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Trouble im Paradies: Die reichen Betrüger gehören an den Pranger

Trouble im Paradies: Die reichen Betrüger gehören an den Pranger

Trouble im Paradies: Die reichen Betrüger gehören an den Pranger

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Foto: dpa

Die „Paradise Papers“ belegen erneut, wie Reiche und internationale Firmen Steuern hinterziehen. Es kann nicht angehen, dass es eine „Schattenwelt der Superreichen“ gibt, die sich eines organisierten Systems des Betruges bedient. Dänemark muss sich auch in der EU dafür einsetzen, dass diese Schlupflöcher geschlossen und Täter bestraft werden, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Die Enthüllungen, die am Sonntagabend unter dem Schlagwort „Paradise Papers“ weltweit zeitgleich veröffentlicht wurden, sind eine Sternstunde des Journalismus. Der Skandal der organisierten Steuerhinterziehung wurde nach einjähriger Recherche veröffentlicht und fußt auf rund 1,4 Terabyte Daten. Die Daten enthüllen eine Schattenwelt von enormen Ausmaßen. Hier tummeln sich die Superreichen sowie global agierenden Konzerne, die mit krimineller Energie Steuern hinterziehen. Wer die Daten weitergereicht hat, bleibt auch aus Sicherheitsgründen geheim. Zu den Medien, die die „Paradise Papers“ veröffentlicht haben, gehören unter anderem die New York Times, der Guardian, die BBC, Le Monde. Insgesamt arbeiteten mehr als 380 Journalisten von 96 Medien aus 67 Ländern mit. Die Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung, die auch an der investigativen Glanzleistung beteiligt war, liest sich wie ein Krimi. Gleichzeitig macht die Lektüre auch grenzenlos wütend.

Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: „Weltkonzerne und Superreiche entledigen sich auf dreiste Weise ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. In den Steueroasen dieser Welt sind irdische Zwänge wie aufgehoben.“ Weiter hält die Zeitung fest: „Die Dokumente belegen, dass Konzerne wie Nike, Apple, Uber oder Facebook ihre Steuern auf lächerlich geringe Sätze schrumpfen lassen, sie offenbaren Anlagen der britischen Königin, des Rockstars Bono oder von Stephen Bronfman, dem Spendensammler des kanadischen Premiers Justin Trudeau, in Steueroasen. Sie dokumentieren, wie sehr die politischen Eliten diese verschwiegene Welt nutzen: Mehr als 120 Politiker aus beinahe 50 Ländern sind auf die eine oder andere Art involviert.“

Hätte ich das alles in einem Krimi gelesen, dann hätte ich diesen sicher nach einigen Seiten als unrealistisch und übertrieben weggelegt. Doch die Wirklichkeit ist erschreckender als jeder Roman.

In Dänemark wird – wenn die Datenflut nach und nach ausgewertet worden ist – auch nach Tätern gesucht werden. Es heißt, dass  sich 140  dänische Staatsbürger unter den Steuerhinterziehern befinden, ohne dass derzeit Namen bekannt wären. Die Enthüllungen sind derart gravierend, dass der Druck auf die Regierungen in Europa wachsen wird. Es kann nicht angehen, dass es eine „Schattenwelt der Superreichen“ gibt, die sich eines organisierten Systems des Betruges bedient. Dänemark muss sich auch in der EU dafür einsetzen, dass diese Schlupflöcher geschlossen und Täter bestraft werden. 

Das Vertrauen der Bürger in die Politik schwindet. Wer die Berichte über die Steuerflucht der Multimillionäre liest und die ausgeklügelten Machenschaften nachvollzieht, kann nur volles Verständnis für die Verärgerung der Bevölkerung haben. Da sollte sich niemand wundern, wenn der „normale Bürger“ sich frustriert und angeekelt von der Politik abwendet und von „Elitenverdrossenheit“ die Rede ist. Es muss deutlich unterstrichen werden, dass sich unter den Tätern keine Normal- oder Gutverdiener befinden, es ist allein ein kriminelles System der Reichen und Superreichen aufgedeckt worden. 

Nun ist die Stunde der Politik gekommen, will man den wachsenden Ärger und die damit einhergehende Politikverdrossenheit wirklich bekämpfen: Der Sumpf muss trockengelegt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass der Schrei aus dem Paradies, der finale Weckruf war und dass nun international, europäisch und national gehandelt wird.

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