DEPONIE BALZERSEN IN HARRISLEE

1500 Menschen demonstrieren gegen Zwangszuweisung von Atomschutt

1500 Menschen demonstrieren gegen Zwangszuweisung von Atomschutt

1500 Menschen demonstrieren gegen Atomschutt

Antje Walther/ Sebastian Iwersen/ shz.de
Harrislee
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Viele Demonstranten kamen mit dem Auto. Andere nutzten das Fahrrad oder spazierten zur Deponie Balzersen. Foto: Sebastian Iwersen/ shz

Ein breites Bündnis setzt sich gegen die geplante Zwangszuweisung ein. Auch aus der Bundespolitik gibt es Rückendeckung.

Rund 400 Fahrzeuge reihen sich aneinander auf der Strecke ab dem Ochsenweg entlang des Ellunder Wegs bis zur Deponie Balzersen. Gegen elf Uhr an diesem Sonnabend-Vormittag füllt sich allmählich auch die für den Gegenverkehr gesperrte zweite Fahrbahn.

Ein bisschen absurd, aber diese Umweltdemo mit Autos ist den besonderen Zeiten geschuldet. Viele folgen dem Aufruf, gegen die Zwangszuweisung von Atomschutt in Harrislee zu protestieren, und kommen mit dem Fahrrad. Wer aus Flensburg oder Harrislee anreist, kann durch die Wilden Weiden des Stiftungslands Schäferhaus radeln; der Ellunder Weg führt direkt am ehemaligen Standortübungsplatz der Bundeswehr entlang.

Gegenüber dem Eingang der Deponie Balzersen führt ein Weg direkt ins Idyll, wo Koniks grasen und Galloways, wo seltene Arten wie Braunkehlchen oder Laubfrösche zu Hause sind. Traktoren – mit Symbolwirkung – blockieren die Einfahrt der Deponie.

Nach Plänen des Landes sollen die Abfälle aus den Atomkraftwerken Brunsbüttel, Krümmel, Brokdorf und dem Forschungsreaktor in Geesthacht zukünftig auf Deponien im ganzen Land verteilt werden, auch auf der Deponie Balzersen an der dänischen Grenze. Laut Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) sind diese Abfälle ungefährlich für die Bevölkerung.

Müll könnte auch ohne Zustimmung in Harrislee landen

Der Betreiber der Deponie in Harrislee, Jörn Lassen, hat bereits angekündigt, die Abfälle nicht annehmen und lagern zu wollen. Dazu jedoch soll er nach neueren Plänen des Landes gezwungen werden. Genau gegen diese Einschätzung, der Schutt sei normaler Hausmüll, und gegen die Lagerung in Harrislee, wehrt sich die „Bürgerinitiative Atommüll Einlagerung Stopp Harrislee (BAESH)“. Mit wissenschaftlich aufgearbeiteten Informationen auf Flyern und Postkarten klärt sie seit Bekanntwerden der Pläne auf.

Insgesamt rund 1500 Menschen folgten dem Aufruf zur Fahrzeug-Demo, schätzt Jörg Wolff, einer der Initiatoren und Sprecher der Bürgerinitiative, und ist überwältigt von der Resonanz. Eine Frau aus Harrislee steht mit ihrem Auto in der Fahrzeugschlange, das mehrere Plakate zieren. Ihre Kinder haben diese rechtzeitig angefertigt, sagt sie und weitere Mitschüler der Waldorfschule von der Sache überzeugt.

Kritik an Jan Philipp Albrecht

Dass ausgerechnet ein grüner Minister den Weg freimache für den Transport durch die Republik und für die Lagerung des AKW-Mülls, gelte als Treppenwitz der Geschichte, sagt ein Harrisleer Familienvater, der mit seiner Frau zur Demo geradelt ist. Natürlich, das können beide nachvollziehen, möchte niemand den Müll vor der eigenen Haustür haben. Die beste Alternative sei deshalb, das kontaminierte Material am originalen Standort zu belassen und dort sicher zu lagern.

Alternativen seien nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden, beklagt Martin Ellermann, Bürgermeister der Gemeinde Harrislee.

Er ist mit dem Fahrrad hier und beeindruckt von der Solidarität und dem starken Zeichen, das die Menschen setzen. Es habe zwar eine Prüfung durch das „Melund“ (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes) gegeben, räumt Ellermann ein, „aber die Argumente wurden gar nicht gewichtet“, kritisiert er. Den Fall aus dem Atomrecht ins Abfallrecht zu entlassen, hält er für grundfalsch.

Handewitt kritisiert, nicht einbezogen worden zu sein

Sein Amtskollege aus dem benachbarten Handewitt, Thomas Rasmussen, zeigt sich erschüttert darüber, dass seine Gemeinde überhaupt nicht einbezogen worden sei – „und das, obwohl die Deponie nur 50 Meter von der Gemeindegrenze entfernt liegt“.

Alle in der Gemeinde Harrislee vertretenen Fraktionen (CDU, SPD und SSW) zeigen Einigkeit in der Sache und sind präsent, außerdem der dänische Nabu und andere Vertreter aus dem Nachbarland. Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Petra Nicolaisen ist vor Ort und verweist auf ihren offenen Brief an Minister Albrecht, in dem sie an sein „grünes Herz“ appelliert. Darin führt sie sechs gute Gründe auf, „von der geplanten Deponierung freigemessener Abfälle aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen auf dem Deponiestandort Harrislee Abstand zu nehmen.“

Einer davon, so schreibt die Christdemokratin: „Eine zwangsweise Zuweisung von freigemessenen Abfällen widerspricht dem Geist der zuvor in der interdisziplinären Arbeitsgruppe praktizierten transparenten Zusammenarbeit.“

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