DIESE WOCHE IN KOPENHAGEN

Europäische Union brüskiert Minderheiten in Europa

Europäische Union brüskiert Minderheiten in Europa

Europäische Union brüskiert Minderheiten in Europa

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Foto: dpa

Die Entwicklung in Katalonien und die kompromisslose Positionierung der Europäischen Union auf Seiten der Regierung in Spanien, hat die Minderheiten in Europa aufgeschreckt und tief erschüttert, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen. Aus seiner Sicht habe die EU eine große Chance vertan.

Das Europäische Parlament hat sich in einer aktuellen Stunden mit der Entwicklung in Katalonien befasst. Der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, hat sich gestern in Straßburg erneut ohne wenn und aber auf die Seite der Madrider Zentralregierung geschlagen. In Katalonien habe man die Gesetze einzuhalten, denn nur die Gesetze trennen die Minderheit vor der möglichen Repression durch die Mehrheit, erklärte der EU-Kommissar. 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisierte die Äußerung des Kommissars scharf: „Dieser Verweis ist ein erneuter Schlag ins Gesicht der über 800 Verletzten nach den brutalen Polizeieinsätzen in Katalonien. Damit hat die EU nicht nur in Katalonien, sondern auch in anderen Regionen sowie im Kreise der Minderheiten Europas viele Sympathien verspielt. 

Die Entwicklung in Katalonien und die kompromisslose Positionierung der Europäischen Union auf Seiten der Regierung in Spanien, hat die Minderheiten in Europa aufgeschreckt. Rund 50 Millionen Menschen in der EU gehören einer autochthonen Minderheit an. Die meisten dieser Minderheiten – wie die Sorben in der Lausitz, die Friesen in den Niederlanden, die Ungarn in Rumänien oder die Türken in Griechenland – denken nicht an Selbstständigkeit. Doch viele dieser Gruppen sahen bislang in der EU einen Verbündeten, in den oft komplizierten Verhältnissen gegenüber ihrer Staaten und als Unterstützer ihrer Bestrebungen, die eigene Sprache und Kultur zu bewahren. 

Dieses Vertrauen und die überwiegende pro-europäische Haltung in den Minderheitenregionen ist tief erschüttert. „Die Europäische Kommission spricht davon, ein Europa der Bürger bauen zu wollen, doch die Reaktion auf die Ereignisse in Katalonien sind eine bittere Enttäuschung für alle diejenigen, die sich für ein Europa der Bürger, eine Europa der Regionen und ein Europa der Minderheiten einsetzen.  

Eine große Chance wurde vertan, den Bürgern in Europa zu zeigen, dass die Europäische Union sich um ihre Belange kümmert und versucht zu vermitteln. Eines ist ganz deutlich aus den Reaktionen der Mitgliedsstaaten und der EU-Institutionen abzulesen: Die EU ist eine Organisation der Staaten und nicht eine Gemeinschaft der Europäer oder gar der Regionen bzw. Minderheiten. Die Macht des Nationalstaates soll unter allen Umständen gewahrt bleiben, kostete es was es wolle. Das treibt jedoch die Vertreter der Minderheiten und Regionen immer weiter von ihrem mehrheitlich pro-europäischen Kurs, direkt in die Arme von Nationalisten und politischen Extremisten.“
 

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