Frauke Candussi
„Ich fühle mich dort zu Hause, wo die Minderheit ist“
„Ich fühle mich dort zu Hause, wo die Minderheit ist“
„Ich fühle mich dort zu Hause, wo die Minderheit ist“
Die gebürtige Haderslebenerin rundet am 23. Oktober ihr 80. Lebensjahr. Gefeiert wird in Etappen mit Freunden, Weggefährten und der Familie.
Frauke Candussi hat Anfang September einen Bruch im Bereich der rechten Schulter erlebt. Die Hoptruperin war nach Estland gereist. Als sie in Tallinn aus dem Flugzeug stieg, stolperte sie so unglücklich, dass sie hinfiel und sich eine Fraktur zuzog. Frauke Candussi musste quasi postwendend nach Nordschleswig zurückkehren, wo sie im Krankenhaus in Apenrade operiert wurde.
Der Eingriff ist für die energiegeladene Seniorin kein Grund dafür, sich tatenlos auf das Sofa zu setzen. Sie fördert den Muskelaufbau in der Schulter durch gezieltes Training. „Jetzt kann ich mir schon wieder meine Spange mit der rechten Hand ins Haar setzen und die Zähne putzen“, lacht die pensionierte Lehrerin.
Die gebürtige Haderslebenerin, die an der Hauptstraße in Hoptrup wohnt, rundet die 80 Jahre am Dienstag, 23. Oktober. Gefeiert wird reihum in Nordschleswig in den Vereinen, wo sie ein und aus geht. Ihre Familie wird sie auch in einem etwas kleineren Rahmen hochleben lassen.
Agnes Frieda Frauke Erichsen Candussi kam in der Domstadt auf die Welt. Mit ihrem kleinen Bruder Gert und den Eltern Ruth und Boy Erichsen wohnte sie am Aastruper Weg 63. Sie wurde in der deutschen Privatschule in Hadersleben eingeschult, war an der Friedrichsschule und der Realschule, bevor sie an das Gymnasium wechselte. An der Kathedralschule legte sie 1958 ihr Abitur ab.
Ihre Ausbildung zur Lehrerin machte Frauke Candussi an der Pädagogischen Hochschule in Flensburg. Ihre erste Anstellung führte sie an eine Dorfschule in Kleinjörl auf der Schleswigschen Geest. Von 1964 bis 1974 war Candussi Lehrerin an der deutschen Schule in Feldstedt. In diesem Zeitraum lernte sie ihren Mann Marco Luigi Candussi kennen.
Um etwas Abstand zum Krebstod ihrer Mutter zu bekommen, unternahm die junge Frau gemeinsam mit ihrem Vater eine Urlaubsreise nach Norditalien. Dort lernte die Nordschleswigerin den selbstständigen Malermeister Marco Luigi Candussi kennen. Das Paar heiratete 1969. Marco Luigi Candussi folgte seiner Frau nach Feldstedt, und 1974 kam die gemeinsame Tochter Ruth Maria zur Welt.
„Mein Mann sehnte sich nach seiner Heimat. Ich habe beschlossen, dass wir zu dritt zurückkehren nach Italien in das Tal Valcellina“, erinnert sich Frauke Candussi. Die Mittdreißigerin passte sich den neuen Lebensgewohnheiten an, und statt ihren Beruf auszuüben, kümmerte sie sich um den Haushalt und ihre kleine Familie. „Und dann habe ich natürlich Italienisch gelernt“, schmunzelt Frauke Candussi.
Weil Ruth Maria nicht in dem feuchten Gebirgsklima gedieh, musste Frauke Candussi 1980 schweren Herzens nach Dänemark zurückkommen. Mutter und Tochter ließen sich auf Alsen nieder, wo Frauke Candussi eine Lehrerstelle an der Deutschen Privatschule Lunden übernahm.
„Mein Mann und ich haben uns nie getrennt. Ich habe ihn geliebt, und es war schwierig für mich, von Italien wegzugehen. Das Wohlergehen meiner Tochter hatte aber höchste Priorität, und deswegen sind wir nach Nordschleswig gekommen. Aber wir sind jeden Sommer nach Italien gereist, um gemeinsame Familienzeit zu verbringen“, erinnert sich Frauke Candussi, die 2007 verwitwete.
Zurück in die Heimat
An der Schule in Lunden blieb Frauke Candussi bis zu ihrer Pensionierung vor 16 Jahren. Um in der Nähe ihrer Geburtsstadt zu wohnen, kaufte sie Anfang 2000 das Haus in Hoptrup. Sie arbeitet viel in ihrem Garten, rudert gern und ist außerdem aktive Schützin. Die Vereinsarbeit in den deutschen Rudervereinen, Schützenvereinen, dem Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) und der Schleswigschen Partei (SP) liegt der Seniorin am Herzen.
„Ich fühle mich dort zu Hause, wo die Minderheit ist“, sagte die Jubilarin und erinnert sich gerne daran, dass ihre Vorfahren väterlicherseits von der nordschleswigschen Westküste stammen und die Wurzeln ihrer Mutter in Hamburg in der Familie Vogelgesang liegen.
Ihr Großvater, Rechtsanwalt Georg Vogelgesang, gründete in Hadersleben die „Kreditanstalt Vogelgesang“. Das Schicksal ihres Vaters und Großvaters nach dem Zweiten Weltkrieg haben sie geprägt, sagt Frauke Candussi.
Die Wahl-Hoptruperin macht sich Gedanken wegen der Fortexistenz der Minderheit. Sie sorgt sich darum, was den Nachwuchs anbelangt und fürchtet, dass die nächste Generation fehlen könnte. Ganz im Sinne ihrer Vorfahren, die sich, so Frauke Candussi, für die Belange der deutschen Minderheit eingesetzt haben, stiftete sie zusammen mit ihrer Tochter 2016 das Boy Erichsen und Ruth Vogelgesang Legat.
Mutter und Tochter haben das Haus an der Norderstraße 17 in Hadersleben, wo Frauke Candussis Vorfahren einst das Textilfachgeschäft „Firma Andreas Erichsen Eftf.“ betrieben, geerbt. Das Erbe ermöglichte die Stiftung des Legats, das jährlich an Schüler der DSH und Abiturienten des Deutschen Gymnasiums in Apenrade (DGN) verteilt wird.
Zur Schule in Hadersleben hat die pensionierte Lehrerin gute Anknüpfungspunkte, denn an der DSH unterrichtete sie von 2007 bis 2010 Fremdsprachenunterricht im Fach Dänisch für Schüler aus deutschen Zuzüglerfamilien.
Wenn die Jubilarin nicht gerade in Sachen Rudern, Schießen oder BDN-Aktivitäten unterwegs ist, genießt sie es, an den Veranstaltungen des Frauenvereins in Hadersleben teilzunehmen. Bücher, die Candussi von ihren Vorfahren erbte, stehen fein säuberlich in den Regalen in ihrem Wohnzimmer. Die Geschichte ihrer Familie macht Frauke Candussi auch lebendig durch Möbel, Gegenstände und Malereien, die ihr vererbt wurden und mit denen sie ihr Haus eingerichtet hat.