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Was macht eigentlich Saab?

Was macht eigentlich Saab?

Was macht eigentlich Saab?

Apenrade/Aabenraa
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Ein Saab 900i 16v Sedan aus dem Jahre 1990.
Ein Saab 900i 16v Sedan aus dem Jahre 1990. Foto: Cornelius von Tiedemann

Der schwedische Autobauer hat den Kampf ums Überleben gegen General Motors verloren – und steht mit neuem Namen wieder auf.

Diese Meldung im Spätherbst 2016 war ein Stich ins Herz für viele in der schwedischen Industriestadt Trollhättan: Die neuen Besitzer haben damit begonnen, sämtliche Schilder mit dem Markennamen Saab vom Gelände des Stammwerkes eines der bekanntesten Aushängeschilder schwedischer Industriegeschichte abmontieren zu lassen. Bis zum Jahreswechsel soll der Schriftzug dort nirgends mehr zu sehen sein – außer vielleicht auf einigen Autos auf dem Mitarbeiterparkplatz der Firma Nevs.

Das große SAAB-Schild am Eingangstor, versicherte Nevs-Pressesprecherin Ulrika Hultgren unterdessen, werde nicht zerstört – sondern dem örtlichen Saab-Museum, dem Mekka der Saab-Gläubigen, gestiftet. Sie ist also tatsächlich vorbei, die Geschichte der Automarke Saab. Kaum ein anderes Werk produzierte eigenwilligere, kaum eines so gleichsam sichere, zuverlässige und sportliche Autos in der mittleren und gehobenen Mittelklasse in Serie. Und keine andere Marke schaffte es, das zeigte vor einigen Jahren eine umfassende Studie, seine Kunden so sehr an sich zu binden. Einmal Saab, immer Saab.

Noch immer halten Kunden und auch Händler, wie etwa Svend Wind in Hoyer oder Auto Heidemann in Flensburg, der Marke die Treue. Neue Saabs können sie ihren Kunden schon lange nicht mehr anbieten. Doch die Saab-Schilder abmontieren, wie sie es in Trollhättan gerade tun – das kommt für sie noch lange nicht infrage. Doch wie konnte es zum Aus der Marke kommen – und was passiert jetzt mit dem Know-how der schwedischen Ingenieure? Dazu zunächst ein Blick zurück.

Als Flugzeugbauer begonnen

1947 gründete sich die Personenwagenabteilung des schwedischen Flugzeugherstellers Saab (Svenska Aeroplan Aktiebolag/Schwedische Flugzeug Aktiengesellschaft). Die Muttergesellschaft existiert noch heute als Flugzeugbau- und Rüstungskonzern, hat erst jüngst in Sonderburg einen neuen Dänemark-Sitz eröffnet. 1990 kaufte der amerikanische Gigant General Motors 51 Prozent der Pkw-Abteilung, behielt den Markennamen Saab aber bei und beließ auch Entwicklung und Produktion in Schweden. Wenig später, 1995, löste sich auch die Lkw-Sparte Scania aus dem Mutterkonzern, sie gehört heute zu Volkswagen.

Im Jahre 2000 erwarb General Motors schließlich sämtliche Anteile an der Automarke Saab und zwang die Schweden, die einst den Turbo serientauglich machten, zu etlichen „Rationalisierungen“. So wurden Saab-Modelle auf gemeinsamen Plattformen mit Opels gebaut, den Ingenieuren in Trollhättan, bis dato bekannt für originelle und wegweisende Innovationen, waren immer stärker die Hände gebunden. Im GM-Konzern setzte sich unterdessen die Überzeugung durch, dass eine Marke mit einem so exklusiven Kundenkreis und vergleichsweise kleinen Produktionszahlen nicht länger haltbar war – auch weil die Marke Saab in Konkurrenz zu den eigenen anderen Marken stand.

