Dänemark

Vorsitzender der Polizeigewerkschaft: Grenzkontrollen sind „Symbolpolitik“

Vorsitzender der Polizeigewerkschaft: Grenzkontrollen sind „Symbolpolitik“

Polizeigewerkschaft: Grenzkontrollen sind „Symbolpolitik“

Apenrade/Flensburg
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Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft hält die Grenzkontrollen für ineffektiv. Foto: Karin Riggelsen

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Der Nutzen der Polizeikontrollen an der dänischen Grenze ist angesichts der zahlreichen Ressourcen, die die Polizei auf die Aufgabe verwendet, nach Auffassung des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Heino Kegel, zu gering. Der amtierende Justizminister Mattias Tesfaye (Soz.) kontert, die Kontrollen seien notwendig.

8 Schusswaffen, 50 Elektroschocker, 163 Schlagwaffen, 358 Pfeffersprays und 426 Messer hat die Polizei im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Juli 2022 bei Grenzkontrollen nach eigenen Angaben beschlagnahmt.

Hinzu kommt eine Reihe an Bußgeldern für Autofahrerinnen und Autofahrer, die ihre Pkw zu schwer beladen haben, und für Touristinnen und Touristen, die ihren Reisepass vergessen haben.

Kontrollen oftmals zufällig

Nach Ansicht des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Heino Kegel, ist das schlichtweg zu wenig. Das schreibt „Berlingske“.

„Es werden unglaublich viele Ressourcen verbraucht, die eine sehr geringe Wirkung haben“, sagt Heino Kegel gegenüber „Berlingske“.

„Die, die böse Absichten haben, fahren ja nicht über die drei Grenzübergänge, an denen dauerhaft kontrolliert wird – das sagt sich von selbst. Die finden einen anderen Ort, an dem sie die Grenze überqueren können, und wenn sie dann in Dänemark sind, kommt die Hinterlandkontrolle der Polizei zum Einsatz, um diese Verbrecherinnen und Verbrecher zu stellen“, sagt Heino Kegel.

Seiner Auffassung nach wirke es oftmals zufällig, welche Autos an die Seite gewinkt und kontrolliert werden. Deshalb hält er die Grenzkontrollen auch für „Symbolpolitik“, deren Ziel unter anderem darin bestehe, „einige Migrantinnen und Migranten abzuweisen und zurückzuschicken“, so Kegel zu „Berlingske“.

Spärliche Informationen zur Terrorabwehr

„Der Nordschleswiger“ hatte einen Antrag auf Akteneinsicht über die Grenzkontrollen beim Justizministerium beantragt, um mehr über deren Effizienz zu erfahren.

Bei der Akteneinsicht stellte sich jedoch heraus, dass konkrete Informationen zur Terrorabwehr eher spärlich sind. Die Polizei schreibt zwar, dass die Anzahl der Ausländerinnen und Ausländer, die seit Einführung der temporären Kontrollen 2017 an der Grenze abgewiesen worden sind, gestiegen ist, doch ein Teil des Anstiegs sei auf die coronabedingten Einreiserestriktionen zurückzuführen.

Mit anderen Worten ist nicht klar, wie viele Ausländerinnen und Ausländer ausdrücklich aufgrund eines Sicherheitsrisikos abgewiesen wurden, denn aus den Dokumenten geht nicht hervor, wie häufig bei abgewiesenen Personen ein Verdacht auf Terror oder Extremismus vorliegt.

Die Akteneinsicht gibt zudem keinen Aufschluss darüber, ob und welche alternativen Methoden zu Grenzkontrollen in Betracht gezogen wurden. Dass die alternativen Methoden bereits geprüft wurden, wird seitens der EU jedoch ausdrücklich gefordert.

Nachrichtendienst hat keine Kenntnis

Im August hatte „Der Nordschleswiger“ beim Nachrichtendienst PET angefragt, ob ihm Statistiken vorliegen, die zeigen, dass die derzeitigen stationären Grenzkontrollen effektiv dazu beitragen, Terror in Dänemark vorzubeugen. Die Antwort der Pressestelle von PET lautete, dass „PET von solchen Statistiken keine Kenntnis hat“.

