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Germanist Øhrgaard kritisiert: Israel keine deutsche Staatsräson

Germanist Øhrgaard kritisiert: Israel keine deutsche Staatsräson

Germanist kritisiert: Israel keine deutsche Staatsräson

DN
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Siegfried Matlok (links) und Germanistik-Professor Per Øhrgaard Foto: Privat

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Er ist in Dänemark der Mann mit dem großen „G“ – für Goethe und Grass: Der Germanistik-Professor und Schriftsteller Per Øhrgaard wird am 6. Februar 80 Jahre. Im „DK4“-Fernsehen stellt er sich den Fragen von Siegfried Matlok. Seine Antworten, vor allem zum Israel-Gaza-Konflikt und der angeblichen deutschen Staatsräson für Israel, sind erstaunlich. Und Øhrgaard hält sich auch mit harscher Kritik nicht zurück: Der deutsche Bundespräsident Steinmeier ist für ihn „ein Reisender in Zerknirschung“.

Der bekannte dänische Germanistik-Professor Per Øhrgaard hat in einem Fernseh-Interview anlässlich seines 80. Geburtstages in der Sendung „Dansk-tysk med Matlok“ auf „DK4“ die Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahre 2008, Israel sei deutsche Staatsräson, scharf kritisiert.

„Das ist sehr, sehr unglücklich, denn man kann als Land nicht die Existenz eines anderen Landes als Staatsräson einstufen. „Das ist logischer Unsinn“, so Øhrgaard und fuhr fort: „Ich kann die Deutschen zwar gut verstehen, aber es nützt doch nichts, Israel fast bedingungslose Unterstützung zu gewähren, schon gar nicht, wenn man sieht, was jetzt im Gaza geschieht.“ Selbst der von ihm eigentlich bewunderte deutsche Vizekanzler Robert Habeck habe kürzlich bei einem Besuch in Saudi-Arabien nur über Hamas und Hisbollah gesprochen, aber kein Wort über Gaza.

„Deutschland hat sich sozusagen zur Geisel einer israelischen Politik gemacht, die kein vernünftiger Mensch auf Dauer akzeptieren kann. Das gilt ja auch für die Hälfte der israelischen Bevölkerung, die nicht mit der Politik der Regierung Netanjahu einverstanden ist.“

Deutsche Schuld bleibt deutsche Schuld, aber …

Als Siegfried Matlok auf die moralisch-deutsche Defensive wegen der Holocaust-Vergangenheit verwies, antwortete Øhrgaard: „Ich verstehe die deutsche Haltung vor dem Hintergrund der Geschichte, aber irgendwann kann ich dem keinen Beifall mehr spenden. Irgendwann muss man sich davon lösen. Die deutsche Schuld wird nie verschwinden, deutsche Schuld bleibt deutsche Schuld, aber dass die deutsche Schuld in aller Ewigkeit die deutsche Politik bestimmen soll, das ist nun auch nicht gesund.“

Kritik an Steinmeier – Reisender in Zerknirschung

Im Fernseh-Interview wird auch die gegenwärtig innere Krise in Deutschland diskutiert und die Frage, ob Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier jene Autorität hat, um den deutschen Zusammenhalt zu sichern.

Øhrgaard: „Steinmeier ist doch ein sympathischer Mann und hat auch eine schwere Aufgabe zu meistern, aber ich glaube nicht, dass er dafür der richtige Mann ist. Steinmeier ist, wie ich meinen deutschen Freunden zu sagen pflege, ein Reisender in Zerknirschung geworden („sønderknust“). Er repräsentiert und spricht bei jeder Gelegenheit über die deutsche Schuld. Das macht ihn nicht zu einer einigenden Autorität, aber das ist auch nicht seine Aufgabe. Es ist die Aufgabe von Bundeskanzler Olaf Scholz, der aber zurzeit das schwache Glied in der Kette ist.“

Per Øhrgard verweist auf den Bundeskanzler, der die Richtlinien der deutschen Politik bestimmt, aber Scholz sei zu sehr mit dem Streit zwischen Grünen und FDP beschäftigt, was zur Folge hat, dass er nicht selbst Format zeigen kann. „So verliert die Regierung die nächste Wahl an die CDU/CSU. Und ich zweifle nicht einen Augenblick daran, dass ein Friedrich Merz als Kandidat dann gegebenenfalls die AfD nicht ausschließen wird.“

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