Festjahr 2021
Shalom und Moin: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Shalom und Moin: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Shalom und Moin: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
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Der Landesbeauftragte Peter Harry Carstensen stellt das Programm für das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben“ vor.
Der Slogan steht – und ist so einfach wie mehrdeutig: „Shalom und Moin“, heißt das Motto, das Peter Harry Carstensen bei der Vorstellung des Programms für das Festjahr zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ausgibt bei der es über 140 Veranstaltungen in Schleswig-Holstein geben wird (siehe Kasten). Damit würden zwei typische Grußformeln verbunden, die auf den ersten Blick getrennt für die beiden Gruppen „Juden“ und „Schleswig-Holsteiner“ wirken. Doch für den ehemaligen Ministerpräsidenten, der seit einem Jahr Landesbeauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus ist, ist das überhaupt kein Gegensatz. „Es geht darum, in diesem Jahr die Selbstverständlichkeit des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein deutlich zu machen.“
In dem Pressegespräch mit Bildungsministerin Karin Prien (CDU) ist der sonst so unbeschwerte Carstensen ungewöhnlich ernst. Einen jüdischen Witz mag er nicht erzählen, auch wenn Moderator Stefan Hans Kläsener ihn dazu auffordert. Als Ministerpräsident habe er das Gefühl gehabt, dass er genug für die Menschen jüdischen Glaubens im Land getan habe, sagt der 73-Jährige. „Nach einem Jahr als Beauftragter für das jüdische Leben habe ich das Gefühl nicht mehr.“
Und Carstensen beginnt zu erzählen von Begegnungen mit Juden in Schleswig-Holstein, die ihm im vergangenen Jahr erzählt haben, dass sie die Post der Gemeinde in neutralen Umschlägen verschicken, damit niemand mitbekommt, dass die Empfänger Juden sind. Oder von Kindern, die sich in der Schule nicht zu sagen trauen, dass sie jüdischen Glaubens sind. „Ich hätte mir früher nicht vorstellen können, dass es so etwas gibt.“
Karin Prien hat jüdische Wurzeln
Karin Prien weiß, wovon ihr Parteifreund spricht. Die Ministerin hat jüdische Wurzeln, ihre Großeltern flohen in den 30er Jahren nach Holland, wo Prien geboren wurde und aufwuchs. Zu diesem Pressegespräch hat sie den David-Stern als Anhänger umgebunden. Als sie in der Union einmal ihre Herkunft erwähnt habe, habe ihr ein Parteifreund gesagt: „Musstest Du das jetzt erzählen?“
Man darf nicht nur die Saat ausbringen, sondern muss auch über die Jahre die Pflanzen immer wieder pflegen, damit man eine gute Ernte einfahren kann.
Peter Harry Carstensen, Beauftragter für das jüdische Leben und gegen Antisemitismus
Prien will die jüdischen Gemeinden zu mehr Selbstbewusstsein ermuntern und setzt dabei auf die jungen Leute. Der Massenmord der Nazis an den Juden wird immer ein Thema bleiben, aber es gehe eben auch darum, in die Zukunft zu schauen.
Die geht für Peter Harry Carstensen noch weiter als das Jahr 2021. „Das Festjahr darf nicht mit Ende des Jahres zu Ende sein, sondern muss sich verstetigen.“ Als Landwirt wisse er, worauf es ankomme: „Man darf nicht nur die Saat ausbringen, sondern muss auch über die Jahre die Pflanzen immer wieder pflegen, damit man eine gute Ernte einfahren kann.“
Es geht um Begegnungen, darum, einander kennenzulernen.
Karin Prien, Kultusministerin
Gerade deshalb sei es so wichtig, dass in dem Festjahr die jüdischen Gemeinden ihre Tore aufmachen, meint die Bildungsministerin. „Es geht um Begegnungen, darum, einander kennenzulernen.“ Prien erzählt von einer Schule in Schleswig-Holstein, in der es antisemitische Vorfälle gegeben habe. „Und dort waren keine jüdischen Schüler – übrigens auch keine muslimischen.“ Das zeige, dass gerade dort der Hass entstehe, wo man nichts über scheinbar Andersartige wisse.
Zivilcourage bei Anfeindungen von Juden
Deswegen ist eines von Carstensens Zielen auch, dass die Menschen zusammenkommen, so weit Corona das zulässt. Man kann über das Thema Judentum in Schleswig-Holstein gar nicht genug sprechen“, sagt der Landesbeauftragte. Er will dabei gar nicht von Toleranz reden. „Das hat so etwas Gönnerhaftes“, meint der Ex-Ministerpräsident. Statt dessen verlangt er Zivilcourage – dort wo es Anfeindungen von Juden gibt, und sei es nur durch unbedachte Äußerungen. „Wir müssen uns gegenseitig respektieren – Juden, Christen, Muslime“, fordert Carstensen. Denn eines sei klar: „Wir glauben alle an ein und den selben Gott.“ Da sei für Streit und Hass einfach kein Platz. Sondern lieber für ein Shalom und Moin.