DIESE WOCHE IN KOPENHAGEN

Brüssel und Kopenhagen: Der Kleinkrieg um das liebe Geld

Brüssel und Kopenhagen: Der Kleinkrieg um das liebe Geld

Brüssel und Kopenhagen: Der Kleinkrieg um das liebe Geld

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Foto: dpa

Die Haushaltsverhandlungen in Dänemark und der EU laufen auf Hochtouren. Immer wieder kritisiert die Dänische Volkspartei, dass Dänemark mehr Geld an die EU überweise, als es am Ende wieder herausbekomme. Doch eine einfache Netto-Rechnung funktioniere dabei nicht, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Beim Geld hört bekanntlich dich Freundschaft auf. Das ist im Privatleben nicht anders, als derzeit, wo hinter verschlossenen Türen bei den Verhandlungen über den Finanzhaushalt 2018 (finanslov) in Kopenhagen die Milliarden verschoben werden. Während Kristian Jensen, der dänische Finanzminister, vor allem mit Dansk Folkeparti über die verschiedenen Begehrlichkeiten verhandelt, macht sich parallel der EU-Kommissar für den europäischen Haushalt, Günther Oettinger, seine Gedanken, wie das liebe Geld reichen soll.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, hat gestern für einen Paukenschlag gesorgt. Er fordert eine Verdoppelung des Haushalts der Europäischen Union auf  280 Milliarden Euro. Das verdoppelte EU-Budget solle aber nicht durch zusätzliche Überweisungen aus den Mitgliedstaaten, sondern durch die Einführung von Steuern finanziert werden.

In Kopenhagen, wie in Brüssel, sind die Verhandlungen über die zukünftigen Budgets schwierig. Die Dänische Volkspartei verweist gerne darauf, dass man national viel Geld sparen würde, wenn nicht die vielen Milliarden Kronen jedes Jahr nach Brüssel überwiesen werden müssten. Dänemark zahle bekanntlich viel mehr in die EU-Kasse ein, als durch Förderungen wieder ins Land geholt würden. Stimmt das überhaupt? 

2015 erhielt Dänemark 1,53 Milliarden (Mrd.) Euro von der EU. Die Mittel für die Landwirtschaft betrugen dabei 1,07 Mrd. Euro, was bei Weitem den größten Teil (70 Prozent) der gesamten in Dänemark ausgegebenen EU-Mittel ausmacht. 2015 steuerte Dänemark 2,19 Mrd. Euro zum EU-Haushalt bei. Es stimmt also, der dänische Steuerzahler überweist mehr Geld nach Brüssel, als netto wieder zurückgelangt. Doch bekanntlich ist die Rechnung nicht so einfach. Die dänische Wirtschaft, die hoch spezialisiert ist, profitiert wiederum von den steigenden EU-Investitionen in vielen europäischen Regionen, die vor allem durch die europäische Kohäisionspolitik die Lebensstandards in der EU angleichen will.

Die Landwirtschaft und die  Regionalförderung (Kohäsionspolitik) machen jeweils rund 1/3 der Ausgaben der EU-Zusammenarbeit aus. Nicht wenige Akteure in Brüssel wollen die „Macht der Landwirte“ brechen, während derzeit die zukünftigen EU-Budgets verhandelt werden. Das Geld wird nämlich  knapp und die Aufgaben wachsen. Es kommt hinzu, dass ab 2019 ein Netto-Zahler fehlen wird, wenn Großbritannien freiwillig die EU verlässt. 

An neuen Aufgaben mangelt es jedoch nicht: Sei es eine Stärkung der militärischen Kooperation  oder die „Soziale Säule“ der EU-Zusammenarbeit, die im November in Göteborg verabschiedet werden soll. Nicht zu vergessen, die europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der französische Präsident Macron haben jeweils weitreichende Pläne für die Zukunft der Europäischen Union vorgelegt. Demnach soll Europa handeln und weitere Aufgaben übernehmen – doch es fehlt das Geld. 

In Dänemark wird kaum ein Politiker mehr Geld für die EU-Zusammenarbeit in die Hand nehmen wollen. Nicht selten wird über die Verschwendungssucht der EU geschimpft. Hier bietet sich  ebenfalls ein Faktencheck an: Mit einem Volumen von 147 Milliarden Euro (2015) ist der EU-Haushalt im Vergleich zu den nationalen Haushalten der 28 EU-Länder, die sich zusammen auf mehr als 6,400 Milliarden Euro belaufen, eher gering.

Die 28 EU-Länder geben zusammen fast 50-mal mehr aus als die EU. Die EU-Bürgerinnen und Bürger mussten 2013 pro Kopf 283 Euro jährlich zum EU-Haushalt beitragen, das ist weniger als ein Euro pro Tag. Tatsächlich ist der EU-Haushalt geringer als etwa der Haushalt Österreichs oder Belgiens. Der EU-Haushalt ist immer ausgeglichen, es gibt also kein Haushaltsdefizit und keine Verschuldung. Und 94 Prozent der Mittel, die in den EU-Haushalt fließen, werden in den Mitgliedstaaten für Maßnahmen und Programme ausgegeben. 

Während Kristian Jensen derzeit den nationalen Haushalt verhandelt, wird er vielleicht bereits im Hinterkopf darüber philosophieren, wie er das EU-Finanzierungsdilemma lösen möchte: Immer mehr Aufgaben wollen europäisch bearbeitet werden, doch das Geld wird weniger. Der Weg, den viele in Brüssel gehen wollen, nämlich, massiv bei der Agrarförderung zu sparen, wird in Dänemark nicht besonders gut ankommen.

Quelle: Die Zahlen sind von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament 
 

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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