Natur und Umwelt

Wirbel um Online-Konferenz zu Bauschutt in Harrislee

Wirbel um Online-Konferenz zu Bauschutt in Harrislee

Wirbel um Online-Konferenz zu Bauschutt in Harrislee

Kjeld Thomsen
Pattburg/Harrislee
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Der Veranstaltungshinweis zur Online-Konferenz Foto: Bündnis 90/Die Grünen

Die Sprecherin der Bürgerinitiative gegen Atommüll-Entdlagerung hat die Teilnahme an der Online-Versammlung abgesagt. Der Vorwurf: Die Kreisverbände von Bündnis 90/Die Grünen sind als Veranstalter nicht bereit, für ein gleiches Kräfteverhältnis im Podium zu sorgen. Die Grünen weisen die Vorwürfe zurück.

Das erste Wort bei der Online-Veranstaltung „Faktencheck – Bauschutt in Harrislee: Was ist geplant? Fakten statt Fakenews!“ ist noch nicht gefallen, da gibt es bereits Knatsch.

Angela Wolff, Sprecherin der „Bürgerinitiative Atommüll Endlagerung Stopp Harrislee“ (BAESH), hat ihre Teilnahme an der Online-Diskussion am Dienstagabend (18 Uhr) abgesagt.

In einer Mitteilung begründet sie es mit dem Vorgehen der Veranstalter.

Sie habe gefordert, dass der Begriff „Fakenews“ aus dem Veranstaltungstitel entfernt wird. Diesem Wunsch sei nicht entsprochen worden.

Ungleiches Kräfteverhältnis

„Wenn bereits der Veranstaltungstitel den Eindruck vermittelt, die Bürgerinitiative würde vorsätzlich Falschinformationen verbreiten, entbehrt das jeglicher Grundlage für einen fairen Dialog und lässt einen respektvollen Umgang vermissen“, so Wolff in der Mitteilung.

Die Sprecherin kritisierte außerdem ein ungleiches Kräfteverhältnis im Podium. 

Obwohl es zuvor hieß, dass weitere Personen angefragt seien, sollten schließlich neben Wolff lediglich zwei weitere Teilnehmer im Podium sitzen: Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen und ehemaliger schleswig-holsteinischer Umweltminister, sowie Staatssekretär Tobias Goldschmidt von der Landesregierung.

Beide befürworten laut Wolff die Lagerung von gering radioaktiven Abfällen auf Mülldeponien.

Sie habe die Veranstalter aufgefordert, die unterschiedlichen Positionen mit der gleichen Personenzahl zu besetzen und habe vorgeschlagen,  den Arzt Dr. med. Dierk-Christian Vogt ins Podium aufzunehmen. Dieser verfüge über medizinische Expertise zur kritischen Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch die Lagerung von gering radioaktiven Abfällen auf Mülldeponien.

Mediziner angeblich unerwünscht

Dr. Vogt stand für die Podiumsteilnahme zur Verfügung – die Grünen gingen jedoch nicht darauf ein, heißt es im Schreiben der Sprecherin.

„Der Dissens zwischen Ministerien und Atomindustrie und den Initiativen gegen Atomschutt auf Deponien liegt im Kern in der Risikobewertung. Wenn die Grünen-Kreisverbände einen ehrlichen Faktencheck wollten, würden sie doch gerade einen kritischen Mediziner zu Wort kommen lassen“, so Wolff.

Am späten Montagnachmittag  –  24 Stunden vor der Veranstaltung – hatten die Kreisverbände laut Wolff Harrislees Bürgermeister Martin Ellermann für die Podiumsteilnahme eingeladen. Dabei bestätigten sie ihm gegenüber, dass die Bürgerinitiative ebenfalls im Podium vertreten sei, obwohl deren Teilnahme unter dem Vorbehalt stand, dass die Kreisverbände der Grünen den Bedingungen der Bürgerinitiative zustimmen.

