Spuren durch die Hauptstadt

Im Laufschritt durch den nördlichen Hafen

Im Laufschritt durch den nördlichen Hafen

Im Laufschritt durch den nördlichen Hafen

Kopenhagen
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Der Nordhafen ist das derzeit größte Stadtentwicklungsgebiet Kopenhagens. Foto: Walter Turnowsky

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Eine Joggingtour führt uns an Festungsanlagen, dem ehemaligen Freihafen, eine ausgefallene Meerjungfrau und umgebaute Industrieanlagen vorbei. Zum krönenden Abschluss gibt es die Möglichkeit, den Puls noch einmal so richtig in die Höhe zu jagen. 

Diesmal verbinden wir unsere Tour durch die Hauptstadt mit ein wenig Fitness, also haben wir uns die Laufschuhe angezogen.

Bevor es losgeht, schnell noch die Schnürsenkel kontrollieren. Foto: Walter Turnowsky

Wir beginnen unseren Rundlauf bei der Østerport Station, die wir mit der S-Bahn oder Metro bequem erreichen. Noch einmal schnell die Schuhe ordentlich geschnürt, und schon traben wir zum Aufwärmen locker die Østbanegade hinunter.

Zum Aufwärmen in ruhigem Tempo über die Brücke Foto: Walter Turnowsky

Ein paar Hundert Meter weiter erreichen wir eine Fußgänger- und Radwegbrücke, auf der wir über das Eisenbahngelände gelangen. 

Blick von der Brücke Richtung Østerport Foto: Walter Turnowsky

Auf der anderen Seite liegt die historische Festungsanlage Kastellet. Eine Brücke über den Wehrgraben führt uns durch das Norgestor. Direkt neben dem Tor traben wir mit kurzen Schritten einen kleinen Pfad auf den Festungswall hinauf. (Derzeit ist das Norgestor wegen Bauarbeiten geschlossen. Als Alternative kann man Kastellet an der Außenseite des Wehrgrabens umrunden.)

Festungsanlage Kastellet Foto: Walter Turnowsky

König Christian IV. ließ Kastellet 1624 als Sankt Annæ Skanse erbauen. Erst sein Sohn, Frederik III., konnte die Schanze fertigstellen.

Während wir den Wall entlanglaufen, können wir uns die wechselhafte Geschichte der Wehranlage durch den Kopf gehen lassen. Nachdem schwedische Truppen 1658-1660 Kopenhagen belagerten, wurde die Schanze verstärkt.

Auch außerhalb des Wehrgrabens kann man entlanglaufen. Foto: Walter Turnowsky

Eine der Besonderheiten war, dass die Kanonen nicht nur gegen einen Feind von außen gerichtet werden konnten, sondern man konnte sie drehen, sodass sie auf die eigene Bevölkerung zielten. Kastellet diente auch der Folter und Hinrichtung durch das Militär. Der Spanische Reiter stand bis 1790 vor dem Haupttor, der Spießrutenlauf wurde in die Innenräume verlegt, da er regelmäßig öffentliche Unruhen auslöste.

Prominente Gefangene wie Johan Friedrich Struensee saßen hier in Haft. Er wurde hier auch verhört und später hingerichtet.

Die Kanonen konnten auch gegen das eigene Volk gerichtet werden. Foto: Walter Turnowsky

Kastellet gehörte zu den ersten Anlagen, die 1940 durch deutsche Truppen besetzt wurden, nachdem diese direkt nebenan bei Langelinie an Land gegangen waren. Auch sie nutzen es als Gefängnis. Nach dem Krieg wurde der Reichsbevollmächtigte Werner Best hier inhaftiert.

Kastellet wird bis heute vom Militär genutzt. Unter anderem ist der militärische Nachrichtendienst, Forsvarets Efterretningstjenste, hier untergebracht.  Die Königliche Leibgarde bewacht die Anlage.

Die englische Kirche mit Amager Bakke im Hintergrund Foto: Walter Turnowsky

Nachdem wir die Anlage zur Hälfte umrundet haben, erblicken wir die St. Albans Church, unter Kopenhagenern als den Engelske Kirke bekannt. Versteckt hinter den Bäumen liegt das wiedererbaute Freiheitsmuseum, das wir uns für einen späteren Besuch vormerken.

