Leitartikel

„Muttis“ Sonntag

„Muttis“ Sonntag

„Muttis“ Sonntag

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Foto: dpa

Die Bundestagswahl am Sonntag interessiert weit über Deutschland hinaus. Natürlich ist weder den Deutschen noch den Dänen egal, wer die kommenden vier Jahre in Berlin regieren wird. Was Berlin entscheidet, wird künftig noch wichtiger für Europa sein, meint Siegfried Matlok.

Die kommende Bundestagswahl interessiert natürlich weit über Deutschland hinaus. In Dänemark ist auf jeden Fall medial ein politisches Interesse  am Nachbarland festzustellen wie wohl nie zuvor, wenn man die umfassende Vorberichterstattung im Fernsehen sieht und die Kommentare und Reportagen  in den Zeitungen liest. Das hat gewiss viele Gründe, vor allem ist es wohl die Tatsache, dass Deutschland heute eine andere, noch wichtigere Rolle spielt als zum Beispiel noch vor vier Jahren. Dies liegt nicht an Deutschland allein, sondern an der teilweise sich dramatisch veränderten europäischen und weltpolitischen Lage, die so kompliziert ist wie nie seit 1945.

Die Flüchtlingspolitik à la Merkel, aber auch Stichworte wie Brexit, Trump, Putin oder Erdogan sind einige der Faktoren, die den Wahlausgang in Deutschland  beeinflussen, wenn man den Meinungsumfragen Glauben schenken soll, die bei aller Unsicherheit zumindest eines sicher vorhersagen: dass Merkel mit CDU/CSU als klare Nummer eins durchs Ziel gehen wird. Die Frage, wer unter ihrer Leitung jedoch die Regierung bilden will und kann, bleibt aber spannend.

Als Merkel 2005 gegen den damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder antrat, zeigte eine dänische Umfrage, dass die Dänen – für viele überraschend – die damals hier im Lande recht unbekannte Merkel bevorzugten. Das bedeutet nicht, dass Merkel zwölf Jahre später „everybodys darling“ geworden ist. DF-Politiker Morten Messerschmidt stellte angesichts  ihrer umstrittenen Flüchtlingspolitik 2015 die Frage: Wann fangen die Deutschen endlich damit an, ihr eigenes Land zu verteidigen?“ Und ein Historiker namens Christian Foldager charakterisierte Merkel in Berlingske „als Super-Populistin, die ihrer Partei, ihrem Land und Europa geschadet hat“.

Die Art und Weise, wie sie seit 2005 Deutschland nach außen hin vertreten hat, dürfte aber insgesamt in der dänischen Bevölkerung heute ein anderes, noch viel positiveres Echo finden. Vertraulich war zu erfahren, dass eine große Landeszeitung angesichts der Wahl südlich der Grenze eine Umfrage veröffentlicht, wonach 90 Prozent aller Dänen (!) heute Deutschland Vertrauen schenken: Übrigens soll Nordschleswig dabei etwas unter diesem Landesdurchschnitt liegen. Solche dänischen Zahlen sind historisch ein Traumergebnis. Sie drücken zweifelsohne das enorme Vertrauen in die  Person der Kanzlerin aus, die in politischen Kreisen, in der Regierung aber auch in den anderen Parteien – minus DF – hohes Ansehen genießt und damit auch verdienstvoll das Deutschlandbild um einiges positiver gestaltet hat.

Natürlich ist weder den Deutschen noch den Dänen egal, wer die kommenden vier Jahre in Berlin regieren wird. Ungeachtet einer eventuell neuen Koalition ist man nicht nur in Kopenhagen davon überzeugt, dass sich Deutschland seiner gewachsenen internationalen Verantwortung  in der EU und inzwischen auch weltweit  bewusst ist. Was Berlin entscheidet, wird künftig noch wichtiger für Europa sein. Entscheidend ist, dass diese Rolle nicht als Führungsmacht wahrgenommen wird, sondern als Erster unter Gleichen. Da wäre „Mutti“ Merkel wohl die Richtige – auch für Dänemark!   

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