Arktis

Was der deutsche Botschafter in Grönland über den Klimawandel gelernt hat

Was der deutsche Botschafter in Grönland über den Klimawandel gelernt hat

Pascal Hector hat in Grönland Klimawandel direkt erlebt

Kopenhagen/Ilulissat
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Pascal Hector am Kangia-Eisfjord bei Ilulissat Foto: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

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Im grönländischen Ilulissat kann man den Treibhauseffekt direkt erleben. Für Pascal Hector war das Erlebnis eine Mahnung, resolut und entschieden zu handeln.

Der Kangia-Fjord bei Ilulissat: Riesige Eisberge liegen hier dicht an dicht, erwecken fast den Eindruck, sie würden eine geschlossene Eisdecke bilden. Der Fjord ist an der Mündung „nur“ 200 Meter tief, daher stoßen die Eisberge hier auf Grund.

Wenn sie ausreichend geschmolzen sind, oder der Druck von den Eisbergen „von hinten“ groß genug wird, überwinden sie die Schwelle und schwimmen in die Discobay hinaus. Strömungen tragen sie auf die Weltmeere; einer der Riesen von hier soll der Titanic zum Verhängnis geworden sein.
 

Gletscher zieht sich zurück

Doch nicht nur dieses Naturschauspiel kann man hier bestaunen, auch der Einfluss, den der Mensch auf die Natur hat, lässt sich beobachten. Daher hat auch der deutsche Botschafter in Dänemark, Pascal Hector, bei seiner Reise nach Grönland Ilulissat besucht.

„Eine ganz wichtige Sache liegt mir am Herzen, und das ist der Klimawandel. Das war das Hauptthema, als wir in Ilulissat waren“, sagt er dem „Nordschleswiger“.

Der Gletscher, der die Eisberge kalbt, hat sich von 1850 bis 1950 allmählich um 26 Kilometer zurückgezogen. Das belegen Daten des Geologischen Instituts für Dänemark und Grönland (GEUS). Dann war er 50 Jahre lang stabil. Doch in den Jahren 2002 und 2003 ereignete sich Dramatisches: Die Gletscherfront zog sich plötzlich und in der kurzen Zeit um weitere 12 Kilometer zurück. Seither ist der Gletscher noch weiter geschwunden. Ein Modell in einem Besuchszentrum in Ilulissat demonstriert diese Entwicklung.

„Man sieht daran deutlich, wie schnell es geht. Innerhalb von wenigen Jahren ist es gekippt. Der Gletscher, von dem die Eisberge abbrechen, zieht sich immer weiter zurück. Das wird im Eisfjord-Center sehr anschaulich dargestellt“, weiß Hector zu berichten.

Die Illustration zeigt, wie sich der Gletscher zurückgezogen hat. Foto: GEUS

Klimawandel hautnah erleben

Die Menschen in Ilulissat, von denen viele vom Fischfang leben, bekommen die Erderwärmung hautnah mit. Denn nicht nur der Gletscher verhält sich anders, auch zu See erleben sie, wie sich das Klima ändert.

„Man merkt vor Ort, was Klimawandel bedeutet und wie schnell er voranschreitet. Das Meer der Disco Bay war bis vor wenigen Jahren im Winter so zugefroren, dass man mit Schneemobilen oder Autos darauf fahren konnte. Jetzt ist es in den vergangenen Jahren immer eisfrei gewesen“, so der deutsche Botschafter.

Die Disco Bay: Bis vor wenigen Jahren war sie jeden Winter fest zugefroren. Das war zum Beispiel 2016 nicht der Fall, wie diese Aufnahme von Ende März zeigt. Foto: Walter Turnowsky

Für Pascal Hector war das Wissen um den Treibhauseffekt nicht neu. Doch es ist das eine, nur über ihn zu lesen, und es ist etwas anderes, wenn man ihn hautnah mitbekommt.