Weiter hinten ist der blaue Stern des Mærsk-Hauptquartiers zu sehen.

Auf der anderen Hafenseite ist die Müllverbrennungsanlage Amager Bakke auszumachen. Die von Stararchitekt Bjarke Ingels entworfene Anlage dient gleichzeitig als Skipiste mit Kunststoffbelag.

Das Monument ist Menschen im Auslandseinsatz gewidmet. Foto: Walter Turnowsky

Kurz bevor wir die Umrundung beenden, erblicken wir das 2011 errichtete Monument für die dänischen internationalen Einsätze seit 1948. Eine Fackel brennt für die Menschen, die aktuell in Konflikt- oder Krisengebiete entsendet sind.

Direkt neben Kastellet sitzt die Kleine Meerjungfrau, aber die könnt ihr auch ohne meine Hilfe finden. Stattdessen bewegen wir uns in Richtung einer anderen Meerjungfrau. Wir traben den Langlinievej entlang. Bei einer Unterführung werfen wir einen Blick zum Kai hinaus, um zu sehen, ob einer der Kreuzfahrtriesen zu Besuch ist. Heute ist jedoch keiner da.

Die Speicher rechts am Langelinievej wurden in den 90ern umgebaut. Foto: Walter Turnowsky

Weiter geht es den Langelinievej entlang; linker Hand liegen umgebaute Speicher, rechter Hand eine geschlossene Reihe ehemaliger Lagerhäuser, auf deren „Dach“ sich eine Flaniermeile befindet.

Bjørn Nørgaard hat ein etwas anderes Paradies erschaffen. Foto: Walter Turnowsky

Links taucht ein Springbrunnen mit eigenartigen Gestalten auf. Und im Hafenbecken erblicken wir sie dann: die genmanipulierte Meerjungfrau des Künstlers Bjørn Nørgaard.

Nørgaard wurde 1970 bekannt – manche würden sagen berüchtigt –, als er aus Protest gegen den Vietnamkrieg öffentlich ein Pferd schlachtete und in Einmachgläsern konservierte. Seither hat er vor allem Skulpturen für den öffentlichen Raum geschaffen.

Was wohl die Kleine Meerjungfrau über ihre genmanipulierte Kollegin denkt. Foto: Walter Turnowsky

Die gesamte Figurengruppe hier am Pakhuskaj trägt den Titel „Das genmodifizierte Paradies“ und wurde für die Expo in Hannover im Jahr 2000 geschaffen. 2006 wurde sie dann am Kai aufgestellt. In Nørgaards Paradies finden wir neben der Meerjungfrau Adam, Eva, Jesus, Maria Magdalena, die Madonna und den schwangeren Mann.

Der Amerikakaj mit alten Speichern und modernen Bauten dahinter Foto: Walter Turnowsky

Nun laufen wir zurück zum Ende des Hafenbeckens und biegen dort rechts ab. Über die Midtermole hinweg gelangen wir zum Amerikakaj. Er war einst der Teil des Freihafens, wo die Schiffe nach Amerika anlegten. Ein Denkmal erinnert an die Mormonen, die mit als Erste aus Dänemark nach Amerika auswanderten. Auf Steinen im Pflaster stehen die Namen einiger der Auswanderer.

Blick Richtung Langeliniekaj vom Amerikakaj aus Foto: Walter Turnowsky

Entlang des Kais liegen noch etliche der ehemaligen Speicher, dahinter moderne Büro- und Wohnungsbauten, die Anfang des Jahrtausends entstanden. Am äußeren Ende des Amerikakajs biegen wir links ab, kommen an der Anlegestelle der Oslofähre vorbei zum Kalkbrænderihavnsvej.

