Schleswig-Holstein

Verdammt, ich werd mein unsaniertes Haus nicht mehr los! 

Verdammt, ich werd mein unsaniertes Haus nicht mehr los! 

Verdammt, ich werd mein unsaniertes Haus nicht mehr los! 

Karolina Meyer-Schilf/shz.de
Schleswig-Holstein
Zuletzt aktualisiert um:
„Ein unsaniertes Haus kaufen, das macht nicht wirklich Spaß.“ Hans Reinold Horst, Vorsitzender von Haus & Grund Niedersachsen, macht die Klimapolitik von Robert Habeck für den Wertverfall alter Häuser verantwortlich. Foto: www.imago-images.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Der Immobilienboom ist passé. Wegen höherer Darlehenszinsen können sich weniger Familien ein Haus leisten. Und dann wird an diesem Freitag auch noch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschlossen, hinzu kommt der aus Brüssel drohende...

All das ist fatal, wenn man eine alte und schlecht gedämmte Immobilie verkaufen will. Denn diese haben teils dramatisch an Wert verloren und werden zu Ladenhütern. Und das vor allem in Flächenländern wie Schleswig-Holstein.

Wie drastisch ist der Wertverfall? Was können Hausbesitzer tun? Eigentümerverbände, Politiker und Makler geben Antworten. 

Wie ist die Lage am Immobilienmarkt?

Die ist laut Hans Reinold Horst, Vorsitzender von Haus & Grund Niedersachsen, ziemlich mies: „Die gutachterlich taxierten Verkehrswerte unsanierter Häuser sind im Schnitt schon um bis zu 20 Prozent eingebrochen, seitdem Wirtschaftsminister Robert Habeck Mitte Februar mit dem Heizungsgesetz (GEG) um die Ecke gekommen ist”, sagt der Eigentümer-Lobbyist.

Bei besonders Energie-ineffizenten Häusern sei der Wertverlust noch herber. Und sobald das GEG vom Bundestag verabschiedet werde, „wird es noch einen Schub nach oben geben. In unseren Beratungsgesprächen erleben wir schon jetzt, dass die Leute völlig verängstigt und verunsichert sind.”

Gibt es belastbare Zahlen zum Wertverfall unsanierter Häuser?

Ja, zumindest über den Ist-Zustand: Im ländlichen Raum fallen die Angebotspreise auf dem Immobilienportal Immoscout24 für Häuser der schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H inzwischen “um 41 bis 51 Prozent günstiger“ aus als für Immobilien mit Energieklasse A, so eine Studie des Portals.

Selbst Immobilien mit Energiestandard B verzeichnen im ländlichen Raum ein Minus von 16 Prozent gegenüber top-sanierten oder ganz modernen Häusern. Für Immobilien mit Energieeffizienzklasse C sinken die Angebotspreise auf dem Land um 25 Prozent.

Verlieren Immobilienbesitzer auf dem Land besonders viel?

Häufig schon, und dafür gibt es mehrere Gründe. Ob Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern: Fern der Metropolen ist die Eigentümerquote besonders hoch. Und in nicht ganz so reichen Regionen und jenseits der absoluten Top-Lagen sind die Häuser oft älter und den Besitzern fehlt Geld für teure Modernisisierungen.

„Gerade die Älteren sind durch das Hin und Her beim Heizungsgesetz stark verunsichert“, sagt Alexander Blažek, Vorsitzender des Eigentümerverbands Haus & Grund Schleswig-Holstein. Im nördlichsten Bundesland gibt es besonders viele ältere, unsanierte Siedlungshäuschen, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden sind, auch für die über eine Million Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. „Kleine Häuser auf großen Grundstücken“ – so charakterisiert Blažek die Siedlungsstruktur. Bei diesen ungedämmten Häuschen lohne sich eine Wärmepumpe oft nicht, oder erst nach aufwendiger und teurer Sanierung.

Ein weiterer Land-spezischer Nachteil: Wärmenetze gibt es hier nicht viele, denn je dünner die Besiedelung, je unlukrativer wird der Netzausbau für die Betreiber.

Kommt kein Wärmenetz, sitzt der Eigentümer in der Klemme. Denn der Staat fördert den Heizungstausch zwar mit 30 bis 70 Prozent, 70 bis 30 Prozent müssen aber immer noch selbst investiert werden. „Wenn ich kein Geld ausgeben kann, weil ich keines habe, bekomme ich keine Förderung. Gerade Einkommensschwache und Ältere, die nicht an Bankkredite kommen, stehen im Regen“, sagt Niedersachsens Haus-und-Grund-Chef Horst.

Ist die Politik am Wertverlust alter Immobilien schuld?

Für die gestiegenen Zinsen sind Habeck und die Klimaschützer aus Brüssel nicht verantwortlich. Aber die Vorgaben aus Berlin und von der EU kommen ja noch hinzu. Mit dem Heizungsgesetz werde „aktuell Wohlstand vernichtet“, sagt deswegen etwa Gitta Connemann (CDU), Chefin der Wirtschafts- und Mittelstandsunion, „weil ungedämmte Häuser mit alten Heizungen nur noch sehr niedrig beliehen werden können“. Das ist ein bitterer Sekundärfaktor des Werteverfalls.

Und ein Faktor, der potenzielle Käufer abschreckt, wie eine zweite Immoscout24-Erhebung offenbart: „Aus Sorge, hohe Investitionskosten zur Erfüllung von Klimaschutzauflagen nicht aufbringen zu können, sieht fast jeder Vierte (23 Prozent) vom Eigentumserwerb ab”, heißt es darin.

Eigentümer-Lobbyist Horst beschreibt den Teufelskreis: „Das Heizungsgesetz produziert einen Instandsetzungsstau, wenn das Geld für den verpflichtenden Heizungstausch fehlt. Wenn’s der Käufer machen muss, zahlt er entsprechend weniger. Und das ist locker ein Fünftel des Immobilienwertes, der dem Verkäufer verloren geht. Und bei unteren Energieeffizienzklassen ist der Verlust noch drastischer“, sagt er und fasst zusammen:

Sind die goldenen Zeiten am Immobilienmarkt für immer vorbei?

Auf jeden Fall bis auf weiteres, sagt Maklerin Sabine Knabe-Vieler aus dem niedersächsischen Melle. Sie findet das aber auch ganz ok. Knabe-Vieler spricht von einer „Bereinigung, die bitter nötig war“, denn in den vergangenen Jahren seien durch den Immobilienboom auch für ziemlich alte Häuser „Mondpreise“ bezahlt worden.

Den Verkäufern müsse man jetzt klarmachen, dass solche Preise nicht mehr zu erzielen seien – und zwar nicht nur wegen Robert Habecks Heizungsgesetz. „Das Hin und Her beim Heizungsgesetz hat bei vielen Immobilienbesitzern zu Verunsicherung geführt. Manche haben dann auch übereilt verkauft“, erzählt die Maklerin. Dabei seien vor allem die gestiegenen Zinsen für Kaufwillige derzeit das Hauptproblem.

Also bloß keine Schnappatmung, wenn am Freitag das Heizungsgesetz kommt, so könnte man die Maklerin interpretieren, denn: „Eine Immobilie zu besitzen, hat etwas mit Stolz zu tun, auch mit Verzicht und mit Eigenleistung. Das muss man sich wieder bewusst machen.“

Sie findet, eine Immobilie zu kaufen, zu einem Prozent Zinsen, und trotzdem zweimal im Jahr in den Urlaub zu fliegen, sei einfach nicht mehr drin – so wie früher eben auch nicht.

Mehr lesen