Schleswig-Holstein

Bahnverkehr im Grenzland: „Nationale Endstationen passen nicht zu Europa“

Bahnverkehr: „Nationale Endstationen passen nicht zu Europa“

Bahnverkehr: „Nationale Endstationen passen nicht zu Europa“

Kiel
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Der Bahnverkehr im Grenzland ist erneut Thema im Kieler Landtag gewesen. Foto: Sven Windmann/shz.de

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SSW, CDU und Grüne haben mit einem gemeinsamen Antrag den Bahnverkehr im Grenzland in den Fokus gerückt. Im Kieler Landtag gab es deutliche Kritik an der Entscheidung Dänemarks, keine mehrsystemfähigen Züge anzuschaffen. Auch gibt es Sorgen, ob der grenzüberschreitende Bahnverkehr am neuen Fehmarnbelttunnel rechtzeitig im Jahr 2029 starten kann.

Der Landtag in Kiel hat am Donnerstagnachmittag einen gemeinsamen Antrag von SSW, CDU und den Grünen angenommen, der eine Sicherstellung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs fordert. Allein die SPD enthielt sich im Plenum. 

Hintergrund ist der dänische Infrastrukturplan bis 2035, der auch unmittelbare Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Verkehr hat. So werden die dieselbetriebenen IC3-Züge durch elektrische IC5-Triebzüge vom Typ Alstom Coradia Stream ersetzt, die aber nicht mit deutschem Bahnstrom fahren können. Der Bahnhof Flensburg (Flensborg) kann somit nicht mehr von dänischen Regionalzügen angefahren werden.

Kritik an dänischem Weg

Der Landtag äußert laut Antragsbeschluss sein Bedauern darüber, dass die Dänischen Staatsbahnen DSB mit den neuen IC-Zügen Fahrzeuge angeschafft haben, die – im Gegensatz zu ihren Vorgängern und den Zügen, die in Schleswig-Holstein angeschafft werden –, nicht in der Lage sind, gleichzeitig im dänischen und deutschen Bahnnetz eingesetzt zu werden.

„Einer der entscheidenden Aspekte für grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist, dass beide Seiten an einem Strang ziehen. Diesen Willen kann man Dänemarks Regierung schlicht nicht zusprechen, als entschieden wurde, den Nahverkehr so umzustrukturieren, dass die dänischen Nahverkehrszüge künftig nicht mehr in Schleswig-Holstein fahren können“, sagte die Grünen-Abgeordnete Nelly Waldeck im Landtag. „Diese Entscheidung hat gravierende Folgen für unseren Nahverkehr und für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.“

Der CDU-Abgeordnete Lukas Kilian sagte in einem Wortbeitrag, Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen habe dazu erst kürzlich klare Worte gefunden. So sprach er im NDR von einem „Riesen-Rückschritt“. Kilian: „Nationale Endstationen passen nicht zu Europa.“ 

Die SSW-Abgeordnete Sybilla Nitsch sagte: „Es ist für uns als SSW völlig klar, dass es ein Interesse des Landes sein muss, den Status-Quo zu erhalten oder gerne auch eine Verbesserung anzustreben.“

Für die SPD sprach Niclas Dürbrook. Er sagte: „Diese Entscheidung (Dänemarks, Anm. d. Red.) muss man nicht verstehen, es zeigt aber leider, welcher von beiden Partnern an diesen Verbindungen offensichtlich das größere Interesse hat.“ Nachdem es im Sommer kurzzeitig ganz düster für die grenzüberschreitenden Verbindungen ausgesehen habe, sei Dänemark nun zumindest zur Co-Finanzierung neuer schleswig-holsteinischer Züge bereit.

Der FDP-Abgeorndete Bernd Buchholz sagte, es wäre auf dänischer Seite ganz einfach gewesen, eine andere Entscheidung zu treffen. „Die Entscheidung der Dänischen Staatsbahn – und damit auch ein Stück weit der dänischen Regierung – hat mich daher geärgert.“

Mitfinanzierung von Mehrsystemzügen

Der Landtag begrüßt daher auch die Entscheidung der dänischen Regierung zur Mitfinanzierung der mehrsystemfähigen Züge der Linie RE7. Diese soll ab 2028 nach Tingleff (Tinglev) verlängert werden. Landwirtschafts- und Europaminister Werner Schwarz, der in Vertretung für Claus Ruhe Madsen für die Regierung ans Rednerpult trat, sagte, dass trotz der Entscheidung „keine wirkliche Freude“ aufkomme. „Der Bahnverkehr in Europa muss zusammenwachsen“, so der Minister.

RE7 im Stundentakt nach Tingleff?

Die Landesregierung wird in dem Antrag ebenfalls gebeten, die Möglichkeiten einer Verlängerung der deutschen Züge über Tingleff hinaus in Richtung Fredericia anzustreben. Dies solle in Zusammenarbeit mit Dänemark vor dem Hintergrund einer Verbesserung des Angebots untersucht werden.