Nach Oslo wollen wir heute nicht. Foto: Walter Turnowsky

Dieser hieß auf dieser Strecke früher Gittervej, denn ein hoher Zaun rechter Hand trennte den als Ausland geltenden Freihafen vom Rest der Stadt. Der südliche Teil des Freihafens (Sønder Frihavn) wurde bereits in den 80ern geschlossen. Vor ungefähr zehn Jahren wurde der Freihafen noch weiter Richtung Norden verlegt. Ziel des Hafens und der Stadt war es, attraktive Baugrundstücke zu gewinnen. So entstand unter anderem das Wohnviertel am Marmorkaj.  

In Marmorbyen lässt es sich gut wohnen. Foto: Walter Turnowsky

Am Ende des Marmorvej liegt die FN-Byen, in der sich elf UNO-Organisationen mit 1.500 Angestellten aus 100 Ländern tummeln. Hineinkommen kann man allerdings nur mit Zutrittsberechtigung.

FN-Byen: Als das Gelände noch Freihafen war, befanden sich hier die großen Lager mit humanitären Hilfen der Unicef. Foto: Walter Turnowsky

Über den Marmorvej zurück, am Ende des Hafenbeckens entlang, gelangen wir am Sandkaj zum Aarhusgade-Viertel, das ebenfalls erst kürzlich ausgebaut worden ist, und wo sich zum Teil noch die Baukräne drehen.

Wer sich im Aarhusgade-Viertel an Amsterdam erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Der Eindruck ist beabsichtigt. Foto: Walter Turnowsky

Hier mischt sich Neubau mit umgestalteten Industriebauten. Unter anderem finden wir hier die Portland Towers, die ehemals zwei Silos waren. Heute beherbergen sie unter anderem die deutsche Botschaft.

In den Portland Towers hat die deutsche Botschaft Unterschlupf gefunden. Foto: Walter Turnowsky

Wer dort gerade nichts zu erledigen hat, kann bei der Badeanstalt davor ins kühle Nass eintauchen.

Badeanstalt bei den Portland Towers. Gegenüber ist FN-Byen zu sehen. Foto: Walter Turnowsky

Direkt nebenan finden wir Konditaget Lüders, wo wir gegen Abschluss unserer Runde den Puls noch einmal so richtig in die Höhe jagen können. Eigentlich ist es ein Parkhaus, doch auf dem Dach sind Fitnessgeräte angebracht.

Eine Treppe ist zum Hinauflaufen gedacht. 24 Meter und 135 Stufen geht es hinauf. Oben abgekommen, genießen wir den Ausblick, während wir nach Atem schnappen.

Und noch einmal geht es die 135 Stufen hinauf. Foto: Walter Turnowsky

Auf einer anderen Treppe geht es wieder hinunter, und dann das Ganze noch einmal. Je nach Kondition könnt ihr das beliebig oft wiederholen – wir begnügen uns heute mit zwei Runden. Wer nur den Ausblick möchte, kann auch den Fahrstuhl benutzen.

Neben dem Fintnessdach stehen zwei weitere umgebaute Silos: Das Frihavnstårnet (l.) und The Silo. In beiden befinden sich nun Nobelwohnungen. Foto: Walter Turnowsky

Sollte es nach diesen Anstrengungen reichen, findet ihr im Viertel etliche Cafés und Bars, in denen ihr wieder Kräfte sammeln könnt.

Der Ausabu des Nordhafens ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Foto: Walter Turnowsky
Im Hintergrund sieht man die Kräne des noch aktiven Hafens. Hier liegen auch die neuen Lager der Unicef. Foto: Walter Turnowsky

Wen die Beine noch tragen, der trabt locker mit mir noch die Helsinkigade hinunter und schaut sich im Viertel um. Über die Rostockgade gelangen wir zur Metrostation Nordhavn, von der wir unschwer wieder an unseren Ausgangspunkt zurückgelangen.

Alte Bausubstanz ist, wie hier in der Rostockgade, wiederverwendet worden. Foto: Walter Turnowsky

Die Laufrunde ist 7,2 Kilometer lang. Wer es kürzer mag, kann eventuell Kastellet oder die UNO-City auslassen.

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Anna-Lena Holm
Anna-Lena Holm Hauptredaktion
„Vertrauenskrise in den Medien“