Schleswig-Holstein & Hamburg

Privatpleiten nahezu verdoppelt: Besonders häufig im Norden

Privatpleiten nahezu verdoppelt: Besonders häufig im Norden

Privatpleiten nahezu verdoppelt: Besonders häufig im Norden

dpa
Hamburg
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Ein Kugelschreiber liegt auf einem Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild/dpa

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Die Zahl der Privatinsolvenzen steigt erstmals seit Jahren wieder. In diesem Jahr dürften vor allem die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie viele Menschen in finanzielle Bedrängnis bringen, meint die der Auskunftei Crif.

Die Zahl der Privatpleiten in Deutschland ist erstmals seit zehn Jahren wieder gestiegen und hat sich 2021 nahezu verdoppelt. In Teilen des Nordens ist diese Entwicklung besonders ausgeprägt. Nach Daten der Wirtschaftsauskunftei Crif gab es bundesweit 109 031 Privatinsolvenzen, 93,6 Prozent mehr als 2020. In Mecklenburg-Vorpommern (plus 132,2 Prozent) und Hamburg (plus 135 Prozent) liegt der Zuwachs deutlich über dem Durchschnitt. Schleswig-Holstein (plus 87,9 Prozent) liegt beim Zuwachs der Insolvenzzahl leicht unterm Schnitt.

Betrachtet man die Häufigkeit von Privatinsolvenzen gemessen an der Einwohnerzahl, rangieren alle drei Bundesländer im Norden indes deutlich über dem Bundesschnitt. Den Crif-Zahlen zufolge gab es in Schleswig-Holstein 163 Privatinsolvenzen je 100 000 Einwohner, in Mecklenburg-Vorpommern waren es 170 und in Hamburg 172. Die bundesweite Vergleichszahl ist 131.

Crif-Geschäftsführer Frank Schlein führt den generell starken Anstieg vor allem auf eine Gesetzesänderung zurück, die viele Betroffene abgewartet hätten. In diesem Jahr werden nach seiner Einschätzung vor allem die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie viele Verbraucher in Bedrängnis bringen. Crif hält daher bundesweit bis zu 110 000 Privatpleiten für möglich. Dass die Zahlungsunfähigkeit Privatleute im Norden häufiger ereilt, könnte laut Crif mit dem Arbeitsmarkt zusammenhängen. «Hauptgrund für eine Privatinsolvenz ist die Arbeitslosigkeit», sagte Schlein. «Es lässt sich daher auch ein Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit und dem Nord-Süd-Gefälle bei den privaten Insolvenzen ableiten.»

Viele Menschen, die Einkommenseinbußen durch Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit erlitten hätten, hätten versucht mit eigenen Rücklagen oder privat geliehenem Geld durchzuhalten. «Die finanziellen Reserven vieler Betroffener sind aufgebraucht. Dazu kommen die stetig steigenden Miet- und Energiepreise», sagte Schlein. «Daher gehen wir auch 2022 von weiter hohen Privatinsolvenzzahlen aus.»

Im vergangenen Jahr spielte nach seinen Angaben vor allem eine Gesetzesänderung eine Rolle, wonach Verbraucher einfacher nach drei statt wie bisher nach sechs Jahren von ihren Restschulden befreit werden können. «Die Betroffenen wollten .... die angekündigte Reduzierung der Laufzeit des Verfahrens von sechs auf drei Jahre nutzen und stellten den Antrag folglich erst im Jahr 2021», erläuterte Schlein.

Auch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hinterließen den Angaben zufolge erste Spuren. Bei vielen Arbeitnehmern und Selbstständigen, die während der Pandemie ihre Arbeit ganz oder teilweise verloren hätten, seien finanziellen Polster irgendwann aufgebraucht gewesen. Ohne milliardenschwere Hilfspakete des Staates hätte es wahrscheinlich noch mehr Privatinsolvenzen gegeben, vermutet die Auskunftei.

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