei gerne stärker vertreten sähe. Die Presse nutzt diese Geradlinigkeit Rønns gerne für Schlagzeilen – und auch in diesem Leitartikel soll ihre schlagfertige Reaktion nicht fehlen. Der Tageszeitung Politiken sagte sie, der Plan, in ausgewählten Wohngebieten Dänemarks anderes Recht gelten zu lassen als für den Rest des Landes, sei ein „vollkommen verrückter Vorschlag“. Sie habe sich „niemals vorstellen können, dass meine Partei so einen wahnsinnigen Vorschlag bringen könnte. Für mich verstößt das gegen alle Rechtsprinzipien“. Und: „Das ist, als würde man in Dänemark den Ausnahmezustand erklären.“

Im Ausnahmezustand sind immer starke Führungspersönlichkeiten gefragt. Als solche versuchen sich Pape, Løkke, Støjberg und auf der anderen Seite auch Mette Frederiksen und andere derzeit zu positionieren. Indem sie Ängste vielfach verstärken, statt ihnen ehrlich und mit den Mitteln dieses starken Rechtsstaates und der starken europäischen Gemeinschaft zu begegnen. Das ist Gift für den Zusammenhalt in diesem Land. Denn der ist es doch, der die dänische Gesellschaft ausmacht und sie zu einer der lebenswertesten der Welt macht.

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