Geschichte

Nach 1945: Identitätswandel durch das Schulsystem der Minderheit

Nach 1945: Identitätswandel durch das Schulsystem der Minderheit

Nach 1945: Identitätswandel durch das Schulsystem der Minderheit

Jon Thulstrup
Jon Thulstrup
Apenrade/Aabenraa
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Ein altes Klassenfoto aus der Deutschen Schule Osterhoist. Foto: Archivbild: DN

„Wir bleiben was wir sind“. So lautet der Titel eines Artikels zur Identität der Minderheit von Hans Schmidt-Gorsblock im Volkskalender 1954. Minderheitenforscher Tobias Wung-Sung hat die Frage gestellt, wie diese Identitätsfrage durch das Schulsystem herausgefordert wurde.

Tobias Wung-Sung, Forscher am Gesellschaftswissenschaftlichen Institut der Süddänischen Universität, hat zusammen mit anderem Forschern ein neues Buch über Grenzland- und Jugendstudien auf den Markt gebracht. In seinem Beitrag beschäftigt sich Wung-Sung mit dem Identitätenwandel der Jugendlichen in der Deutschen Minderheit von 1945 bis 1970 – insbesondere damit, welchen Einfluss die deutschen Schulen in Nordschleswig gehabt haben.

Wung-Sung untersuchte vor allem die Inhalte des Volkskalenders und führte Gespräche mit Schülern aus der Nachkriegszeit.

„Wir bleiben, was wir sind“

Hans Schmidt-Gorsblok formulierte im Volkskalender 1954 den Artikel „Wir bleiben, was wir sind“ als Gegenreaktion auf die zum damaligen Zeitpunkt fallenden Mitgliedszahlen in der Deutschen Minderheit.

„In meinem Artikel möchte ich zeigen, wie die Aussage Schmidt-Gorsbloks im Laufe der Jahre von Innen aus der Minderheit herausgefordert wurde – insbesondere durch das Schulsystem“, so Wung-Sung.

Die neugegründeten Deutschen Schulen hatten nach 1945 plötzlich eine Doppelfunktion bekommen. Neu war, dass sie ihre Schüler auch in dänischer Sprache und Kultur unterrichteten, was die Schüler bisher von zu Hause nicht kannten, so Wung-Sung. Die Schulen sorgten neuerdings für eine Basis, wo die Schüler sich in beiden Sprachen und Kulturen bewegen konnten – was eine der Hauptursachen der Identitätstransformierung sei. „Das zeigt uns, dass das Schulsystem die Identitäten der Kinder und Jugendlichen entscheidend beeinflussen kann“, erklärt Wung-Sung. „Wir bleiben was wir sind“, wurde demnach nicht von außen, sondern von innen aus der Minderheit herausgefordert.

Sønderjysk

Auf die Frage, ob der regionale Dialekt einen Einfluss auf die Identität gehabt habe, antwortet Wung-Sung: „Dass die Minderheit und speziell die Schleswigsche Partei bei den Kommunalwahlen sich auch zur regionalen Sprache und Tradition bekennt, ist ein relativ neues Phänomen. Obwohl Sønderjysk in vielen Familien in der Zeit zwischen ´45 und ´70 gesprochen wurde, hat es nie als ein positives Identitätszeichen gegolten.“ Wung Sung verweist hier auf sein Quellenmaterial, in dem Sønderjysk nicht positiv bewertet wird.

„Laut Quellen sollen Nachschüler, die beim Dänisch- oder Sønderjysksprechen erwischt wurden, mit einer ‚Bleibewochenende´ auf der Schule von ihrem damaligen Leiter Paul Koopmann ‚bestraft´ worden sein“, so Wung-Sung. Ihm zufolge sollte die Minderheit zum damaligen Zeitpunkt ihre Identität beweisen. Sie sollte zeigen, dass sie deutsch war.

 

Foto: Venken

Das Buch heißt „Borderland Studies Meets Child Studies“ ist in englischer Sprache geschrieben worden und kann, weil durch Forschungsgelder finanziert, kostenlos online unter machteldvenken.com heruntergeladen werden.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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