Archäologie

Wikinger im Herzen: „Erst durch das Nachmachen wissen wir, was funktioniert!“

Wikinger im Herzen: „Erst durch das Nachmachen wissen wir, was funktioniert!“

„Erst durch das Nachmachen wissen wir, was funktioniert!"

Nele Dauelsberg
Nordschleswig
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Auf einem Wikingermarkt zeigt der Experimental-Archäologe in traditioneller Kleidung den Besucherinnen und Besuchern mit Hilfe seines Sohns, wie früher kleine Gegenstände und Schmuckstücke hergestellt wurden. Foto: Ken Ravn

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Auf den Spuren der Vergangenheit wandern Niels Vase und Ken Ravn. Beruflich und privat beschäftigen sie sich mit alten Epochen – genauer: den Wikingern. Sie erzählen von ihrer Begeisterung und Leidenschaft von den längst verstrichenen Zeiten.

In eine neue Welt eintauchen, ein Handwerk erlernen und etwas Schönes kreieren. Für Niels Gunni Vase und Ken Ravn ist das Arbeiten mit der Vergangenheit weit mehr als nur Beruf oder Hobby. Es ist eine Leidenschaft, die die beiden Männer teilen.

Der Goldschmied Vase und der Experimental-Archäologe Ravn haben schon einige Stunden gemeinsam auf einem Wikingermarkt verbracht. Dort verkaufen beide selbst hergestellte Schmuckstücke und genießen die Atmosphäre unter Gleichgesinnten.

Niels Gunni Vase – Goldschmied der alten Zeit

Vase ist ein Mann, der schon sehr viele Wikingermärkte gesehen und miterlebt hat. Seit vierzig Jahren begleiten die Märkte und Festivals das Leben des nun 74-Jährigen. Doch er ist und war nicht nur Besucher, sondern trägt mit seiner Arbeit seinen Teil dazu bei, dass die Wikingerkultur erhalten bleibt.

Ich wollte unbedingt wissen, wie das geht! Ich habe mich schon immer für das Historische interessiert

Niels Gunni Vase, Goldschmied

„Neben den modernen Stücken mache ich Schmuck, Schalen und Schlüssel, wie in der Wikingerzeit“, erklärt der Schmied aus Oster Hoist (Øster Højst). „Alles originalgetreu!“

Dafür hat der Meister die alte Handwerkstechnik gelernt und angewandt. „Ich wollte unbedingt wissen, wie das geht! Ich habe mich schon immer für das Historische interessiert“, erklärt Vase begeistert.

Damit ihm das gelingt, hat er unter anderem mit dem Museum Skanderborg zusammengearbeitet. Mit modernen Fotoanalysen konnte rekonstruiert werden, wie die Schmuckstücke früher hergestellt wurden. „Ein Ausstellungsstück habe ich nachgeschmiedet!“, erklärt Vase stolz.

Als Wikinger-Schmied arbeitet er seit 1986 nach alten Handwerkskünsten und ist heute noch genauso leidenschaftlich wie früher. „Ich möchte das so lange machen wie es geht“, erklärt er lachend. „Ich hoffe, dass ich noch zehn bis 15 Jahre weiter arbeiten kann!“

In seiner Werkstatt arbeitet Niels Gunni Vase an seinen neusten Schmuckstücken. Foto: Niels Gunni Vase

Für die Arbeit verwendet Vase die gleichen Materialien wie vor etwa tausend Jahren. Dabei gesteht der Mann, dass er sich nicht großartig umstellen musste:

„Als ich damals in den 60ern gelernt hatte, gab es noch keine modernen elektronischen Geräte wie heute. Die Wikinger hatten diese auch nicht. Deswegen ist für mich die Umstellung zwischen den Techniken leichter, als für jemanden, der heute in die Lehre geht.“

Was den Schmied am meisten begeistert, ist das Abtauchen in die alte Arbeit. Er liebt es, sich mit seinen Projekten zu beschäftigen und mit jedem neuen Stück etwas Neues zu lernen. Deshalb hat er sich schon in den 80er-Jahren ehrenamtlich in der Reparationsabteilung des Museums Moesgaard in Aarhus engagiert. Dort konnte er einiges an Techniken lernen, die er bis heute verwendet.

Als Goldschmied hat Vase schon früh gelernt, sehr genau zu arbeiten. Foto: Niels Gunni Vase

Vase selbst ist es wichtig, dass sein Wissen nicht verloren geht. Deshalb hat er bereits neun Lehrlinge unterrichtet, von denen fünf sogar für ihren Abschluss als Schmied ausgezeichnet wurden.

