40 Jahre Sekretariat in Kopenhagen

Kontaktpflege im Folketing - zum Wohl der Minderheit

Kontaktpflege im Folketing - zum Wohl der Minderheit

Kontaktpflege im Folketing - zum Wohl der Minderheit

Kopenhagen
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Jan Diedrichsen war von 2007 bis 2019 Leiter des Sekretariats des Bundes Deutscher Nordschleswiger in Kopenhagen. Danach wurde Harro Hallmann für das Amt gewählt. Foto: Cornelius von Tiedemann/Marle Liebelt

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Die Gleichstellung der deutschen Schulen in Nordschleswig gehört zu den Erfolgen, die durch die Arbeit des BDN-Sekretariats in Kopenhagen erzielt worden sind. Am Donnerstag feiert es sein 40-jähriges Bestehen. Der Leiter des Sekretariats, Harro Hallmann, und sein Vorgänger Jan Diedrichsen berichten von der Arbeit als „Lobbyisten für die Minderheit“.

Ein Frokost mit einer oder einem Abgeordneten des Folketings: Das mag erst einmal nach einem gemütlichen Stündchen klingen. Das ist es für Harro Hallmann auch, aber nicht vornehmlich. Für den Leiter des Sekretariats des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) ist es Arbeit.

„Es ist eines meiner absolut wichtigsten Werkzeuge“, sagt er dem „Nordschleswiger“.

In seiner Funktion als Sekretariatsleiter geht es nämlich darum, Kontakte zu knüpfen, um die Politikerinnen und Politiker davon zu überzeugen, sich für die Belange der deutschen Minderheit einzusetzen. Und dafür ist die lockere Atmosphäre eines Arbeitsessens nun einmal gut geeignet. Auch ist dann ausreichend Zeit im dicht gepackten Kalender der- oder desjenigen eingeplant.

Wichtig ist auch, dass man seinen Platz kennt. Die Minderheit ist nun einmal weder das Erste noch das Letzte, an das eine Ministerin oder ein Minister an einem Arbeitstag denkt.

Jan Diedrichsen

Sorgfältige Vorbereitung

Vor dem Essen hat er sich möglicherweise mit einem anderen Folketingsmitglied in dessen Büro getroffen. Und danach geht es an so einem Arbeitstag in Kopenhagen eventuell noch zu einem Treffen mit den Beamtinnen und Beamten im Kulturministerium.

„Entscheidend ist, dass ich mich sehr gründlich vorbereitet habe. Das Treffen selbst dauert vielleicht nur eine halbe Stunde. Aber ich habe mich mindestens eine Stunde lang vorbereitet und verwende noch einmal zwei Stunden für die Nachbereitung“, so Hallmann.

„Erfolgsmodell“

Auch für seinen Vorgänger, Jan Diedrichsen, war ein wesentlicher Teil der Arbeit, Kontakte und Netzwerke aufzubauen und zu pflegen. Denn der Sekretariatsleiter hat nicht den direkten Einfluss eines Volksvertreters oder einer Volksvertreterin.  

„Das Sekretariat ist aus meiner Sicht eindeutig ein Erfolgsmodell. Es ist im wahrsten Sinn des Wortes einzigartig, denn es passt in das dänische politische Modell. Ich kann mir kaum andere Länder vorstellen, in denen das funktionieren würde“, sagt er. Diedrichsen denkt vor allem an einen konkreten Erfolg, bei dem sich das Modell mit dem Sekretariat beweisen konnte. Darauf werden wir zurückkommen.

Das Sekretariat ist aus meiner Sicht eindeutig ein Erfolgsmodell. Es ist im wahrsten Sinn des Wortes einzigartig, denn es passt in das dänische politische Modell. Ich kann mir kaum andere Länder vorstellen, in denen das funktionieren würde.

Jan Diedrichsen

Der dichte Terminkalender der Folketingsmitglieder

Hallmann betont, dass die erzielten Ergebnisse nicht nur ein Verdienst des Sekretariatsleiters sind, sondern das Resultat eines gemeinsamen Einsatzes des BDN. Seine Rolle sei es, die Fäden in der Hand zu halten. Und das erfordert Geduld und Durchhaltevermögen.

„Das Schwierige ist, Platz im Kalender der Abgeordneten zu finden. Wenn das Treffen steht, nehmen sie sich auch die Zeit und fragen immer sehr interessiert nach“, sagt er.

„Wichtig ist auch, dass man seinen Platz kennt. Die Minderheit ist nun einmal weder das Erste noch das Letzte, an das eine Ministerin oder ein Minister an einem Arbeitstag denkt“, so Diedrichsen.

Gleichstellung der Schulen

In einem Fall bekam jedoch sogar die Staatsministerin zu denken. Die hieß 2015 Helle Thorning-Schmidt und ist Sozialdemokratin. Es ging um die finanzielle Gleichstellung der Schulen der Minderheit mit den dänischen Volksschulen. Ein Parteikollege der Regierungschefin ließ den Sekretariatsleiter verstehen, dass der BDN damit nicht durchkommen würde und lediglich von einer Kompensation für Kürzungen bei den Privatschulen die Rede sein könne.

