Deutscher Tag
Botschafter: „Es ist ein Privileg, mit zwei Kulturen aufzuwachsen“
Botschafter: „Es ist ein Privileg, mit zwei Kulturen aufzuwachsen“
Botschafter: „Privileg, mit zwei Kulturen aufzuwachsen“
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Der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Pascal Hector, lernt gerade Dänemark kennen. Sonnabend spricht er beim Deutschen Tag der Minderheit in Nordschleswig.
Herr Botschafter, wie sind Sie in Dänemark angekommen?
Ich bin Ende Juli aus Paris angekommen und habe mich inzwischen sehr gut eingelebt. Durch eine ganze Reihe von Reisen durfte ich schon erste Eindrücke von Dänemark sammeln. Auch im schönen Nordschleswig war ich bereits: zum beeindruckenden Knivsbergfest der deutschen Minderheit und zu einer Diskussionsveranstaltung auf Schloss Schackenborg bei Tondern. Zum Deutschen Tag bin ich dann erneut im Grenzland.
Meine Frau und ich haben auch die Herbstferien genutzt, um das Land besser kennenzulernen. Wir haben eine kleine Reise nach Südfünen, Lolland und Aarhus gemacht und viele Eindrücke gesammelt. Es gibt zum Beispiel wunderschöne alte Herrenhäuser, die heute zu Hotels oder Gasthöfen umgebaut und mit guter Küche ausgestattet sind – was ich als Saarländer natürlich sehr zu schätzen weiß.
Ein Lieblingsort in Kopenhagen
Haben Sie auch schon einen Lieblingsort in Kopenhagen?
Für einen Lieblingsort muss ich die Stadt noch besser kennenlernen. Aber Refshaleøen gefällt mir und meiner Familie schon sehr gut. Dort spiegelt sich das historische und das moderne Kopenhagen wider. Man kann sowohl Schloss Amalienborg, Kastellet sowie Holmen sehen, und der Ort ist ein Zeugnis der stolzen dänischen Seefahrt-Traditionen. Vor allem steht Refshaleøen aber auch für das moderne Kopenhagen von heute, das für so viele Menschen aus Europa und der Welt ein Anziehungsort ist.
Einen Ort, den ich besonders beeindruckend finde, ist auch die St. Petri Kirche im Zentrum der Stadt. Dort zeigt sich die Jahrhunderte alte Verbundenheit zwischen Dänemark und dem deutschsprachigen Raum, die bis in die Zeit von Christian III. zurückgeht. Das ist ein sehr stimmungsvoller Ort, der mir sehr gut gefällt.
Als Saarländer sind Sie nach dem Saarland und Paris praktisch im Herzen der globalen Gastronomie gelandet – in Kopenhagen.
Ja, hier gibt es zwei der drei besten Restaurants der Welt. Aber diese befinden sich in einer Kategorie, die auch für Botschafter ganz bestimmt nicht zum Alltag gehören. Aber darüber hinaus habe ich schon die gute dänische Küche in Kopenhagen und außerhalb der Hauptstadt erlebt. Sowohl in ihren modernen, neu-nordischen Zuschnitten, aber auch Klassiker wie Stegt Flæsk und Smørrebrød.
Eindrucksvolle Museen
Hat Sie bei der Begegnung mit Dänemark und den Dänen etwas überrascht?
Ich hatte keine vorgefasste Meinung und bin mit Offenheit und Interesse hergekommen und freue mich, das Land jetzt kennenlernen zu dürfen. Dänemark hat mich schon sehr beeindruckt: Das Moderne ist mit einer reichhaltigen Tradition und Geschichte eng verbunden. Die Brücke über den Großen Belt fasziniert mich immer wieder. Die vielen schönen Museen‚ zum Beispiel das Statens Museum for Kunst, das Aros in Aarhus, das Museum für Seefahrt in Helsingør, das Fuglsang Museum oder das Schloss Rosenborg und nicht zuletzt das Jernbanemuseum in Odense machen deutlich, wie reichhaltig die dänische Geschichte und Kultur ist – die übrigens mit Deutschland eng verbunden ist.
