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HAG-Tagung: Klimawandel verlangt praktisches Handeln

HAG-Tagung: Klimawandel verlangt praktisches Handeln

Klimawandel verlangt praktisches Handeln

Sankelmark
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Die bei Hoyer ins Wattenmeer mündende Wiedau weist immer häufiger Hochwasserstände auf: Es gibt als Folge des Klimawandels mit steigenden Temperaturen immer öfter Starkregen – und der immer höhere Meeresspiegel verkürzt die Zeiten, in denen das Binnenwasser durch Schleusen ins Meer abfließen kann. Foto: Volker Heesch

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Fachleute aus dem deutsch-dänischen Grenzland zeigten bei der Jahrestagung der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig in Sankelmark Auswege angesichts steigender Temperaturen, zunehmender Niederschläge und erhöhtem Meeresspiegels auf. Tonderns Bürgermeister Jørgen Popp Petersen diskutierte mit dem Geschäftsführer des Entwässerungsverbandes in Südtondern, Thies Horn, über künftige Strategien in den Marschen.

Mit dem Thema Konsequenzen des Klimawandels an Nord- und Ostsee hat die Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) bei ihrer Jahrestagung 2024 ein Thema aufgegriffen, das angesichts der jüngsten Ostseesturmflut zusätzlich an Aktualität gewonnen hat.

Experten aus dem Grenzland

Der Biologe und Küstenforscher Prof. Karsten Reise, der Geschäftsführer des Deich- und Hauptsielverbandes Südwesthörn-Bongsiel, Diplomingenieur Thies Horn und der mit großen Infrastrukturprojekten und Naturschutz vertraute Ingenieur Dr. Carsten Jürgensen unterstrichen, dass der Klimawandel rasches praktisches Handeln verlange. 

Mit den Referenten Thies Horn, Carsten Jürgensen und Karsten Reise standen bei der HAG-Jahrestagung in der Akademie Sankelmark kompetente Fachleute zur Verfügung, die Wege aufzeigen, wie an den Küsten von Nord- und Ostsee durch Küsten- und Naturschutz Gefahren des Klimawandels begegnet werden kann. Foto: Volker Heesch

Der Tonderner Bürgermeister Jørgen Popp Petersen (Schleswigsche Partei), der auf Einladung der HAG in die Akademie Sankelmark gekommen war, nutzte die Gelegenheit, um sich während des Vortrags von Thies Horn über neue Wege des in der Nachbarschaft zu seiner Kommune tätigen Entwässerungsverbandes zu informieren. Horn berichtete über ein neues Pilotprojekt im Bereich der Soholmer Au in Südtondern, bei dem in Sachen moderner Hochwasser-, Gewässer-, Natur- und Klimaschutz „alle in ein Boot“ geholt werden. 

 

Tonderns Bürgermeister Jørgen Popp Petersen (Schleswigsche Partei, l.) diskutierte während der HAG-Tagung in Sankelmark mit dem Geschäftsführer des Deich- und Hauptsielverbandes Südwesthörn-Bongsiel, Thies Horn, über grenzüberschreitende Herausforderungen angesichts des Klimawandels mit zunehmenden Überschwemmungsgefahren in den Marschen. Foto: Volker Heesch

Dabei würden Maßnahmen, wie die bereits in Zusammenarbeit mit der Kommune Tondern vorgenommenen Deichrückverlegungen und Einrichtungen naturfreundlicher Überschwemmungsflächen entlang des Grenzgewässers Süderau (Sønderå) ebenso angepeilt wie kostengünstige Schöpfwerke anstelle der vielfach überalterten Technik. 

Von und mit der Landschaft leben

„Wir wollen von und mit der Landschaft leben“, so Thies Horn, der erläuterte, dass die Wasserwirtschaft seines Verbandes, die rund 100.000 Hektar umfasst, in erster Linie im Rahmen bäuerlicher Selbstverwaltung gemanagt und finanziert werde. „Und da kommt schon was auf uns zu“, so der Wasserbauingenieur unter Hinweis auf die klimawandelbedingten, seit Jahren steigenden Niederschlagsmengen bei gleichzeitig steigendem Meeresspiegel. Das mache sich akut an den Sielen am Seedeich wie Schlüttsiel bemerkbar, wo die Zeiten freier Entwässerung ohne Schöpfwerke immer kürzer werden. 

