Vortrag

Mit dem Schlauchboot über den Tigris: Wohin führt persönliches Engagement?

Mit dem Schlauchboot über den Tigris: Wohin führt persönliches Engagement?

Mit dem Schlauchboot über den Tigris: Wohin führt persönliches Engagement?

Nordschleswig
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Tommy Mørck beim Vortrag in der deutschen Zentralbücherei in Apenrade. Foto: Karin Riggelsen

Spannende Fragen und Vorträge beim politischen Forum in der deutschen Zentralbücherei mit dem Anti-IS-Kämpfer Tommy Mørck.

„Was unterscheidet dich von einem IS-Kämpfer? Wo ist der Unterschied?“ Die Zuhörer im voll besetzten Saal der deutschen Zentralbücherei hörten gespannt zu, als  die Frage im Raum stand. „Da ist keiner“, antwortete Tommy Mørck. In beiden Fällen folgte man dem, woran man glaubt, wofür man arbeiten wolle. Als Anti-IS-Kämpfer war Mørck im vergangenen Herbst nach Syrien gereist, um für die kurdische Revolution in Rojava zu arbeiten. Ein Anliegen, dass den Absolventen des deutschen Gymnasiums in Apenrade zunächst mit einem Schlauchboot über den Tigris brachte und wenig später in eine bewaffnete Miliz, die YPG.

Im Rahmen des politischen Forums war Mørck in die Zentralbücherei eingeladen worden. Die Stühle waren bis auf den letzten Platz besetzt, als der 39-Jährige begann, von seinen Erlebnissen zu erzählen. Dabei ging es Mørck auch darum, die eigenen Beweggründe für seine Reise aufzuzeigen. In Dänemark diskutiere man viel, „aber es passiert wenig“, so der Referent, einst Politiker der Alternativen in Aarhus.

„Hier in Dänemark geht man höchstens mal auf eine Demonstration, zwei Stunden lang, wenn es nicht regnet. Und was hat man dann erreicht? Hat sich damit etwas verändert?“ Die Fragen aus dem Publikum ließen nicht lange auf sich warten. „Was also ist dein Appell? Hinaus in die Welt zu ziehen um mit Waffen für etwas zu kämpfen?“, so eine Zuhörerin. „Nein, aber es gibt etwas dazwischen“, so Mørck, der erklärte, er sei nicht nach Syrien gereist, um gegen den IS zu kämpfen sondern für die Revolution.

In einer Miliz gelandet

Dass er in einer Miliz gelandet sei, habe er vorher nicht gewusst. Dennoch stellte er die Frage in den Raum: „Wir sagen oft, wir wollen für etwas kämpfen. Für die Menschenrechte, beispielsweise. Aber was ist das? Ich finde es wichtig, dass sich jeder Mensch fragt: wofür will ich kämpfen und wie will ich dafür kämpfen? Ich habe nichts gegen Demonstrationen, aber wenn sie nichts bewirken, muss man vielleicht noch mehr demonstrieren. Oder sich was anderes einfallen lassen. Wichtig ist, dass etwas passiert.“, so Mørck.

Was er konkret mit der Miliz getan habe, wollte das Publikum wissen. Mørck berichtete von seiner mobilen Einheit, mit der man ein großes Maschinengewehr transportiert und in Stellung gebracht habe. „Wenn es an der Front Probleme gab, wurden wir gerufen. Wir wurden oft von Scharfschützen beschossen.“

Foto: Karin Riggelsen

Keinen Menschen getötet

 Er habe nur einmal um sich geschossen, aber keinen Menschen getötet. Er unterstrich, dass sich die Bewohner Rojavas gegen den IS zu verteidigen hätten und selbst ein demokratisches, gleichberechtigtes und religionsfreies System betrieben. „Die Kurden haben die internationalen Menschenrechte unterschrieben“, so Moerck als die Frage aufkam, wie die YPG mit Geiseln umgehe.

Büchereidirektorin Claudia Knauer moderierte die Diskussion – und regte die Zuhörer an, selbst nachzudenken, wie weit man gehen würde. „Was soll, was kann der Einzelne in einer Gesellschaft oder für eine Gesellschaft tun?“ Auf diese Frage gab der zweite Referent des politischen Forums, Gösta Toft, ebenfalls Antworten. Er erzählte von seinem ehrenamtlichen Engagement, als Teil einer Gemeinschaft, durch das er anderen helfen könne. Ob durch die Vorstandsarbeit im Pinnebergheim, durch die er Kindern ein Stück Ferien zurückgeben kann. Oder als Vorstandsmitglied der FUEN, durch die man Minderheiten in ganz Europa stärken kann.

Spannende Frage

Wer also, lautete die spannende Frage, Toft oder Mørck, mache die Welt durch sein Handeln zu einem besseren Ort? „Man sieht - es bewegt sich was“, so Toft, „und dabei zählt jeder Einzelne, dem man durch die ehrenamtliche Mitarbeit hilft.“ Was er getan habe, so Mørck seinerseits, ergebe nur aus seiner ganz persönlichen Perspektive Sinn. Heute könne er durch unter anderem Vorträge zurück in Dänemark viel mehr tun, nämlich, auf die Situation der Menschen in Syrien aufmerksam machen.

„Es geht mir dabei aber nicht um die Kurden oder die Syrer, sondern um die Menschen generell. Denn was dort, in Rojava, als Gesellschaftsform funktioniert, das funktioniert meiner Meinung nach überall auf der Welt. Und daher möchte ich darüber informieren. Nicht, um es 1:1 zu kopieren. Aber um davon zu lernen.“

Nach rund zweieinhalb Stunden ging ein spannender und zum Nachdenken anregender Abend zu Ende. Offene Fragen blieben und Mørck beantwortete so manche im anschließenden persönlichen Gespräch. Und auf die Frage, wie weit ein jeder persönlich gehen würde und wofür man sich persönlich engagieren kann, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen – darauf kann nun jeder der Gäste selbst eine Antwort finden.

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