Vor wenigen Wochen habe ich die Baustelle des geplanten Flüchtlingsmuseums Flugt in Oksbøl besucht. Dort wird ab dem Sommer 2022 die Geschichte der deutschen Weltkriegsflüchtlinge, bis zu 250.000 Menschen, die in den Nachkriegsjahren nach Dänemark kamen, erzählt.
Das Museum wird aber auch aktuelle Themen und Herausforderungen des Themas Flucht und Migration aufgreifen und behandeln. Deutschland fördert das Projekt mit fast 11 Millionen Kronen, und Flugt ist ein hervorragendes Beispiel für die enge kulturelle Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern.
Der Höhepunkt meiner bisherigen Monate in Dänemark war natürlich, als ich Ihrer Majestät der Königin mein Beglaubigungsschreiben überreichen durfte. Das war ein sehr eindrucksvolles Erlebnis. Die Königin ist, wenn ich das sagen darf, eine sehr beeindruckende Persönlichkeit – nicht nur ihres Amtes wegen, sondern auch als Mensch und wegen ihrer vielfältigen künstlerischen Interessen.
Wir haben uns unter anderem über den bevorstehenden Staatsbesuch der Königin in Deutschland unterhalten. Meine Frau und ich werden dabei sein, wenn sie vom 10. bis 13. November Berlin und München besucht.
Sind Sie auch schlauer darüber geworden, wie die Dänen ticken?
Dafür kenne ich das Land und die Leute noch zu wenig. Ich erlebe die Menschen aber als gastfreundlich, offen und sehr interessiert – auch an Deutschland. Das große Vertrauen der Bürger in ihren Staat, und der berühmte „samfundssind“ sind wirklich bemerkenswert.
Ich freue mich sehr, die Dänen in den kommenden Jahren noch besser kennenlernen zu dürfen.
Zu Besuch bei der Minderheit
Die deutsche Minderheit in Nordschleswig haben Sie auch schon kennengelernt?
Ja, ich hatte bereits in den ersten Tagen ein ausführliches Telefongespräch mit dem Vorsitzenden Hinrich Jürgensen. Die Botschaft ist sich bewusst, was für die Minderheit wichtig ist. Wir wissen auch, dass die Minderheit hervorragend aufgestellt ist und sehr professionell arbeitet. Es geht ihr in vielen Punkten gut. Die Minderheit hat entscheidend dazu beigetragen, nach den schwierigen Jahren zu Beginn der 50er und in den Jahrzehnten danach zu einem positiven Miteinander und schließlich sogar Füreinander im Grenzland zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Zusammenleben durch die Aufnahme in das Register des UNESCO-Welterbes anerkannt wird. Hier warten wir gespannt auf den Dezember. Das würde einen weiteren kräftigen Schub geben und kann zu neuen Initiativen genutzt werden.
Die deutsche Minderheit ist für unsere Arbeit sehr wichtig und ist eines der Schwerpunktthemen der Botschaft. Wir haben durch den Gesandten Joachim Bleicker als Beauftagten für die Minderheit einen sehr engen Kontakt, aber natürlich verfolge ich als Botschafter die Angelegenheiten der Minderheit ebenfalls mit größtem Interesse.
Ich finde es bemerkenswert, dass die deutschen Nordschleswiger ihre Identität so selbstbewusst und gleichzeitig so kooperativ vertreten. Nicht im Geiste einer Abschottung und Abgrenzung vom dänischen Nachbarn, sondern als Teil der Gesamtgesellschaft und immer offen für Zusammenarbeit. Dass ein enger Austausch der Minderheiten untereinander stattfindet, finde ich ebenfalls als sehr positiv. Der Empfang im Folketing bei der Ankunft des Team Grænzland im August hat dies ganz deutlich gemacht.
Deutsch-dänische Möglichkeiten
Ein drittes Standbein neben der Kultur und der Minderheit ist die Wirtschaft. Wie sehen Sie die Chancen und Möglichkeiten, die Wirtschaftsinteressen zwischen Dänemark und Deutschland noch weiter anzukurbeln?
Dänemark ist ja schon jetzt ein wichtiger Partner für Deutschland. Deutschland exportiert praktisch so viel nach Dänemark wie nach Japan, das immerhin zwanzigmal so viele Einwohner hat. Aber natürlich gibt es noch ein erhebliches weiteres Potenzial. Ich denke, besonders im Bereich der Energie herrschen große Möglichkeiten. Ich habe in Herning ein Unternehmen besucht, das Tankstellen für Wasserstoff herstellt – das hat vor allem beim Schwerlast- und Nutzverkehr Potenzial.
