Leitartikel

„Gefährliches Halbwissen“

Gefährliches Halbwissen

Gefährliches Halbwissen

Apenrade/Aabenraa
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Eine Meinung zu haben, ist gut. Warum es aber oft besser ist, sich erst eine Meinung zu bilden, bevor man diese kundtut, verrät Journalistin Kerrin Jens in einem Leitartikel über Eilmeldungen und Small Talk.

Es ist noch gar nicht lange her, da haben sich die Gespräche auf dem Weg zur Arbeit, in der Mittagspause oder nach Feierabend um die Corona-Pandemie gedreht. Sätze wie „Bist du schon geboostert?“, „Eine Inzidenz von über 2.000 ist gar nicht so schlimm, solange die Hospitalisierungsrate niedrig bleibt“ oder „Ich kann durch die OP-Maske viel besser atmen als durch die FFP2-Maske“, sind uns so leicht über die Lippen gegangen wie ein Gespräch über das Wetter.

Mittlerweile ist die Pandemie – zumindest in Dänemark – kein Thema mehr. Stattdessen werden wir mit Kriegsbildern, Eilmeldungen und Sondersendungen überflutet. Das führt dazu, dass sich der Small Talk mit der Nachbarin, dem Kollegen oder an der Supermarktkasse in eine absurde Richtung entwickelt hat.

Innerhalb von vier Wochen sind viele Menschen von selbsternannten Corona-Fachleuten zu Kriegsexpertinnen und -experten geworden. „Denkt ihr, die Nato sollte eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten?“, „Ist es okay, dass Deutschland 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgibt?“ oder „Fährst du auf der Autobahn auch nur noch 110, um Putin weniger zu finanzieren?“ – Das Problem bei diesen Fragen ist, dass viele Menschen dazu eine Antwort parat haben. Eine Antwort, die sich (manchmal) aus gefährlichem Halbwissen zusammensetzt – gebildet aus Eilmeldungen und Social-Media-Posts.

Wir können den Krieg in der Ukraine nahezu in Echtzeit mitverfolgen, und das ist die Schwierigkeit. Sobald wir uns über einen Aspekt informiert haben, gibt es schon eine neue Entwicklung. Deshalb bieten die meisten Medien Nachrichtenticker, Fernsehsendungen in 100 Sekunden oder kurze Zusammenfassungen an, um ihre Nutzerinnen und Nutzer auf dem Laufenden zu halten. Doch bei solchen Formaten ist es unmöglich, in die Tiefe zu gehen und alle Blickwinkel zu beleuchten.

Ein 100-Sekunden-Video reicht nicht aus, um sich über die Komplexität des Krieges zu informieren, dazu ist es auch nicht gedacht, aber ebenso wenig dient es als Wissensgrundlage. Wer sich eine fundierte Meinung zu einem bestimmten Thema bilden will, sollte Hintergrundberichte, Analysen und Reportagen von seriösen Medien lesen. Erst dann ist es angebracht, über Flugverbotszonen, Aufrüstung und Gaslieferungen zu diskutieren.

Bis dahin ist es vollkommen in Ordnung, auch mal zuzugeben, dass man auf eine Frage keine Antwort weiß oder sich zu diesem Thema noch nicht gut genug informiert fühlt, um dazu eine Meinung abzugeben.

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