Leitartikel

Haushalt oder Visionen

Haushalt oder Visionen

Haushalt oder Visionen

Apenrade/Aabenraa
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Foto: JydskeVestkysten

Am Freitag und Sonnabend trifft sich die deutsche Minderheit, um über ihren Haushalt zu sprechen. Da es eine eine Umverteilung geben wird, könnten es zähe Verhandlungen werden, doch Chefredakteur Gwyn Nissen ist optimistisch.

Vertreter der deutschen Minderheit in Nordschleswig treffen sich Freitag und Sonnabend in der Nordsee Akademie in Leck, um die finanziellen Weichen für die kommenden Jahre zu stellen. Dabei geht es nicht um die übliche Fortschreibung der jetzigen Haushalte, sondern es wird eine Umverteilung geben. Das heißt auf gut Deutsch: Einige Verbände müssen Geld abgeben, damit andere mehr Geld bekommen können.

Damit ist eigentlich Ärger programmiert, denn niemand gibt gerne etwas ab – und jeder nimmt gerne mehr finanzielle Mittel entgegen.
Daher wird der persönliche sowie der verbandsinterne Zugang zu den Haushaltsverhandlungen entscheidend sein: Sollten elf Verbände und Organisationen allein mit dem Ziel nach Leck kommen, ihren Haushalt zu verteidigen oder in Zukunft gar finanziell besser dazustehen, dann werden es zähe Verhandlungen.

Dabei geht es am Wochenende gar nicht um den einzelnen Verbandshaushalt. Es geht darum, was der Minderheit am besten dient.

Das ist möglicherweise auch das Problem des Haushaltsseminars, denn es ist eben „nur“ ein Treffen, in dem es um den Haushalt geht und kein Seminar, bei dem neue Visionen und Ziele für die Minderheit aufgestellt werden sollen. Dabei gehören Ziele und Gelder eng zusammen, aber diese am Sonnabend in einer dreistündigen Aussprache zusammenzukriegen, kann sich als eine zu große Herausforderung erweisen.

Auf der anderen Seite kann man das Haushaltsseminar des BDN  aber auch als die logische nächste Phase eines längeren Prozesses betrachten: Seit 2015 arbeiten die Verbände und Organisationen mit einer Festbetragsfinanzierung. Heißt so viel wie: Jeder Verband erhält einen festen Betrag und muss damit auskommen. Wer ein Minus macht, nimmt das Defizit mit ins nächste Haushaltsjahr und muss es dort ausgleichen. Vor 2015 wurden Defizite in den einzelnen Verbänden am Ende des Jahres oft ausgeglichen, wenn es anderswo einen Überschuss gab.

Die neuartige Finanzierung – so sind sich alle Verbände einig – hat klare Vorteile, und so richtig unzufrieden ist niemand damit. Die Frage ist aber, ob 2015 das richtige Niveau für den einzelnen Verband gefunden wurde, und daher müssen diese Beträge jetzt gegebenenfalls justiert werden. Hinzu kommt, dass in der Zwischenzeit auch neuer Bedarf, beziehungsweise Wünsche entstanden sind, die ebenfalls abgedeckt werden müssen. Das werden möglicherweise schwierige Verhandlungen.

Allerdings stimmt es positiv, dass sich die Minderheit als Solidargemeinschaft sieht. In den vergangenen Jahren sind einige Verbände zwischenzeitlich ins Straucheln geraten, aber niemand ist hängen gelassen worden. Außerdem ist das gegenseitige Vertrauen in der deutschen Minderheit auf einem wesentlich höheren Niveau, als es zum Beispiel in der dänischen Minderheit südlich der Grenze der Fall zu sein scheint. Das ist eine gute Grundlage, um gemeinsam einen finanziellen Haushalt aufzustellen.

Danach muss sich die Minderheit aber auch die Zeit nehmen, den Blick noch weiter nach vorn zu richten. Nach 100 Jahren deutsche Minderheit in Nordschleswig in 2020 muss die große Frage in Angriff genommen werden: Wo wollen wir mit der Minderheit in den nächsten 100 Jahren eigentlich hin? Ein Haushalt kann nicht alleine stehen.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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