Diese Woche in Kopenhagen

„Von Koranen, Fahnen – und Heinrich Heine“

Von Koranen, Fahnen – und Heinrich Heine

Von Koranen, Fahnen – und Heinrich Heine

Kopenhagen
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Die Koran-Verbrennungen haben in Dänemark erneut zu einer Diskussion über die Meinungsfreiheit geführt. Doch so manche der angeblichen Vorkämpfer für das Recht auf freie Meinungsäußerungen spielen mit gezinkten Karten, meint Kopenhagen-Korrespondent Walter Turnowsky. Selbst meint er, auch wer gegen die Freiheitsrechte ist, soll dies sagen können. 

So, jetzt wird an den Grenzen wieder genauer kontrolliert – keine drei Monate, nachdem die Kontrollen gelockert wurden. Verdanken können wir das Rasmus Paludan und anderen rechtsradikalen Spinnern, die im Laufe des Sommers in Dänemark und Schweden wiederholt vor Botschaften islamischer Staaten Korane verbrannt haben.

Einen „Dank“ können wir auch an die Extremistinnen und Extremisten von der Gegenseite schicken. Islamisten haben jetzt erneut Dänemark und auch Schweden zu einem bevorzugten Ziel für Anschläge erklärt. Und damit haben Paludan und Konsorten genau das erreicht, was sie wollten. Hasspredigende brauchen eben einander, um den Hass zu schüren.

Bücherverbrennungen für Zensur

Die Koran-Verbrenner berufen sich auf ihre Meinungsfreiheit, was schon ein wenig kurios ist, denn Bücherverbrenner (es waren meist Männer) haben sich historisch gesehen nicht gerade als Verfechter der Meinungsfreiheit hervorgetan. Zensur und die Verfolgung Andersdenkender waren und sind eher ihr Metier.

In einer Demokratie gibt es dagegen eine weitgehende, aber nicht uneingeschränkte Meinungsfreiheit. Und daher haben auch Menschen – und das sollen sie auch haben –, die gegen das Recht, sich frei zu äußern, sind, das Recht, dies zu äußern. Das ist eben der Unterschied zum Utopia dieser Menschen. 

Meinungsfreiheit auch für Nazis

In Dänemark ist der Rahmen für die Meinungsfreiheit noch weiter gefasst als in Deutschland. Das hat unter anderen der deutsche Nazi Thies Christophersen genutzt (man könnte auch sagen missbraucht). Er hat in Kollund seine Holocaust-leugnenden Schriften gedruckt, die dann in Deutschland illegal verbreitet wurden.

2017 wurde die Meinungsfreiheit in Dänemark erweitert, als die damalige Regierung den Blasphemie-Paragrafen abschaffte. Seither müssen sich auch Religionsgemeinschaften damit abfinden, im selben Maß kritisiert, karikiert und verhöhnt zu werden, wie alle anderen auch. Ich erkenne keine stichhaltigen Gründe dafür, dass das nicht so sein sollte. 

Majestätsbeleidigung: Verboten, aber toleriert

Das „wie alle anderen auch“ im obigen Satz stimmt übrigens nicht zu 100 Prozent: Bei der Königin ist die Grenze des straffreien Veräppelns. Doch ist sie bei Majestätsbeleidigung, ähnlich wie ihr Vater, nicht sonderlich empfindlich.  So konnte der am vergangenen Sonnabend verstorbene Ole Grünbaum 1970 den König einen Idioten nennen, ohne belangt zu werden. 

2010 veröffentlichte die Künstlergruppe „Surrend“ ein satirisches Plakat, das das Königshaus in einer Sexorgie zeigt, was zu Diskussionen, aber keinem Verbot führte. Man könnte im Prinzip das Verbot der Majestätsbeleidigung also auch abschaffen. (Der russische Präsident war übrigens – und vielleicht nicht überraschend – empfindlicher als das dänische Königshaus: Er versuchte, 2007 ein Verbot einer satirischen und Putin-kritischen Homepage der Gruppe zu erreichen. Der dänische Staatsanwalt spielte da jedoch nicht mit.) 