Dazu Angela Wolff: „Erst nachdem ein Mediziner als möglicher Podiumsgast im Raum stand, wurde Bürgermeister Martin Ellermann eingeladen. Dabei wäre es doch naheliegend gewesen, den Bürgermeister der Deponie-Gemeinde bereits viel früher anzufragen. Dieses Vorgehen hinterlässt den Eindruck, dass die späte Einladung hier allein dem Zweck diente, kritische medizinische Expertise zu verhindern.“

Wahlkampf

„Wir sind als Bürgerinitiative an einem ehrlichen und sachlichen Austausch interessiert. Doch diese Absicht war seitens der Kreisverbandsspitze nicht erkennbar. Vielmehr bleibt der Eindruck, dass hier lediglich das Ziel verfolgt wird, Rückhalt für die Position des Grünen-Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2021, Robert Habeck, zu schaffen", so Angela Wolff.

Die Kreisverbände von Bündnis 90/Die Grünen weisen die Vorwürfe zurück. Die Vorsitzenden Benita von Brackel-Schmidt und Marlene Langholz-Kaiser erklären auf Anfrage des „Nordschleswigers":

„Wir bedauern das Vorgehen der Bürgerinitiative BAESH und sind verwundert über die Begründung für das Zurückziehen der Teilnahme am Podium. Wir haben als Kreisverbände zu dieser ergebnisoffenen Diskussionsveranstaltung eingeladen, um dort allen vor Ort Betroffenen die Möglichkeit zum offenen Austausch und zur Diskussion zu geben.

Bei einer so kurzfristig organisierten Veranstaltung ist es üblich, verschiedene Gäste anzufragen, parallel jedoch schon einzuladen.

Frau Wolff als Gast hat natürlich keinen Einblick in die Liste der weiteren von uns Angefragten, sonst hätte sie sich wahrscheinlich anders geäußert.

Zudem ist das Setting einer Veranstaltung tatsächlich Sache des Veranstalters.

Absagen aus Dänemark

Leider haben wir sowohl von Nils Sjøberg von Radikale Venstre als auch von Jan Riber Jakobsen von der Konservativ Folkeparti eine Absage erhalten, die sich ja auch vehement gegen die Bauschuttlagerung in Harrislee wenden, ebenso von der Firma Balzersen, die ja direkt betroffen ist.

Herr Ellermann als Bürgermeister der betroffenen Gemeinde war unsere nächste Wahl, da er sich ja im NDR über mangelnde Beteiligung beklagt hatte, die wir ihm gerne bieten wollten. Leider ist auch er aufgrund des Rücktritts von BAESH von seiner Zusage abgerückt.

Da es uns wichtig ist, in der Sache kontroverse Parteien zusammenzubringen, damit diese in einen echten Austausch ihrer jeweiligen Argumente gehen können und das Publikum so befähigt wird, sich aufgrund von Fakten eine eigene Meinung zu bilden, statt sich nur auf irgendwo aufgeschnappte Fakenews zu verlassen, haben wir diese Veranstaltung so kreiert. Die Interpretation von Frau Wolff entspricht unserem Veranstaltungskonzept nicht.

Schade, wir finden, hier wurde eine Chance für einen echten Dialog vertan.

Da jedoch andere Mitglieder der Bürgerinitiative für die Veranstaltung angemeldet sind, wird diese ja trotzdem die Chance haben, sich mit Fragen einzubringen.

Wir freuen uns auf den heutigen Abend und Austausch, auch wenn Frau Wolff diesem mit ihrer Absage einen kleinen Wermutstropfen hinzugefügt hat."

Die Veranstalter der Konferenz hatten betont, dass es sich bei der im Raum stehenden Lagerung von Schutt aus dem Rückbau von Atomkraftwerken nicht um ein Endlager für radioaktiven Müll handele. Dies müsse man voneinander trennen.

Eine Teilnahme bzw. ein Mitverfolgen der Online-Konferenz ist nur über Zugangsdaten möglich, die der Veranstalter per E-Mail übermittelt – Anfragen unter  kgst@gruene-flensburg.de.

Die eventuelle Lagerung von Kraftwerkschutt in unmittelbarer Grenznähe hat auch in der Kommune Apenrade (Aabenraa) für Proteste gesorgt.  

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