Während der HAG-Tagung erläuterte Thies Horn das Pilotprojekt Soholmer Au. Dort werden viele Entwässerungskanäle beseitigt. Das Wasser soll wieder durch die natürlichen Autalstrukturen bei zurückgesetzten Deichen fließen, was das Wasser in der Landschaft zurückhält – und auch bei Trockenheit Vorteile bringt. Foto: Volker Heesch

„Die Wasserwirtschaft in den Niederungen ist Daseinsvorsorge“, so Thies Horn.

Falsch platzierte Neubaugebiete

Er mahnte, dass sich die Bebauung nach den Vorgaben der Wasserwirtschaft richten müsste, denn inzwischen zeige sich, dass viele Neubaugebiete falsch platziert sind. Im Pilotprojekt Soholmer Au, sie war einst Südgrenze des 1920 geteilten Kreises Tondern, steht laut Horn der Rückhalt von Wasser im Mittelpunkt, um Schöpfwerke, Deiche und Siele zu entlasten. Statt der in der Vergangenheit künstlich geschaffenen Entwässerungskanäle werden die früheren breiten Talräume mit gewundenem Lauf wiederhergestellt. „Das verbessert den Wasserhaushalt und hilft den Gewässern und Böden in den häufigeren Trockenheitsphasen“, erklärt der Wasserbauexperte. Horn berichtete, dass man nach Vorgaben wie der EU-Wasserrahmenrichtlinie und des schleswig-holsteinischen Umwelt- und Agrarministeriums arbeite. Erforderlich seien auch neue Bewirtschaftungsformen in den Niederungen, die nach einer Wiedervernässung den Austritt von Treibhausgasen in die Atmosphäre verringern können. 

Bereits vor einigen Jahren ist an der deutsch-dänischen Grenze bei Bremsbüll (Bremsbøl) im Bereich der Süderau der Deich zurückgebaut worden, und es sind Überschwemmungsfläche entstanden, auf denen der Naturschutzexperte Jesper Tofft durch Ausbringen von Brutflößen das Überleben der seltenen Trauerseeschwalben fördert. Foto: Volker Heesch

Während der Diskussion unter anderem mit dem Tonderner Bürgermeister betonte Horn, dass man beispielsweise bei der aktuellen Schaffung eines 40 Hektar umfassenden „Wasserzwischenspeichers“ für das Grenzgewässer Süderau die Zustimmung aller beteiligten deutschen Landwirtinnen und Landwirte erreicht habe. Während Horn die neuen, verbreiterten Klimadeiche vorstellte, die eine Erhöhung der Seedeichlinie bei künftig weiter steigendem Meeresspiegel ermöglichen, erinnerte Jørgen Popp Petersen an die steigenden Binnenwassermassen. 

Das steigende Binnenwasser führt zu immer häufigeren Überschwemmungen an der Wiedau. Im nördlichen Margrethenkoog bei Hoyer wird deshalb bald zusätzlicher Stauraum geschaffen, der von der Stiftung „Den Danske Naturfond“ auf Initiative der Kommune Tondern in ein Naturparadies verwandelt wird. Foto: Volker Heesch

„In Tondern war der Deich 2020 fast gebrochen. Viele bebaute Gebiete sind bedroht“, so der Bürgermeister. 

Alles muss bezahlt werden

Thies Horn erinnerte daran, dass alle Schutzmaßnahmen bezahlt werden müssten. Es stelle sich bei vielen Flächen die Frage, ob sich dort ein Schöpfwerk lohnt. Er lobte, dass man schon seit Jahren über die Grenze hinweg bei kombinierten Hochwasser- und Naturschutzprojekten wie an der Süderau zusammenarbeite. „Es gibt dabei aber noch Defizite, oft macht jede Seite ihr eigenes Ding“, so der Wasserbaufachmann, dessen Verband schon immer Flächen wie den Gotteskoog über die seit 1920 überwiegend zu Dänemark gehörende Wiedau (Vidå) entwässert.

 

Über die Vorträge von Karsten Reises und Carsten Jürgensens kannst du hier mehr erfahren:

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