Leitartikel

„Testzentrum für Windkraft: Die Entscheidung war überfällig“

Testzentrum für Windkraft: Die Entscheidung war überfällig

Testzentrum für Windkraft: Die Entscheidung war überfällig

Tondern/Tønder
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Der Kelch ist an der Kommune Tondern vorübergegangen. Das geplante Testzentrum mit bis zu 450 Meter hohen Windrädern wird nicht in Ballum Enge gebaut. Die Entscheidung ließ (zu) lange auf sich warten, meint Brigitta Lassen von der Lokalredaktion in Tondern.

Im Sommer 2022 legte eine Mehrheit im Folketing den Grundstein für ein drittes Testzentrum für Windkraft mit bis zu 450 Meter hohen Windrädern. Wie von „Geisterhand“ und vermutlich als Schreibtischarbeit wurden acht Standorte, alle in Jütland, auf die Landkarte gesetzt.

Und dann begann für die Menschen das große Warten, auf welchen Standort sich die Landespolitik einigen würde. Die Bürgerinnen und Bürger, die es treffen konnte, machten sich Sorgen, dass ihre Natur von gigantischen Energieproduzenten verschandelt würde. Bei anderen ging es um existenzielle Folgen. Einige hätten wegen der Abstandsbegrenzungen Haus und Hof verlassen müssen. In der vergangenen Woche fiel endlich die Entscheidung. Dieser Kelch ging an der Kommune Tondern vorüber.

Dort war man, als die Pläne öffentlich wurden, parteiübergreifend in die Offensive gegangen und hatte politische Kontakte im Folketing gesucht. In der Westküstenkommune fiel man fast vom Hocker, als drei Standorte ins Spiel gebracht wurden. In diesen Gebieten darf schon nahezu kein Grashalm gepflückt werden, da dieser von einer nationalen oder internationalen Restriktion, Naturschutz oder einem Gesetz umfasst ist.

Die Zerstörung des Wattenmeeres und der Verlust des elitären Titels als Weltnaturerbe sollten verhindert werden. Diese Auszeichnung wurde dem weltweit größten Gezeitengewässer 2014 zuerkannt, was nicht alltäglich ist.

Die Natur, in die der Staat in den vergangenen Jahren aber Millionen Kronen investiert hatte, würde zerstört und der Unesco-Titel des Wattenmeeres in Gefahr gebracht werden. Das waren wichtige Argumente, die gegen Tondern sprachen. Ganz selten wurde aber von den Menschen gesprochen, die mit diesen Energiegiganten leben sollten. Wäre es nur um sie gegangen, wäre die nordschleswigsche Westküste vielleicht nicht verschont worden. Denn jemand muss in den sauren Apfel beißen.

Die ausgewählten Standorte hatten die Lage an der Westküste gemein. Dort weht es bekanntlich fast immer. Und rein finanziell wäre es auch günstig. Schließlich ist die Kommune dünn besiedelt. Entsprechend hätten weniger Menschen enteignet – sprich, hätte weniger Geld bezahlt werden müssen.

Jetzt kommen die Windgiganten nach Østerild bei Thisted, wo die Gegend schon von Windrädern des bestehenden Testzentrums geprägt wird. Laut gefeiert wurde daher nicht in Tondern, um die leidtragenden Menschen dort nicht zu verletzen. Sie zogen 2012 den Kürzeren, bevor feststand, dass sie das zweite Testzentrum für Windräder mit einer Größe von 250 bis 330 Metern beheimaten sollten. Das Erste in Høvsøre bei Lemvig wurde vor 23 Jahren errichtet, mit Windrädern bis zu 200 Meter Höhe.

Das lange Warten auf politische Entscheidungen muss schwer sein. Doch lieber ein wenig warten, als dass politisch eine übereilte Entscheidung getroffen wird, ohne den Standort gründlich zu untersuchen. 

Und dennoch: Eine lange Zeit haben auch diejenigen hinter sich, deren Häuser und Höfe von der neuen Stromautobahn entlang der Westküste bis zur deutsch-dänischen Grenze betroffen sein werden. Die Trassenführung bedeutet für einige, dass ihre Häuser und Höfe enteignet werden. Bei diesem Stromprojekt wurden die Kommune Tondern sowie ihre Bürgerinnen und Bürger nicht verschont.

Mal sehen, wann Tondern wieder von einem staatlich bestimmten Mega-Projekt auf die Geduldsprobe gestellt wird. Das unterirdische Gaslager konnte nach lauten Protesten verhindert werden. Dafür wurden etwa das Lehrerseminar und die Kaserne vom Staat geschlossen.

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