Die Polizei hatte jedoch bereits am 1. Oktober 2019 bewertet, dass die Grenzkontrollen „einen Schutz gegen die Einreise von Ausländern, die die Einreisebedingungen nicht erfüllen, und von Ausländern, die möglicherweise beabsichtigen, in Dänemark schwere organisierte Kriminalität oder Terrorismus zu begehen, darstellen könnte. Auch die nationale Reichspolizei ist der Meinung, dass eine vorübergehende Grenzkontrolle eine sicherheitsfördernde und präventive Wirkung haben könnte“.

1,5 Milliarden Kronen an Kosten

Der Akteneinsicht von „Berlingske“ zufolge haben etwa 4 Prozent der Anzeigen zwischen 2016 und September 2020 mit Menschenschmuggel zu tun. Damit entfallen auf die gut 12.000 Anzeigen lediglich 472 auf diesen Tatbestand.

Zahlen der Reichspolizei und der Polizeikreise, die für die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze stehen und in die „Berlingske“ Einsicht bekommen hat, belegen zudem, dass die Grenzkontrollen etwa 1,5 Milliarden Kronen gekostet haben.

Seitdem die Unterstützung durch das Militär aufgrund des Ukraine-Krieges weggefallen ist, entstehen der Polizei weitere Mehrkosten, die sie für das laufende Jahr mit mehr als 100 Millionen Kronen veranschlagt.

Arbeit bleibt liegen

Und gerade weil so viele Ressourcen durch die Grenzkontrollen verschlungen werden, haben andere Polizeikreise in Jütland und Fünen nach Angaben von „Berlingske“ Kolleginnen und Kollegen zur Unterstützung an die Grenze schicken müssen. Dies führe dazu, dass Aufgaben in den Polizeikreisen, aus denen die Kräfte vorübergehend abgezogen werden, dann liegen blieben, so der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft.

„Die Polizei kann nur an einem Ort zur Zeit sein, und wenn man sich von politischer Seite aus dazu entschlossen hat, die Grenzkontrollen aufrechtzuerhalten, müssen die Ressourcen woanders weggenommen werden. Und dann muss man ja mit sich selbst ausmachen, ob man politisch dafür geradestehen will“, sagt Heino Kegel gegenüber „Berlingske“.

Kontrollen weiterhin notwendig

Zwar hatte sich der derzeit nur noch amtierende Justizminister Mattias Tesfaye (Soz.) bereit erklärt zu untersuchen, ob die Grenzkontrollen zweckdienlicher organisiert werden können. „Wir möchten das gerne flexibler gestalten, auch zum Nutzen der Pendlerinnen und Pendler“, sagt Mattias Tesfaye.

Gleichzeitig hält er daran fest, dass die vorübergehenden Grenzkontrollen notwendig seien. Er verweist darauf, dass in diesem Jahr bislang 200 Waffen konfisziert und 2.000 Einreisende an der Grenze abgewiesen worden seien.

Immerhin will der Minister jetzt prüfen, wie ein besserer Verkehrsfluss ermöglicht werden kann.

Tesfaye: Grenzkontrollen keine Symbolpolitik

Auf die Frage von „Berlingske“, ob der Gewerkschaftsvorsitzende der Polizei, Heino Kegel, mit seiner Aussage, die Grenzkontrollen seien reine Symbolpolitik, recht habe, antwortet Tesfaye, dass dies nicht der Fall sei und verweist stattdessen auf einen Anstieg in der Zahl ausländischer Kriminelle, die versuchen, nach Dänemark einzureisen. Zudem gebe es eine ernstzunehmende Terrorbedrohung, so der amtierende Minister.

Die Sicherheitslage dient auch als Begründung für die erneute Verlängerung der Grenzkontrollen um ein weiteres halbes Jahr, die am Sonnabend, 12. November, in Kraft tritt.

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