Fischerei

Studie: Dorschbestand in westlicher Ostsee zusammengebrochen

Studie: Dorschbestand in westlicher Ostsee zusammengebrochen

Studie: Dorschbestand in westlicher Ostsee zusammengebrochen

dpa
Hamburg
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Frisch gefangene Dorsche im Hafen von Wismar (Archivbild). Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

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Durch Überfischung gibt es vor der deutschen Ostseeküste kaum noch Dorsche. Aber auch der Klimawandel spielt bei dem dramatischen Rückgang eine Rolle.

Der Dorschbestand der westlichen Ostsee ist einer Studie zufolge derart zusammengebrochen, dass eine absehbare Erholung aus Expertensicht unwahrscheinlich ist.

Forschende unter Leitung von Prof. Christian Möllmann vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg kamen zum Ergebnis, dass der Kipp-Punkt für diese Population überschritten ist. Das Team habe jahrzehntelange Fischereidaten der Region mit Hilfe statistischer Modelle analysiert, teilte die Universität am Dienstag mit. Beteiligt waren auch Wissenschaftler der Universität Kiel und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig.

Gründe für die Entwicklung seien Klimawandel und Überfischung. Die Studie wurde im Fachblatt «Scientific Reports» veröffentlicht. «Aufgrund von hohen Fangquoten und bisher nicht beachteten Umweltfaktoren ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich der Bestand des Dorsches an der deutschen Ostseeküste in näherer Zukunft erholen wird», heißt es in der Mitteilung. Im Fischereimanagement werde zwar jährlich eine nachhaltige Gesamtbiomasse für bestimmte Fischarten festgelegt, die gefangen werden darf. So könne sich deren Bestand erholen. «Dieses System berücksichtigt jedoch nicht die sich verändernden Umweltbedingungen in der Region, zum Beispiel durch den Klimawandel.» So sei in den vergangenen Jahren zu viel Dorsch - in anderen Seegebieten Kabeljau genannt - gefangen worden.

«Normalerweise geht man davon aus, dass sich die Bestände erholen können, wenn man den Fischereidruck verringert», erläuterte Möllmann. «Unsere Analyse zeigt, dass dies wahrscheinlich nicht mehr der Fall ist.» Der Fischereidruck in Kombination mit der Erwärmung des Wassers könne dazu geführt haben, dass weniger Fische brüten können, so dass immer weniger Eier überleben. Der Dorschbestand werde sich gar nicht oder nur äußerst langsam erholen.

Die Erwerbsfischer der EU-Ostseeanrainer durften nach Angaben des Fischereiministeriums in Kiel im vergangenen Jahr 3806 Tonnen Dorsch in der westlichen Ostsee fangen. Die Zahl zur tatsächlich gefangenen Menge liege noch nicht vor. Die deutschen Erwerbsfischer holten 941,2 Tonnen aus dem Meer und schöpften damit ihre Quote zu 89 Prozent aus. Im laufenden Jahr dürfen die Fischer der EU-Anrainer in der westlichen Ostsee 4000 Tonnen fangen. Im Jahr 2010 hatte die zulässige Gesamtfangmenge noch 17.700 Tonnen betragen.

«Der Zusammenbruch des Dorsch-Bestands in der westlichen Ostsee war absehbar», kommentierte Fischereiexpertin Stella Nemecky von der Naturschutzorganisation WWF Deutschland. Die Warnungen seien als hysterisch abgetan und konsequent ignoriert worden. «Die Politik hat über mehr als zwanzig Jahre dabei versagt, diesen einstigen Brotfisch der Ostseefischerei zu schützen und verantwortungsvoll zu managen.»

Der Zusammenbruch des Bestandes zerstöre die Stabilität des Ökosystems und die Existenz von Fischern, sagte Nemecky. Die politische Annahme, dass sich Fischbestände in wenigen Jahren erholen und entsprechend kurzfristig gemanagt werden können, sei falsch. «Abrupte Kipp-Punkte wie dieser werden aufgrund der Klimakrise häufiger.» Das Fischereimanagement müsse bedeutend vorsichtiger werden.

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