Aber das ist nur ein Beispiel. Ein anderes ist die Planung von Energieinseln in der Nordsee und vor Bornholm. Es gibt in der Energiewende viele Bereiche, in denen wir gemeinsame Interessen haben. Deutschland ist ein Energieimporteur, Dänemark perspektivisch ein Stromexporteur, hier gibt es ungeahnte Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Das gilt auch für die Digitalisierung. Das ist ein wichtiger Aspekt, bei dem sich in Deutschland in nächster Zeit viel tun wird.
Das Kennenlernen der verschiedenen Bereiche, bei denen Dänemark sehr weit fortgeschritten ist, bereitet mir große Freude. Eines der Privilegien meines Berufes ist, dass ich ein Land aus einer ganz anderen als der touristischen Perspektive kennenlernen darf.
Welche Rolle spielt die Botschaft bei den deutsch-dänischen Wirtschaftsinteressen?
Als Botschaft beobachten wir die wirtschaftliche Entwicklung auf das Engste und sind Ansprechpartner für wirtschaftspolitische Fragen. Wir stellen Kontakte zwischen deutschen und dänischen Interessenten her und betreuen zum Beispiel viele wirtschaftspolitische Delegationen.
Außerdem unterstützen wir die wichtige Arbeit der Außenhandelskammer, die es seit fast drei Jahrzehnten in Kopenhagen gibt und die hervorragend vernetzt und ganz konkret beratend tätig ist. Zum Beispiel bei den Themen Import, Export oder Steuerrecht.
Enge Freundschaft
Wenden wir uns noch einmal der Kultur zu. Wie geht es mit der deutsch-dänischen Freundschaftserklärung weiter?
Die deutsch-dänische Freundschaftserklärung unserer beiden Außenminister vom März dieses Jahres ist eine hervorragende Grundlage, unsere Beziehungen weiter zu intensivieren, noch vorhandene Probleme zu lösen und gleichzeitig auch neue Felder der Zusammenarbeit zu erschließen. Die Erklärung betrifft alle Felder der Zusammenarbeit, von Kultur und Bildung über Politik und Wirtschaft bis hin zum Umweltschutz.
Hier befinden wir uns im Austausch mit unseren dänischen Partnern sowie mit Berlin und Kiel, um konkrete Projekte folgen zu lassen.
Das deutsch-dänische kulturelle Freundschaftsjahr wurde – wie so vieles – stark durch Corona beeinträchtigt. Trotz aller Herausforderungen gibt es dabei aber auch positive Aspekte. So gab es in diesem Jahr noch Kulturprojekte des Freundschaftsjahres, und auch 2022 wird es vereinzelte Veranstaltungen unter dem Schirm des Jahres geben. Aus einem Freundschaftsjahr wurden so drei Jahre.
Ich komme aus dem Saarland, aus dem deutsch-französischen Grenzgebiet. Daher ist diese Grenzlanderfahrung etwas, mit dem ich aufgewachsen bin – und das mir sehr helfen wird in Dänemark. Ich habe selber das Deutsch-Französische Gymnasium in Saarbrücken besucht und habe diese doppelte Spracherfahrung. In zwei Sprachen zu Hause sein – das kann ich sehr gut nachvollziehen.
Nachbarsprache ist wichtig
Was bedeutet die Zweisprachigkeit für ein Grenzland?
Ich denke, man kann so wirklich in zwei Kulturen zu Hause sein. Außerdem führt es ein Verständnis mit sich, dass jenseits der eigenen auch noch zahlreiche andere Kulturen existieren.
Ich empfinde es persönlich als großes Privileg, so aufgewachsen zu sein. Grenzlandwahrnehmung sehe ich sehr positiv, sie weitet – anders als der Begriff es vielleicht erscheinen lässt – die Perspektive und die Sichtweise.
Wir haben im Saarland ähnliche Erfahrungen wie Sie im deutsch-dänischen Grenzland. Es ist nach dem Zweiten Weltkrieg zur Aussöhnung gekommen – vom Gegeneinander, über das Miteinander zum Füreinander.
