Fischerei

Kein Nachwuchs bei Dorsch und Hering in westlicher Ostsee

Kein Nachwuchs bei Dorsch und Hering in westlicher Ostsee

Kein Nachwuchs bei Dorsch und Hering in westlicher Ostsee

shz.de
Kiel
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Ein Heringsfischer fährt mit vollen Stellnetzen über den Greifswalder Bodden zurück zum Hafen in Greifswald-Wiek. Doch vermehrt sich der Hering in der westlichen Ostsee nicht mehr so gut, die Bestände nehmen kontinuierlich ab. Foto: Christian Charisius/dpa

Den Beständen droht der Kollaps. Berufsfischer fordern deshalb das Einstellen der Fischerei bei diesen beiden Arten.

Untersuchungen des Geomar Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung in Kiel zu Zustand und Laicherfolg von Dorsch und Hering ergaben erschreckende Ergebnisse. Demnach sei der Bestand dieser Arten nach Jahrzehnten der Überfischung in der westlichen Ostsee so klein, dass während der Laichzeit nicht mehr das ganze Laichgebiet mit Eiern versorgt werden kann. Die Untersuchungen fanden in Zusammenarbeit mit mehreren Berufsfischern in der Kieler Förde statt.

Fast kein Nachwuchs beim Dorsch

Beim Hering liege der Nachwuchs seit 2005 weit unter dem Mittel der vorherigen Jahre und nehme kontinuierlich weiter ab. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) empfehle deshalb seit dem Jahr 2018 eine Einstellung der Heringsfischerei. Dieser Rat sei aber von den politisch Handelnden bisher nicht befolgt, so das Geomar in einer Pressemitteilung am Mittwoch.

Beim Dorsch sei in vier der vergangenen fünf Jahre der Nachwuchs sogar ganz oder fast ganz ausgeblieben. Der aktuelle Bestand bestehe also fast nur noch aus jetzt vierjährigen Dorschen, die sich noch nicht erfolgreich fortgepflanzt hätten. „Wenn wir diesen Jahrgang ohne Ersatz verlieren, dann haben wir den Bestand verloren“, sagt Rainer Froese, Meeresökologe und Experte für Fischereiwissenschaft am Geomar.

Klimawandel: Fische laichen zu früh ab

Die zu kleinen Bestände seien zudem schlecht auf den Klimawandel vorbereitet. In diesem Frühjahr etwa habe der ungewöhnlich warme Winter die meisten Fische dazu veranlasst, zu früh abzulaichen – bevor genügend Nahrung für die Larven vorhanden war.

Eingeschleppte Rippenquallen können sich im warmen Wasser zudem massiv vermehren. Sie konkurrierten dann mit den Fischlarven um das Plankton als Futter. „Wir hatten noch in keinem Jahr so viele Rippenquallen in unseren Proben wie jetzt“, sagt die Meeresbiologin und Expertin für Heringslarven, Catriona Clemmesen. Sie stellt fest: „Alle Anzeichen deuten daher darauf hin, dass es in diesem Jahr bei Dorsch und Hering keinen Nachwuchs geben wird."

Fischer spüren Änderungen im Ökosystem

Auch die Fischer haben die Änderungen im Ökosystem bemerkt: „Um diese Jahreszeit müsste es eigentlich massenhaft Ohrenquallen und Feuerquallen geben“, sagt Erik Meyer, Berufsfischer aus Schönberg. „Stattdessen haben wir glasklares Wasser, und Quallen gibt es nicht.“

Auch Oliver Eggerland, Berufsfischer aus Laboe, hat noch nie so wenig Jungfische gesehen wie in diesem Jahr. „Normalerweise sehe ich um diese Jahreszeit Schwärme von Jungheringen im Flachwasser. Jetzt ist nichts da.“

Eine Katastrophe abwenden – Appell an die Politik

Aus Sicht der Fischer und der Geomar Wissenschaftler muss dringend gehandelt werden, um eine Katastrophe abzuwenden. Sie schlagen eine völlige Einstellung jeglicher Fischerei auf Dorsch und Hering vor, bis mehrfache erfolgreiche Fortpflanzung die Bestände dauerhaft abgesichert hat.

Die Fischer und Wissenschaftler haben sich mit ihren Beobachtungen an den Umweltminister von Schleswig-Holstein, Jan Philipp Albrecht, und an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Julia Klöckner, gewandt. In ihrem Appell weisen sie deutlich darauf hin, dass die Fischer in dieser Situation nicht allein gelassen werden können.

EU beschließt Fangquoten

Sie schlagen angemessene Abfindung vor für Fischer, die aussteigen wollen, und angemessene Unterstützung für Fischer, die im Beruf bleiben wollen. Fischerei auf Plattfische (Scholle, Flunder, Kliesche, Steinbutt, Glattbutt) sei weiterhin möglich, Beifang von Hering und Dorsch muss dabei aber strikt vermieden oder gering halten werden.

Am 19. und 20. Oktober treffen sich die Landwirtschaftsminister der EU und beschließen die Fangquoten für das nächste Jahr. 

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