Schwarz dazu: „Die Landesregierung wird Gespräche mit Dänemark aufnehmen.“ Bislang seien Kolding und Fredericia per Direktverbindung aus Flensburg erreichbar. Eine Verlängerung des RE7 bis dort sei für einen Regionalverkehr schon sehr weit. „Eine Alternative ist eine stündliche Taktung nach Tingleff. Angesichts der Zahlen zur Auslastung muss dies aber gemeinsam mit Dänemark entschieden werden“, so Schwarz.

Nelly Waldeck nannte die Verlängerung einen Minimalkompromiss. „Tingleff ist weder Verkehrsknoten noch Wunschhaltepunkt vieler Fahrgäste.“ Und weiter: „Wir wollen, dass es schnelle und attraktive Verbindungen nach Dänemark gibt. Dazu bedarf es einer direkten Verbindung, und zwar an die Orte, an denen auch mehr Fahrgastpotential existiert.“

Hinterlandanbindung am Fehmarnbelt

Ebenfalls wird die Landesregierung aufgefordert, bis zur Fertigstellung der Fehmarn-Belt-Querung im Jahr 2029 sicherzustellen, dass auf dem Korridor der regionale Schienenpersonennahverkehr etabliert und rechtzeitig ausgeschrieben werden kann. Vor diesem Hintergrund soll der Landtag laut Antrag die Landesregierung auffordern, eine Intensivierung der Gespräche mit den dänischen Akteuren vorzunehmen. Dazu sagte Schwarz: „Wir müssen grenzüberschreitenden Bahnverkehr neu denken und das passiert bereits am Fehmarnbelt.“ So soll eine neue Vereinbarung mit Dänemark getroffen werden. Die Verkehrsgesellschaft Nah.SH führe hier bereits Gespräche zu offenen Fragen wie Taktfrequenz, Kosten und benötigten Fahrzeugen, so der Minister. 

Der SPD-Abgeordnete Niclas Dürbrook äußerte diesbezüglich jedoch Sorgen und weist in seiner Rede auf die besonderen Schwierigkeiten hin. „2029 ist nur noch knapp fünf Jahre in der Zukunft und wer den Planungsfortschritt am Sundtunnel betrachtet oder auch den Streckenabschnitt bei Bad Schwartau, der sich nicht einmal im Planungsverfahren befindet, muss allergrößte Zweifel haben, dass die Hinterlandanbindung 2029 fertig ist. Die Folge wäre ein Tunnel unter dem Belt, der in einer unfertigen Anbindung endet“, so Dürbrook. 

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages hat vor zwei Wochen das Bundesverkehrsministerium eindringlich aufgefordert, mit Dänemark darüber zu verhandeln, was passiert, wenn die Anbindung 2029 nicht fertig ist. „Selbstverständlich würde das auch den Schienenpersonennahverkehr betreffen, über den wir heute sprechen. Ich finde, die Landesregierung sollte sich in diese Gespräche einklinken, denn sie sind letztlich auch die Bedingung für Schienenpersonennahverkehr unter dem Belt“, so der SPD-Abgeordnete.

Für die FDP sagte Bernd Buchholz, die von Dänemark angeschafften Züge seien in Zukunft auch für die Beltquerung nicht einsetzbar. „Da solche Züge keine Lebensdauer von acht bis zehn Jahren, sondern in der Regel von 30 Jahren haben, wissen wir auch heute schon, dass entweder wir die entsprechenden Züge zur Verfügung stellen müssen und Dänemark mitbestellt – oder aber es wird eben nichts an grenzüberschreitendem Verkehr stattfinden.“

Bahnhof Flensburg-Weiche als Fernverkehrslösung

Ob dies auch die Ertüchtigung des Bahnhofs in Flensburg-Weiche umfasst, geht aus dem Antrag nicht hervor. Im Grenzland wird seit langem ein Grenzbahnhof auf deutscher Seite gefordert, der als Halt auf der stark nachgefragten Jütlandroute infrage käme. Diesen bringt auch Sybilla Nitsch in ihrer Rede im Landtag ins Spiel.

„Der Tourismusverband in Schleswig-Holstein stellt fest, dass der Bahnanteil bei Urlaubsreisen nach Schleswig-Holstein und damit auch oft weiter nach Dänemark geringer ist, als in allen anderen deutschen Bundesländern. Der Verband weist jedoch auch darauf hin, dass die Bahnnachfrage wachsen wird, aber eben nicht von selbst“, so Nitsch. Daher bedeute das auch, dass das Land ein Drehkreuz im nördlichen
Landesteil brauche. 

Der Hauptbahnhof in Flensburg ist aufgrund seiner Innenstadt-Lage und der sogenannten „Flensburger Schleife“ als Halt für Fernzüge nicht sonderlich attraktiv. „Ein Halt würde die Fahrzeit um mindestens 10 Minuten erhöhen, da der Bahnhof nicht direkt an der Strecke liegt. Dies ist in dem erforderlichen Fahrplantakt sowohl auf dänischer als auch auf deutscher Seite nicht abbildbar“, hieß es schon 2019 von der Deutschen Bahn.

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