Kunsthandwerk

Die berühmten Wandbehänge wurden aus dem „Versteck“ geholt

Die berühmten Wandbehänge wurden aus dem „Versteck“ geholt

Die berühmten Wandbehänge wurden aus dem „Versteck“ geholt

Tondern/Tønder
Zuletzt aktualisiert um:
Anne Marie Ludvigsen hat die Ausstellung mit einer Kollegin konzipiert. Foto: Brigitta Lassen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Im Kulturhistorischen Museum in Tondern erinnert eine Ausstellung mit Scherrebeker Wandteppichen an ein verloren gegangenes Kunsthandwerk. Die Gründung der früheren Webschule ist auf den umtriebigen Pastor Christian Johannes Jacobsen zurückzuführen, der mit seinem Imperium kurz nach dem Jahrhundertwechsel Pleite machte. Mit dem Weben verfolgte er auch ein nationales Ziel, um das Deutschtum in der überwiegend dänischen Region zu stärken.

Was einige vielleicht nicht wissen: Vor etwa 120 Jahren wurde in Scherrebek (Skærbæk) und Umgebung große Kunst geschaffen, die es zu internationalem Ruhm brachte. Dort entstanden die berühmten, handgewebten Scherrebeker Bildteppiche im Jugendstil, die sogar bei der Weltausstellung in Paris ausgestellt wurden.

Das fast in Vergessenheit geratene Kunsthandwerk wollte der umtriebige Pastor Christian Johannes Jacobsen wiederbeleben. In Scherrebek, wo er von 1884 bis 1904 als Pastor wirkte, gründete er eine Webschule. Sie zählte zu den vielen Unternehmungen, mit denen der Geistliche mit einem von ihm aufgebauten Wirtschaftsimperium politische Ambitionen verfolgte. Er wollte die überwiegend dänische Region an der Westküste germanisieren und der deutschen Sache dienen. So war er 1890 auch Mitbegründer des Deutschen Vereins für Nordschleswig. 

Politische Ziele verfehlt

Doch Jacobsen verfolgte primär eigene politische Ziele. Trotz mehrfacher Kandidaturen schaffte er es nicht, in den Reichstag oder Landtag gewählt zu werden.

Der rechte Teppich aus dem Märchen Dornröschen könnte der Wandteppich sein, der 1900 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt wurde. Von diesem Motiv gibt es nur zwei Exemplare. Foto: Brigitta Lassen

Doch Jacobsens Imperium, das neben der Webschule unter anderem das von ihm gegründete Seebad Lakolk auf Röm, die Creditbank Scherrebek, eine Ziegelei und eine Dampfschiffreederei umfasste, brach 1903 wie ein Kartenhaus zusammen. Der nicht sonderlich populäre Mann, der wegen Unterschlagung verurteilt worden und seines geistlichen Amts enthoben worden war, musste Nordschleswig verlassen und ging nach Südtirol. 

12 Wandteppiche werden ausgestellt

Geblieben sind jedoch die in der Webschule gefertigten Wandbehänge. Einige von ihnen werden seit Freitag in einer kleinen Ausstellung im Kulturhistorischen Museum gezeigt. Bis zum 1. Februar 2025 werden einige Exemplare präsentiert.

Anne Marie Ludvigsen, Inspektorin der Tonderner Museen und Leiterin des Museums in Hoyer (Højer), holte 12 der 15 Wandteppiche, die sich im Besitz des Museumsverbands befinden, aus dem Depot. Eigens für die Präsentation wurde ein kleiner Raum im Museum in einer rotbraunen Farbe gestrichen, damit die Exponate gut zur Geltung kommen. Da die mehr als 100 Jahre alten Textilien nicht sehr viel Licht vertragen, wird der Ausstellungsraum verhältnismäßig dunkel gehalten. 

Erbe des Heimatmuseums 

„Die meisten unserer Exponate stammen aus dem ehemaligen Scherrebeker Heimatmuseum und wurden vom damaligen Gründer und Leiter H. E. Sørensen gesammelt.“ Im vergangenen Jahr konnte der Förderverein des Museums einen Wandteppich für das Museum erwerben. Als Besonderheit kann auch ein originales Diplom einer ehemaligen Schülerin der Webschule, Elisabeth Mathiesen aus Hoyer (Højer), gezeigt werden.

