Leitartikel

„Auf Energie- und Nahrungsmittelkrise vernünftig reagieren“

Auf Energie- und Nahrungsmittelkrise vernünftig reagieren

Auf Energie- und Nahrungsmittelkrise vernünftig reagieren

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

„Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch befasst sich in seinem Leitartikel mit der aktuellen Debatte, ob in der heimischen Landwirtschaft Umweltschutzauflagen gelockert werden sollten, um angesichts der Produktionsausfälle in der vom Krieg heimgesuchten Ukraine Versorgungsengpässen vorzubeugen.

In Deutschland wie in Dänemark sind während der vergangenen Tage Stimmen zu hören, die sich angesichts der sich abzeichnenden Produktionsausfälle der Landwirtschaft in der nach dem Überfall durch russische Truppen schwer verwüsteten Ukraine für einen Kurswechsel in der heimischen Landwirtschaft starkmachen.

Es wurde gefordert, nicht nur aus der Intensivproduktion herausgenommene Flächen weiter nutzen zu können, die als Lebens- und Rückzugsräume für seltene Tiere und Pflanzen auserkoren worden sind. Hinzu kommen Vorschläge, Maßnahmen, wie die Wiedervernässung von Niederungen zu bremsen, die in Dänemark gerade als effektiver Beitrag der Agrarwirtschaft zur verminderten Freisetzung von Treibhausgasen gefördert werden.

Auch wird diskutiert, Vorschriften zu lockern, die den Einsatz von umweltbelastenden Pestiziden und Düngemitteln begrenzen. Angeblich mit dem Ziel, die heimische Produktion zu steigern, um Menschen auch in armen Ländern vor Hunger zu bewahren, die bisher vielfach Getreide aus der europäischen Kornkammer Ukraine bezogen hätten. Auf EU-Ebene sind bereits von der EU-Kommission Weichen gestellt worden, die den Mitgliedsländern weniger Naturschutz gestatten, um die Produktion steigern zu können.

Es könnte fast der Eindruck entstehen, dass ausgerechnet der Umweltschutz für Nahrungsmittelmangel verantwortlich sein könnte. Doch dabei sei daran zu erinnern, dass ganz aktuell in Ostafrika riesige Viehherden, Wildtiere wie Giraffen und Zebras, aber auch Menschen wegen dort herrschender Dürre sterben, weil in diesen Gebieten der vor allem in den reichen Ländern der Erde ausgelöste Klimawandel gnadenlos zuschlägt. Momentan gibt es noch genug Nahrungsmittel auf der Erde, doch es klappt offenbar trotzdem nicht, die in Kenia leidenden Menschen zu versorgen.

Der Vorsitzende des dänischen Agrardachverbandes Landbrug og Fødevarer, Søren Søndergaard, hat in einem Kommentar die drohenden Ernteausfälle in den berühmten ukrainischen Schwarzerdegebieten beklagt, ausgelöst durch den verbrecherischen Kriegstreiber Putin. Søndergaard schlägt deshalb vor, vorübergehend hierzulande die Agrarproduktion zu steigern. Es sollten keine fruchtbaren Böden mehr aus der Produktion herausgenommen und die Düngerquoten gelockert werden. Er regt sogar an, dass die Landwirtschaft als Energielieferant angesichts der unsicheren Lage bei der Versorgung mit Gas und Öl aus Russland einspringt.

Søndergaard hat recht, wenn er vorschlägt, die Biogasproduktion auf Basis von Gülle, Pflanzenresten oder Klärschlamm auszubauen, die im dänischen Erdgasnetz bereits einen Anteil von über 20 Prozent des Verbrauchs deckt.

Doch es darf nicht passieren, dass knappe Ackerflächen weiterhin für die Herstellung von Biotreibstoffen aus „Energiepflanzen“ verbraucht werden. Da heißt es aufpassen, genauso wie beim Ruf, gerade Natur- und Klimaschutz mal eben über die Klinge springen zu lassen, damit ein Großteil der Nutzflächen allein für Erzeugung von Futtermitteln für die gerade in Dänemark intensive Massentierhaltung weiter herhalten kann.

Es kann nicht angehen, dass Flächen, auf denen Hafer, Roggen und Weizen für Müsli, Schwarzbrot und Brötchen wachsen könnten, für Biotreibstoff blockiert wird, auf den verzichtet werden könnte, wenn beispielsweise der Ölverbrauch durch Tempolimits, Einschränkung des besonders energiefressenden Luftverkehrs und Umsetzung von Spartipps beim Heizen gesenkt werden kann.

Auch in Dänemark wird aktuell viel russisches Erdgas verbraucht, da bis 2023 die eigene Gasförderung aufgrund der Renovierung der dänischen Förderanlagen in der Nordsee fast ganz entfällt. So wie bei den Reaktionen der EU und Nato gegen die russische Aggression in der Ukraine ist auch bei der Energie- und Nahrungsmittelversorgung grenzüberschreitende Solidarität gefragt.

Das heißt auch, dass ein Land wie Dänemark seine Anstrengungen verstärken muss, die Gewinnung erneuerbarer Energie zu steigern. Durch mehr Wind- und Solarenergienutzung, Energiesparen und Weitergabe von zukunftsweisender Technik für Klimaschutz, um Unabhängigkeit von Energie aus den Händen aggressiver und menschenverachtender Potentaten wie Putin, aber auch anderen Autokraten, zu erreichen.       

Mehr lesen

VOICES - MINDERHEITEN WELTWEIT

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
„Georgiens Dilemma: Zwischen Demokratie und Autoritarismus“

Leserbeitrag

Meinung
Eric Vesterlund
„Mindeord over Claus Andersen“