Verbot des Verbrennens von Flaggen

Eine weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit ist ebenfalls interessant: Man darf ausländische Flaggen nicht verbrennen – den Dannebrog schon. „Mit Geldbuße oder Haft bis zu zwei Jahren wird bestraft, wer eine fremde Nation, einen fremden Staat, dessen Flagge oder anderes anerkanntes Nationalsymbol oder die Flagge der Vereinten Nationen oder Europäischen Union verhöhnt“, heißt es im Paragrafen 110e des Strafgesetzbuches (Übersetzung des „Nordschleswigers“).

Also Koran (oder Bibel) verbrennen – ja, aber ausländische Flagge abbrennen – nein. Jetzt sucht die dänische Regierung nach juristischen Wegen, das Verbrennen von Koranen zumindest vor ausländischen Botschaften zu unterbinden. Gut möglich, dass man sich dabei an den Paragrafen 110e anlehnen wird. Zumindest ist in der Pressemitteilung des Außenministeriums dazu ebenfalls von der „Verhöhnung anderer Länder“ die Rede.

Initiative, um Koran-Verbrennungen zu verbieten

Die Initiative hat bei der Opposition links und rechts der SVM-Regierung zu einem Aufschrei geführt. Man sieht die Gefahr, dass Dänemark auf eine schiefe Ebene mit weiteren Einschränkungen der Meinungsfreiheit gerät. Sicher ist, dass wir hier sehr vorsichtig sein müssen, denn wir dürfen es nicht den Machthabern in Staaten wie dem Iran oder Russland überlassen zu definieren, wann sie sich verhöhnt fühlen. 

Wenn iranische Frauen in Dänemark vor der Botschaft des Landes ihren Hijab verbrennen, muss das erlaubt bleiben. Und warum nicht eigentlich auch gleich das Verbrennen der iranischen, russischen und meinetwegen auch deutschen Flagge straffrei machen. Schlimmer als das Verbrennen von Büchern ist es doch in keiner Weise.

Parteien gegen Meinungsfreiheit beim Hissen von Flaggen

Aber mit Flaggen ist es offensichtlich so eine Sache: Bei der Meinungsäußerung des Hissens war die Logik nämlich bis vor Kurzem umgekehrt wie bei der des Verbrennens. Die meisten der Flaggen, die das Gesetz vor dem Verbrennen schützt, durfte man nicht hissen (nur mit Sondergenehmigung). Ausschließlich den Dannebrog, den man verbrennen darf, (und die Flaggen der nordischen Länder) konnte man legal vom Mast flattern lassen. 

Nachdem der Oberste Gerichtshof dann im Juni entschieden hat, dass für diese Bestimmung die Rechtsgrundlage fehlt, haben die Dänische Volkspartei und die Konservativen sofort angekündigt, sie wollen das Gesetz ändern. Also genau jene Parteien, die jetzt besonders lautstark gegen ein Verbot der Koran-Verbrennungen vor ausländischen Botschaften wettern.

Nach Auffassung dieser Parteien soll es mir also (wieder) verboten werden, zum Beispiel die mongolische Flagge zu hissen, weil ich eine besondere Sympathie für das Land ausdrücken möchte. Das Verbrennen des Korans (auch vor ausländischen Botschaften) soll mir dagegen gestattet bleiben, wenn ich meine Antipathie gegen dieses Buch ausdrücken möchte.

Koran-Verbrennungen im Mittelalter

Wie eingangs beschrieben, ist die Botschaft von Bücherverbrennungen nur sehr selten ein Eintreten für mehr Meinungsvielfalt, sondern meist für Zensur. Letztlich ist und war es (mit wenigen Ausnahmen) Ziel der Verbrenner, diese Bücher zu verbieten.

Das war bereits der Fall, nachdem christliche Ritter Ende des 15. Jahrhunderts das spanische Granada erobert hatten. Der inquisitorische Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros ordnete eine Zwangsbekehrung der muslimischen Granadinos und die Verbrennung aller Korane an.

Gut 300 Jahre später dienen diese Koran-Verbrennungen Heinrich Heine als Vorlage für sein Theaterstück „Almansor“. Hier lässt er den Diener Hassan folgende Worte sprechen: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“

Wir müssen hart daran arbeiten, dass es dieses Mal beim Vorspiel bleibt, und es den rechten Extremisten nicht gelingt, ihre giftige Saat weiterzuverbreiten. Es ist jedoch fraglich, ob das mit Verboten gelingen wird.

Der Kampf muss in den Köpfen der Menschen ausgefochten werden. 

 

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