Banger Blick nach China

Sport-Tiedje: Wie ein Schleswiger Unternehmen auf dem Weltmarkt mitmischt

Sport-Tiedje: Wie ein Schleswiger Unternehmen auf dem Weltmarkt mitmischt

Wie ein Schleswiger auf dem Weltmarkt mitmischt

SHZ
Schleswig
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Christian Grau, Inhaber und Geschäftsführer von Sport-Tiedje, blickt einerseits auf ein gutes Geschäftsjahr 2020 zurück, andererseits aber auch mit Sorgenfalten in Richtung China. Foto: Sven Windmann/shz.de

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In der Corona-Krise ist die Nachfrage nach Home-Fitnessgeräten stark gestiegen. Dennoch blickt man bei Sport-Tiedje auch mit Sorgenfalten auf die aktuelle Entwicklung – gerade in China.

Wohl kaum ein anderes Unternehmen aus Schleswig und Umgebung ist so sehr abhängig von den Launen des Welthandels wie Sport-Tiedje. Das bekommt Europas größter Fachmarkt und Online-Versandhändler für Heimfitnessgeräte gerade jetzt in der Corona-Krise tagtäglich zu spüren. „Es ist manchmal wirklich verrückt. Man muss in diesen Zeiten auf alles gefasst sein“, sagt Christian Grau, Inhaber und Geschäftsführer von Sport-Tiedje.

Umsatz von über 200 Millionen Euro

Aber die gute Nachricht vorweg: Im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen seinen Umsatz wie berichtet um satte 55 Prozent auf rund 203 Millionen Euro steigern. Und auch für 2021 plant Sport-Tiedje mit einem zweistelligen Wachstum. Hauptgrund dafür ist die hohe Nachfrage von Privatkunden nach Fitnessgeräten und Zubehör während der Pandemie. „Sobald es irgendwo einen Lockdown gibt, steigt die Nachfrage rasant an. Das sieht man gerade in Österreich wieder“, sagt er. Auch in Großbritannien rechne man mit einem neuen Lockdown und einer dann deutlich stärkeren Nachfrage.

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Dennoch will Grau sich und seine Firma nicht als großen Gewinner der Corona-Zeit sehen. „Am Ende wird abgerechnet. Da kann noch viel passieren“, sagt er und fügt an: „Wichtig ist, dass wir als Unternehmen gut durch diese Krise kommen, dass wir hochwertige Arbeitsplätze erhalten und – in erster Linie – alle gesund bleiben.“ Zwar hätte man beim Privatkundengeschäft in den vergangenen Monaten ordentlich zugelegt. Die Ausstattung von Studios, Hotels oder Kreuzfahrtschiffen mit Fitnessgeräten sei aber spürbar zurückgegangen. Und auch die über halb Europa verteilten eigenen Shops mussten immer wieder geschlossen werden. „Und das kann uns jederzeit wieder passieren.“


Mit noch größeren Sorgenfalten aber blickt der Geschäftsführer Richtung China: Denn die meistern seiner Produkte lässt Sport-Tiedje in Fernost produzieren. Und genau das stellt das Unternehmen in den vergangenen Monaten immer wieder vor große Herausforderungen, wie Grau betont. Dazu zählt die Non-Covid-Strategie des Riesenreiches, die zu sofortigen großflächigen Schließungen führt, sobald irgendwo auch nur ein Corona-Fall auftritt. Gerade jetzt sei ein wichtiger Mitarbeiter, der für die Koordination vor Ort zuständig ist, unfreiwillig in ein Quarantäne-Hotel einquartiert worden. Zudem werde zurzeit immer wieder die Energiezuvor für ganze Bezirke und einzelne Unternehmen in China rationiert, was wiederum zu Verzögerungen bei der Produktion führt. „Wir lassen in China und Taiwan an 20 Standorten produzieren und beobachten deshalb die Situation sehr genau. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn dort die Omikron-Variante um sich greift. Dann wird dort sofort alles dicht gemacht“, so Grau.

Produktions- und Transportkosten steigen deutlich

Der vergangene Lockdown und das verzögerte Hochfahren der Industrie in China haben indes Langzeitnachwirkungen, mit denen auch Sport-Tiedje zu kämpfen hat. Nicht nur die Chips, die auch in viele Fitnessgeräte eingebaut werden, seien weiter rar. Die gesamten Warenflüsse seien vielmehr gestört, Frachtkapazitäten entsprechend gefragt – und teuer. Hinzu kämen gestiegene Kosten für Energie, Kraftstoffe, Rohstoff- und Bezugspreise. „Und dann fallen auch noch die Wechselkurse. Das geht alles seit Monaten in eine Richtung – und zwar nach oben.“

Das wiederum macht sich auch für den Kunden bemerkbar. Um bis zu 40 Prozent sind die Preise für einige Geräte oder Zubehör im Gegensatz zur Vor-Coronazeit bereits gestiegen. Das liegt zum Teil auch daran, dass Sport-Tiedje jetzt einige Produkte wieder in Deutschland und anderen EU-Ländern produzieren lässt, unter anderem Gewichte und Scheiben für Hanteln. „Wir haben aus den vergangenen Monaten gelernt, dass wir uns noch breiter aufstellen müssen. Und das machen wir auch“, so Grau.

Hoffen auf neues Lager in Osterrönfeld

An 66 Standorten in ganz Europa arbeiten für Sport-Tiedje inzwischen 750 Mitarbeiter. Weitere 100 werden gesucht, unter anderem Logistikmitarbeiter für das Lager in Büdelsdorf. Bis Herbst 2022 wird zudem ein neues Logistikzentrum mit mehr als 75.000 Quadratmetern Hallenfläche gebaut. Und das, so betont Grau, sei auch bitter nötig. Denn schon lange seien die eigenen Lagerkapazitäten am Limit. Deshalb hat das Unternehmen in den vergangenen Monaten fünf externe Zusatzlager für die Pufferung von Wareneingängen angemietet. Allein um Ware bevorraten und handeln zu können.

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„Gegenüber unserem Vor-Corona-Stand haben wir jetzt den doppelten Warenbestand im Zugriff, um unseren Kunden auch in diesen Zeiten eine vernünftige Verfügbarkeit und Lieferfrist bieten zu können.“ Das nämlich werde durch die unsichere Lage in China immer schwieriger. Konnte man in der Vergangenheit bestellte Ware innerhalb weniger Tage an den Kunden liefern, müsse man heute auch mal bis zu zwei Wochen warten. „Das aber entspricht nicht unserer gewohnten Tiedje-Qualität und -Geschwindigkeit“, betont Grau. Mit dem neuen Logistikzentrum aber „können wir unsere Logistikprozesse hoffentlich auf ein neues Level heben“.

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