Klassiker: Der Saab 900 mit Fließheck. Foto: Cornelius von Tiedemann

GM übernahm Saab – und der Sprung in den Mainstream missglückte

Kaum eine andere Marke hat weltweit in so bescheidenen Stückzahlen alltagstaugliche Pkw produziert. Außerhalb Schwedens, Finnlands und Norwegens, wo Saab nach Volvo der Volkswagen schlechthin war, galt Saab als Marke der Individualisten – und vermarktete sich auch, bis zur Übernahme durch GM, relativ erfolgreich in dieser Nische. Doch die Aktionäre der Detroiter wollten kein Liebhaberprojekt, sie wollten Profit. Und den konnte Saab nicht ausreichend liefern, erst recht nicht, nachdem erste Tests des neuen, erstmals auf Opel-Basis konstruierten Saab 900 einige Sicherheitsmängel aufzeigten. Die Ingenieure in Trollhättan legten nach und konstruierten – um die GM-Teile herum – in den Folgejahren die sichersten Serienfahrzeuge, die weltweit je gebaut wurden. Doch der Ruf auch in der Heimat, dem Basismarkt, war angeschlagen. Saab galt nicht länger als schwedisches Auto. Und als GM die Schweden dann noch dazu zwang, eilig eine Diesel-Variante mit Opel-Motoren auf den Markt zu bringen, die aus Leichtmetall gefertigt waren und nicht selten nach wenigen zehntausend Kilometern den Geist aufgaben, war es aus mit Saab. Der Sprung in den Mainstream war missglückt, der Ruf als exklusives, aber bezahlbares Auto für Individualisten zugleich ruiniert.

Saab 9-5
Letzte Neuentwicklung unter GM: Der Saab 9-5 von 2010 Foto: Hirsch Performance

Rettungsversuch aus den Niederlanden wurde zum Fiasko

2010 dann begrub GM die Marke Saab. Der niederländische Geschäftsmann Victor Muller, der mit Spyker Cars zehn Jahre zuvor eine Fabrik für exklusive Retro-Sportwagen aufgebaut hatte, kaufte das Werk in Trollhättan und die Namensrechte von der Eignerin, die bis heute die ursprüngliche Flugzeug-Saab AB ist. Muller versuchte händeringend, Investoren an Land zu ziehen und wurde schließlich in China fündig. Doch der GM-Konzern verhinderte den Einstieg chinesischer Unternehmen und verweigerte Saab, GM-Technik zu nutzen, sollten Chinesen in Trollhättan einsteigen.

Da die Basis der aktuellen Saab-Modelle aber auf GM-Technik beruhte (worauf GM ja bestanden hatte), hätte Saab ohne diese Technik keine Autos produzieren können. Nach teils aberwitzigen Versuchen, trotz dieser Blockade aus Detroit Saab zu retten und einigen Tausend mit GM-Lizenz gebauten nagelneuen Saab-Limousinen musste Muller schließlich aufgeben. Der Markt für Saab war ob der unsicheren Zukunftsaussichten zusammengebrochen, kaum noch Unternehmen wollten ihre Dienstwagenflotten mit Fahrzeugen aus einem Unternehmen im Sturzflug bestücken – und die rechtsliberale schwedische Regierung weigerte sich hartnäckig, das zu tun, was Obama mit General Motors gemacht hatte – das Unternehmen und die vielen daran hängenden Arbeitsplätze mit staatlichen Garantien zu retten.

Sieht aus wie ein Saab, ist aber ein NEVS: Der NEVS 9-3 EV mit Elektromotor. Foto: NEVS/Ute Kolla-Bliesener

Das Nevs-Netzwerk

Eigentümer: Die schwedisch-chinesische Gesellschaft NME hält den Hauptteil der Anteile an Nevs. Zweitgrößter Eigner ist die Entwicklungsgesellschaft der Stadt Tianjin. Dazu kommen das staatliche IT-Unternehmen SRIT und der chinesische IT-Dienstleister Teamsun.
 

Dongfeng: Der chinesische Motorfabrikant arbeitet in der Entwicklung mit Nevs zusammen.

Tübitak: Der türkische Wissenschafts- und Technikrat arbeitet mit Nevs an der Entwicklung eines türkischen Automobils anlässlich der 100-Jahr-Feiern der Staatsgründung (2023).

Panda New Energy: Chinesisches Leasing-Unternehmen (ähnlich Uber). Bis 2020 sollen 150.000 Nevs 9-3 EV und weitere 100.000 Fahrzeuge an Panda ausgeliefert werden.