„Wir haben intern diskutiert, welchen Weg wir wählen sollten. Doch der BDN-Vorsitzende Hinrich Jürgensen sagte deutlich, dass wir die hundertprozentige Gleichstellung wollten“, erinnert sich Diedrichsen.

Der erwähnte Sozialdemokrat schob der Einheitsliste die Schuld dafür zu, dass es keine Mehrheit für die Gleichstellung geben werde. Daraufhin klopfte der Sekretariatsleiter bei der linken Partei an, die diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen wollte.

Da Venstre das Anliegen bereits unterstützte, zeichnete sich eine Mehrheit gegen die Regierung ab. Um eine Niederlage im Folketingssaal zu umgehen, lenkte die Thorning-Regierung ein.

Mir ist kein Beispiel bewusst, bei dem es einen eigentlichen Widerstand gegen unsere Anliegen gegeben hat.

Harro Hallmann

Der lange Atem

„Es zeigt mir, dass das Modell funktioniert. Dabei war es natürlich ein Vorteil, dass ich bereits sieben Jahre im Amt war und über gute Kontakte verfügte“, so Diedrichsen.

Eine solche harte Konfrontation ist jedoch die absolute Ausnahme. In der täglichen Arbeit ist es eher der stete Tropfen, der den Stein höhlt. Denn grundsätzlich ist man auf Christiansborg der Minderheit gegenüber wohlwollend eingestellt. Die Herausforderung ist, die Aufmerksamkeit der Politik auf die Belange der Minderheit zu lenken.

„Mir ist kein Beispiel bewusst, bei dem es einen eigentlichen Widerstand gegen unsere Anliegen gegeben hat“, sagt Hallmann.

Doch häufig kann es dauern, bevor aus den Sonntagsreden und Lippenbekenntnissen konkrete Politik wird. Hallmann, der seit 2020 im Amt ist, erlebte dies bei der Vollendung der Gleichstellung der Schulen. Das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig ist nämlich bislang nicht dabei gewesen. Erst in dem am Montag vereinbarten Haushalt für 2024 ist auch die finanzielle Gleichstellung des DGN verankert.

„Ich weiß gar nicht mehr, in wie vielen Gesprächen mit Abgeordneten ich das Thema angesprochen habe“, beschreibt er den langen Atem, den sein Job erfordert.

Gelder für Informationsarbeit

Jan Diedrichsen wurde 2007 erstmalig zum Sekretariatsleiter gewählt. Vor ihm hatte der damalige Chefredakteur des „Nordschleswigers“, Siegfried Matlok, die Funktion, seit sie 1983 geschaffen wurde, innegehabt. So lange wie dieser wird jedoch kein Sekretariatsleiter auf seinem Posten sitzen, denn die Halbzeitstelle ist auf drei vierjährige Wahlperioden begrenzt worden.

„Es ist gut, dass man eine längere Periode die Funktion ausübt, weil es Zeit benötigt, die Kontakte aufzubauen. Ich halte es jedoch auch für sehr sinnvoll, dass es die zeitliche Begrenzung gibt“, so Diedrichsen.

Sein Nachfolger sieht seinen bisher größten Erfolg darin, dass es gelungen ist, 2,4 Millionen Kronen im Staatshaushalt für die Informationsarbeit der Minderheit zu verankern. Es habe etwa zehn Jahre gedauert, um dies Ziel zu erreichen.

„Die Mittel sind wichtig, weil es ein immer fortwährender Einsatz ist, Wissen über die Minderheit zu verbreiten. Außerdem würden wir ja keine Mittel bekommen, wenn niemand wüsste, dass es uns gibt“, sagt Hallmann, der außer Sekretariatsleiter auch Kommunikationschef des BDN ist.

Der Brief an Brostrøm

Nicht immer braucht es den langen Atem, um Ziele zu erreichen. Während der Corona-Pandemie wurde Hallmann darauf aufmerksam gemacht, dass es das Informationsmaterial in mehreren Sprachen, aber nicht auf Deutsch gab. Daher schrieb er an den damaligen Chef der Gesundheitsbehörde, Søren Brostrøm.

„14 Tage später gab es das Material auf Deutsch.“

Doch trotz einzelner schneller Erfolge wird ihm die Arbeit nicht so schnell ausgehen. Der grundsätzlich erfreuliche Zuwachs an Schülerinnen und Schülern in den deutschen Grundschulen, bedeutet nämlich, dass die finanzielle Gleichstellung ausgehöhlt worden ist.

Der BDN feierte am Donnerstag das 40-jährige Bestehen des Sekretariats mit einer Konferenz und einem Jubiläumsempfang auf Christiansborg.

Um 8.08 Uhr ist eine Jahreszahl korrigiert worden. 

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