So präsentierten sich die Wandbehänge und ein Webstuhl im Museum in Scherrebek (Archivfoto). Foto: DN-Archiv

Die historischen und aus Wolle gewebten Wandbilder bedürfen einer besonderen Pflege, beispielsweise um den Mottenbefall zu verhindern. „Sie werden nach einer Ausstellung bei einer Temperatur von bis zu -40 Grad gefroren und werden drei Wochen in einem sauerstofflosen Raum gelagert, um jedem Schädling den Garaus zu machen. Dann gehen sie zurück in unser neues Lager in Rothenkrug, wo man ganz genau weiß, wie textile Kunstschätze aufbewahrt werden müssen“, erzählt Annie Marie Ludvigsen.

Warum eine Webschule gründen?

Die Scherrebeker Webschule sei eine der vornehmsten Initiativen von Pastor Jacobsen, meint sie. Das Handweben war durch die Industrialisierung in Vergessenheit geraten. Gemeinsam mit seinem Freund Friedrich Deneken, den er aus der gemeinsamen Zeit am Gymnasium in Hadersleben kannte, entstand die Idee, das alte Kunsthandwerk in einer Schule in Deutschland wiederzubeleben. Deneken war Kunsthistoriker und Assistent des Direktors des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, Justus Brinckmann, der auch die Gründung der Webschule förderte.

Man sieht also deutlich. Das Weben war nicht nur ein Kunstprojekt, sondern verfolgte auch ein nationales Ziel.

Anne Marie Ludvigsen

Der Standort wurde Scherrebek, damals noch unter deutscher Herrschaft. Ein dritter Haderslebener spielte eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Pläne: August Wilckens besuchte von 1888 bis 1891 die Kunstgewerbeschule in München und Nürnberg und entwarf mehrere Vorlagen für die Wandbehänge.

Die deutsche Sache

Der aus Hadersleben (Haderslev) gebürtige Jacobsen wollte nicht nur eigenen Ruhm ernten, sondern mit seinen Unternehmungen auch der deutschen Sache dienen. Mit der Gründung der Webschule wollte er verhindern, dass die Jungen Mädchen der Gegend nicht an eine dänische Heimvolkshochschule abwanderten und damit für die Germanisierung des Scherrebeker Raums verloren gegangen werden. 

Ihr Warenzeichen war die Fahne Schleswig-Holsteins. „Man sieht also deutlich. Das Weben war nicht nur ein Kunstprojekt, sondern verfolgte auch ein nationales Ziel.“

Etwa 200 bekannte Motive

Bis zu 200 Frauen sollen das manuelle Weben von Wandbehängen im Jugendstil erlernt haben und arbeiteten nach der Vorlage bekannter Künstler, entweder in der Schule oder Zuhause, erzählt Anne Marie Ludvigsen. 

Die Scherrebeker Wandbehänge würden in vielen Museen hängen und wurden früher auf allen großen nationalen und internationalen Kunstgewerbeausstellungen präsentiert. Von den etwa 200 bekannten Motiven ist heute noch die Hälfte im öffentlichen oder privaten Besitz. Der Museumsberg in Flensburg hat mit mehr als 60 Werken die weltweit größte Sammlung. Den Grund dafür kennt Anne Marie Ludvigsen.

Wandbehänge landeten in Flensburg

Als die Webschule in finanzielle Schwierigkeiten geriet, wurde, um schnelles Kapital zu machen, eine Lotterie durchgeführt. Die Gewinne waren Wandbehänge. Doch Pastor Jacobsens Popularität war stark zurückgegangen. Die Webschule blieb auf den Bilderteppichen sitzen. „Sie müssen nach Flensburg gebracht worden sein. Im Keller des Museumsbergs wurden später die Kisten gefunden, in die sie verpackt worden waren“, erzählt Ludvigsen.

Das Ende 

Als die Schule 1903 Konkurs ging, wurde einer Mitarbeiterin erlaubt, die Webschule weiterzuführen. Mit ihren Töchtern webte sie weiter die berühmten Wandteppiche bis ins Jahr 1919. „Wir wissen nicht viel über diese Frau, aber es wird davon ausgegangen, dass sie Deutsche war und nach Hamburg gezogen ist.“

Mehr lesen