Volinco: 20.000 Nevs 9-3 EV sollen an das chinesische Industrieunternehmen geliefert werden.

New Long Ma: Nevs hält 50 Prozent der Fahrzeugfabrik in Fujian.

State Grid: Der chinesische Elektro-Gigant soll mit Fahrzeugen für die Mitarbeiterflotte und für Leasing beliefert werden.

Laut Nevs sollen die ersten Autos noch 2017 ausgeliefert werden.

Neuer Name und Weg in die Elektromobilität

Im Sommer 2012 dann wurde das Unternehmen NME (National Modern Energy Holdings) vom schwedisch-chinesischen Geschäftsmann Kai Johan Jiang gegründet. Sie kaufte die Saab-Konkursmasse und gründete Nevs (National Electric Vehicle Sweden). Neben NME halten auch die chinesische Stadt Tianjin mit der Tochtergesellschaft Tianjin Binhai New Technology Industrial Development Zone, die staatliche chinesische IT-Firma SRIT und Teamsun, eines der größten IT-Unternehmen Chinas, Anteile an Nevs.

Zunächst gestattete die ehemalige Muttergesellschaft (Flugzeug-Saab) die Weiterverwendung des Markennamens, und im September 2013 verließen wieder nagelneue Saabs das Werk in Trollhättan – inzwischen war es den Ingenieuren gelungen, die Autos komplett von GM-Teilen zu befreien. Doch auch Nevs, einem Konsortium schwedischer und chinesischer Investoren gehörend, gelang es nicht, Saab als Automarke wieder auf die Beine zu stellen. Im Sommer 2014 schließlich zog Flugzeug-Saab einen Schlussstrich und untersagte es Nevs, weiter den Markennamen Saab und das alte Saab-Logo zu verwenden. Nach zweijährigen Verhandlungen gibt Nevs nun schließlich auf.

Die Nevs-Leitung versuchte, das Ganze als eigene Entscheidung zu verkaufen. „Bei allem Respekt für unsere Geschichte und unser Erbe, so wollen wir doch als wir selbst erkannt werden“, schrieb Firmenchef Mattias Bergman in einer Pressemitteilung. Der Name ist also futsch. Doch was ist mit den Autos? Die Technik ist noch da – und viele der Ingenieure, die sie entwickelt haben, arbeiten noch bei Nevs in Trollhättan. Und Ende 2015 ist bei den Schweden ein Riesenauftrag aus China eingegangen. 150.000 Elektroautos sollen an Panda New Energy bis 2020 geliefert werden. Die Karossen werden aus Trollhättan stammen und die der letzten Modelle des Saab 9-3 sein. Mit dem Bau soll 2017 begonnen werden, unterdessen werden laut Unternehmensführung „hunderte“ neue und ehemalige Mitarbeiter in Trollhättan eingestellt.

Der Plan: Großserien für China und Kleinserien für Europa

Doch von 2020 an sollen die Autos dann komplett in China produziert werden. Für den Standort Trollhättan sei das nicht schlimm, hieß es von Nevs. Es würden zahlreiche Entwickler eingestellt, und die würden ihre Jobs auch behalten. Doch wie soll so eine Zukunft aufgebaut werden – und wird es irgendwann wieder einen Saab in Dänemark zu kaufen geben?

Die Nevs-Strategie sieht vor, keine Brennstoffmotoren mehr zu fertigen. Derzeit werden Saab-Chassis produziert und an Kunden wie die chinesische Panda-Gruppe verkauft, die für ihre Motoren einen Rahmen brauchen. Gleichzeitig werden in Trollhättan jedoch auch ganz neue Fahrzeuge entwickelt. Reine Elektroautos für den europäischen Markt. Sie sollen, neben der Belieferung von Großkunden, das zweite Standbein der neuen Ära ausmachen. Saab wird auf diesen Autos nicht mehr stehen, sondern Nevs. Aber sie werden wieder Made in Sweden sein – entwickelt und gefertigt von den derzeit 900 Mitarbeitern im alten Stammwerk Stallbacka in Trollhättan.

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