Botschafter: Jeg elsker Matador
Wie wichtig ist beim Kennenlernen eines Landes die Sprache?
Das ist sehr wichtig. Sprache ist der Schlüssel zu einem Land und seiner Kultur. Daher bemühe ich mich auch, Dänisch zu lernen. Es wird einige Zeit dauern, aber es ist mein Ziel. Bislang kann ich die Sprache relativ gut lesen und die Aussage von zum Beispiel Zeitungsartikeln erfassen, auch wenn mir natürlich noch einige Details entgehen. Es ist enorm wichtig, um ein Land zu verstehen, dass man die Zeitung lesen, das Radio hören und verstehen kann – perspektivisch. Aber so weit bin ich noch nicht ganz. Ich höre jeden Morgen DR P1 – ich verstehe nicht alles, aber immer mehr.
Ein Weg, Dänisch zu lernen ist auch die reichhaltige dänische Filmkultur. Matador gehört zu meinen absoluten Lieblingsserien – jeg elsker Matador. Auch Borgen habe ich mit größtem Vergnügen gesehen, aber Matador eignet sich besser zum Erlernen der dänischen Sprache.
Die Sprache eines Nachbarlandes hat natürlich eine besondere Stellung. Das Saarland hat zum Beispiel das Ziel, dass bis zum Jahre 2043 – eine Generation nach Beginn des Projekts – Französisch als zweite Verkehrssprache im Land etabliert wird. Jeder Einwohner im Saarland soll dann möglichst auch in Französisch kommunizieren können. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Die Arbeit daran hat 2013, anlässlich des 50. Jahrestages des Elysee-Vertrages, begonnen.
Es beschäftigt die Botschaft selbstverständlich, dass immer weniger Dänen Deutsch können, auch wenn die grundlegenden Fähigkeiten noch vorhanden sind. Ich höre hier oft von Leuten, dass ihr Deutsch eingerostet sei. Wir setzen uns stark dafür ein, den Mehrwert von Mehrsprachigkeit – also auch über Englisch hinaus – hervorzuheben.
Gute Deutschkenntnisse sind ein echter Wettbewerbsvorteil und nützen daher in erster Linie den Sprechern selbst. Die Frankreich-Strategie des Saarlandes gibt es auch nicht, weil Frankreich etwas Gutes getan werden soll, sondern um jungen Saarländerinnen und Saarländern den besten Start ins Leben zu geben, einen Wettbewerbsvorteil im Berufsleben.
Auch in Dänemark ist es wichtig, dass junge Menschen in relativ hoher Zahl arbeitsfähiges Deutsch können. Nicht statt Englisch, sondern neben Englisch und Dänisch.
Kämpfen für offene Grenzen
Die offenen Grenzen hatten es während der Corona-Zeit schwer…
Die geschlossenen Grenzen waren eine schwierige Erfahrung, die alle Grenzregionen gemacht haben – im Saarland war das nicht anders. Das habe ich in meinem Amt als Gesandter an der Botschaft in Paris erleben müssen.
Ich glaube aber auch, dass es einen positiven Aspekt gibt: ein erstarktes Bewusstsein dafür, dass wir für offene Grenzen arbeiten und eintreten müssen. Wir dürfen sie nicht als selbstverständlich betrachten, sondern müssen den Wert dieser europäischen Errungenschaft immer wieder hervorheben und dafür einstehen.
Die grenzüberschreitende Arbeit ist mir persönlich wichtig, und eines meiner Projekte wird sein, Leute zusammenzubringen – aus Schleswig-Holstein, der deutsch-dänischen Grenzregion, aus dem Saarland – um voneinander zu lernen. Ich möchte gern einen Erfahrungsaustausch über die Zusammenarbeit in Grenzregionen – sozusagen ein Best Practice, bei dem man sich gegenseitig inspirieren kann.
Und wichtig ist mir vor allem auch die europäische Perspektive: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir, die Menschen in Europa, unsere Werte und Interessen in der rauen Welt des 21. Jahrhunderts nur dann wirksam werden verteidigen können, wenn wir das gemeinsam, über die Europäische Union machen.
Botschafter Pascal Hector besucht die deutsche Minderheit in Nordschleswig am Sonnabend, 6. November, zum Deutschen Tag, wo auch er ein Grußwort an die Minderheit richten wird.