Sonst besuchen ihn viele Wandergesellen und lassen sich von seiner Begeisterung für das alte Handwerk mitreißen.

„Besonders die Herstellung von Silberschalen finden viele interessant. Ich kann immer sehen, wie glücklich die jungen Leute sind, wenn sie die alten Techniken lernen. Das macht mich auch glücklich!“

Ken Ravn – Ein Archäologe in der Schmiede der Wikinger

Die alte Zeit, deren Gegenstände und Schmuck – das sind die Leidenschaften von Ken Ravn. Seit seinem Studium in Kopenhagen zieht ihn seine Begeisterung in die prähistorische Periode und in die Wikingerzeit.

„Für meine Abschlussarbeit wollte ich unbedingt wissen, wie die Menschen früher ihre Dinge hergestellt haben“, erklärt der Experimental-Archäologe. Um das herauszufinden, plante er, sie selbst nach alter Technik herzustellen.

Viele Schmuckstücke der Wikingerzeit wurden in Formen gegossen. Genau so arbeitet auch Ken Ravn bei seiner Arbeit als experimenteller Archäologe. Foto: Ken Ravn

„Experimentale Archäologie war damals sehr ungern gesehen. Die Archäologie ist ein theoretisches Fach, hieß es immer.“ Trotzdem war er zu begeistert von der Idee, zu versuchen, mit alten Techniken Dinge herzustellen und sich von den vielen kritischen Stimmen nicht beirren ließ.

Alle wissen, ich bin der Super-Nerd, der alten Schmuck machen kann.

Ken Ravn, Experimental-Archäologe

Das Archäologische Institut Moesgaard in Aarhus und das Museum Ries Wikinger boten ihm Hilfe für sein Projekt an, und so kam er an die ersten Gussformen. „Die ersten Fundstücke damals und die meisten, die es generell so gibt, sind tatsächlich aus der Wikingerzeit“, erinnert sich Ravn.

„So begann auch bei mir die Begeisterung für die Periode!“

Diese wunderlich aussehenden Steine sind eigentlich Gussformen. Die Wikinger haben in die oberen Öffnungen Bronze gegossen und das Metall in der Form aushärten lassen. Foto: Ken Ravn

Mittlerweile beliefert der selbstständige Archäologe regelmäßig Museen. Er schmiedet Schmuckstücke und kleinere Gegenstände aus früheren Epochen, insbesondere der Wikingerzeit.

„Die Museen kennen mich mittlerweile. Alle wissen, ich bin der Super-Nerd, der alten Schmuck machen kann. Das finde ich großartig!“

Einige von Ken Ravns Arbeiten wurden unter anderem in dem Museum Østjylland in Randers ausgestellt. Foto: Ken Ravn

Mit seiner Arbeit, gibt Ravn zu, mache er nicht das große Geld, aber er liebe sie. Deshalb freut er sich über jeden Auftrag und jedes neue Projekt. Genauigkeit ist dem Archäologen dabei besonders wichtig.

„Meine Broschen zum Beispiel müssen einmal von einer Frau getragen werden. Sie muss damit ein Baby und einen Korb tragen und alles machen, was man halt so macht. Wenn dann alles hält, weiß ich erst, ob ich wirklich richtig gearbeitet habe.“

Diese Broschen hat Ravn nach historischem Vorbild nachgestellt. Foto: Ken Ravn

Doch Ravn arbeitet nicht nur mit Museen, sondern besucht auch regelmäßig Wikingermärkte. Dort präsentiert er in traditioneller Kleidung seine Arbeit. „Es ist schön, auf Märkten ganz in die Zeit einzutauchen und eine so tolle Gemeinschaft um sich herum zu haben!“

 

Als er während seiner Studienzeit zu einem anderen Experimental-Archäologen nach Deutschland ging, besuchte Ken Ravn zum ersten Mal einen Wikingermarkt. Begeistert von solchen Veranstaltungen verkauft er dort mittlerweile regelmäßig alten Schmuck und kleine Gegenstände. Foto: Ken Ravn

Ravn findet, die Experimental-Archäologie sei ein sehr wichtiges Feld und bekomme immer noch zu wenig Aufmerksamkeit. „Archäologie muss nichts Theoretisches sein. Erst durch das Nachmachen von Gegenständen wissen wir, ob das, was wir uns vorstellen auch in der Praxis funktioniert.“

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