„Wenn man die Bilder sieht, wie es noch vor nur 20 Jahren war, und erlebt, wie es jetzt in der Natur aussieht, ist es ein wirklich sinnliches Erlebnis, was sehr eindrücklich zeigt, wie wichtig die Aktion gegen Klimawandel ist.“ 

Die Eisberge ragen 200 bis 300 Meter unter die Meeresoberfläche. Foto: Deutsche Botschaft in Kopenhagen

Die Eiskappe schmilzt

Daten von Forscherinnen und Forschern unterstützen, was die Menschen in Ilulissat vor Ort erleben. Die grönländische Eiskappe verliert von Jahr zu Jahr Masse, die als Schmelzwasser oder in Form von Eisbergen im Meer landet. Sollte das gesamte Inlandeis schmelzen – was jedoch von den Klimamodellen nicht vorhergesagt wird, würde der Meeresspiegel weltweit um 7,4 Meter ansteigen.

„Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir etwas Wirksames und Entschiedenes gegen den Klimawandel unternehmen. Das heißt, wir müssen Maßnahmen ergreifen, die wirklich Effekt haben. In der öffentlichen Debatte konzentriert man sich häufig auf Verhaltensänderungen des Einzelnen. Das wird nicht ausreichen. Was vor allem wichtig ist, ist eine effektive Bepreisung, was in der Europäischen Union ja mit dem CO2-Preis geschieht, der relativ schnell ansteigen wird“, betont Hector.

Seit 2007 verfolgt ein Forschungsteam im Rahmen des Projekts PROMICE (Programme for Monitoring of the Greenland Ice Sheet) die Entwicklung der Eiskappe. Im Winter 1995/1996 ist zuletzt mehr Niederschlag in Form von Schnee gefallen, als im darauffolgenden Sommer wieder geschmolzen ist.

Seit 1986 sind 5.544 Gigatonnen (5.544.000.000.000 Tonnen) Eis verschwunden. Dadurch ist der Meeresspiegel weltweit um 1,55 Zentimeter angestiegen. Insgesamt wird er laut Berechnungen von GEUS um mindestens 27 Zentimeter ansteigen, selbst wenn wir den CO2-Ausstoß bereits morgen stoppen würden. Wahrscheinlicher ist, dass er um die 78 Zentimeter steigen wird.

Elektrifizierung notwendig

Botschafter Hector sieht neben der Besteuerung auch technische Maßnahmen als entscheidend an. Dazu müsse die Wirtschaft elektrifiziert werden. Dies kann entweder direkt geschehen oder durch Treibstoff, der mithilfe von erneuerbaren Energien produziert werden (Power-to-X).

„In diesem Bereich können Dänemark und Deutschland sehr eng zusammenarbeiten und sind natürliche Partner. Dänemark hat dieses ungeheure Potenzial an Windenergie, dass nach Deutschland transportiert werden kann.“

Eisberge stauen sich an der Mündung des Kangia-Fjords. Foto: Walter Turnowsky

Lagerung von Kohlenstoff

Der dänische Klimaminister Lars Aagaard (Moderate) und sein deutscher Kollege Robert Habeck (Grüne) haben im März vereinbart, eine Wasserstoff-Pipeline von Dänemark nach Deutschland zu bauen. Im April folgte dann ein Rahmenabkommen über die Speicherung von CO2 (CCS) im dänischen Untergrund. Dies erfordert jedoch in Deutschland eine Gesetzesänderung.

„Dänemark baut die CCS-Möglichkeiten derzeit aus. Wenn die Abscheidung von CO2 zur Lagerung in Deutschland zugelassen wird, ergibt sich ein enormer Markt, wo Deutschland CO2 nach Dänemark transportieren kann, damit es hier eingelagert wird“, so Pascal Hector.

Mit der CCS-Technologie ist es möglich, der Atmosphäre CO2 wieder zu entziehen. Ein Land kann also theoretisch nicht nur eine Null-Emission, sondern eine Minus-Emission erreichen.

„Der Nordschleswiger“ hat bereits am Sonnabend einen Artikel über den Grönland-Besuch des Botschafters veröffentlicht. Im Laufe der Woche wird ein weiterer erscheinen.

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