Datenaustausch in der EU

Bußgeldbescheide aus dem Ausland ignorieren? „Ganz schlechte Idee"

Bußgeldbescheide aus dem Ausland ignorieren? „Ganz schlechte Idee"

Bußgeld aus dem Ausland ignorieren? „Ganz schlechte Idee"

Nordschleswig
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Eine mobile Radarfalle in Deutschland – Bußgeldbescheide werden in Zukunft auch nach Dänemark geschickt. Foto: Christian Schroedter / Imago / Ritzau Scanpix

Du sollst nicht zu schnell fahren – dieses Gebot sollten Dänen in Zukunft auch auf ausländischen Straßen tatsächlich ernst nehmen. Denn ab sofort werden Bußgelder aus dem Ausland automatisch nachgeschickt und verfolgt. Wie das in der Praxis funktioniert, hat uns das Landespolizeiamt Schleswig-Holstein erklärt.

Vorsicht, Bußgeldbescheide reisen dem dänischen Verkehrssünder nun quasi automatisch aus dem Ausland nach: Als letztes Land der EU ist Dänemark dem automatisierten Verfahren zum Austausch von Fahrzeughalterdaten am 1. Juli beigetreten. Das bedeutet: Ab sofort werden Bußgelder aus dem Ausland nachgeschickt – auch niedrige Beträge werden geahndet.

„Bislang war es so, dass wir Verstöße von Dänen im Straßenverkehr nur dann geahndet haben, wenn wir die Verkehrsteilnehmer quasi auf frischer Tat ertappt und das Bußgeld an Ort und Stelle eingezogen haben“, erklärt Torge Stelck, Sprecher des Landespolizeiamts Schleswig-Holstein. „Andere Verstöße wie Geschwindigkeitsübertretungen wurden im Großen und Ganzen nicht verfolgt, beispielsweise bei Radarmessungen ohne Anhalten.“

Auch kleinere Beträge werden eingefordert

„Da gab es bislang ganz klar eine Gerechtigkeitslücke“, sagt Stelck. „Einige Verkehrsteilnehmer wurden für ihre Vergehen nicht belangt, weil sie aus Dänemark kamen. Das ändert sich jetzt.“

Durch den neuen automatischen Austausch von Fahrzeughalterinformationen werden die Bußgeldbescheide in Zukunft nachgeschickt. Auch kleinere Beträge werden eingefordert.

„Es geht nicht um die Höhe der Strafe, es gibt keine Bagatellgrenze. Es gibt einen Katalog mit acht Verstößen, darunter gehört zu schnelles Fahren, Fahren unter Alkoholeinfluss oder Handynutzung am Steuer. Nicht die Höhe des Bußgeldes entscheidet, ob wir einen Bescheid verschicken, sondern der Verstoß selbst“, erläutert Stelck.


 

Auch in Dänemark gibt es feste Blitzer – außerdem nutzt die Polizei mobile Radareinheiten. Foto: Christian Lindgren / Ritzau Scanpix

Zukünftig werden acht als gefährdende Verkehrsdelikte eingestufte Verstöße durch  EUCARIS (European Car and Driving License Information System) verfolgt. Das sind:

  • Geschwindigkeitsübertretungen
  • Nicht-Anlegen des Sicherheitsgurtes
  • Überfahren eines roten Lichtzeichens
  • Trunkenheit im Straßenverkehr
  • Fahren unter Einfluss von berauschenden Mitteln
  •  Nicht-Tragen eines Schutzhelmes
  • unbefugte Benutzung eines Fahrstreifens
  • rechtswidrige Benutzung eines Mobiltelefons oder anderer Kommunikationsgeräte beim Fahren

Der Bußgeldbescheid wird in dänischer Sprache verschickt. „Das ist in der Regel so, dass man den Bescheid in der eigenen Sprache zugestellt bekommt. Wenn man als Deutscher in Spanien zu schnell fährt, kriegt man  die Zahlungsaufforderung aus Spanien ja auch auf Deutsch“, so der Pressesprecher.

Was, wenn man den Bescheid aus Deutschland ignoriert?

Und was passiert, wenn man den Bescheid aus Deutschland einfach ignoriert und in den Müll wirft? „Ganz schlechte Idee“, warnt der Sprecher der Landespolizei. „Denn wenn der Bußgeldbescheid nach mehrmaliger Aufforderung nicht gezahlt wird, gibt es ein Inkassoverfahren – und die jeweilige Behörde, in dem Fall eine dänische Instanz, übernimmt das Einziehen der Schuld. Und das kann in Dänemark richtig teuer werden.“

Zuletzt könne man – ebenfalls durch Mitwirken der dänischen Behörden – in sogenannte Erzwingungshaft genommen werden.

Natürlich könne man als Empfänger eines Bußgeldbescheids rechtlich dagegen vorgehen. „Wenn man der Meinung ist, dass man ungerechterweise belangt wird, kann man dagegen vor einem Gericht klagen“, so Stelck.

Und ab wann genau verschickt die Landespolizei Schleswig-Holstein Bußgeldbescheide nach Dänemark? „Derzeit arbeiten wir daran, ein dänisches Anschreiben zu verfassen, das wird dann automatisiert verschickt. In ein paar Tagen werden wir soweit sein, dann geht es los.“

„Da müssen wir jetzt erstmal Erfahrungen sammeln"

Bedeutet das Versenden von Bußgeldbescheiden nach Dänemark einen erhöhten Arbeitsaufwand? „Die Bescheide werden ja automatisch verschickt, aber wir müssen sehen, wieviele es am Ende werden und wie sich das auswirkt. Da müssen wir jetzt erstmal Erfahrungen sammeln.“

Wieviele Dänen bislang pro Jahr trotz Verkehrsverstoß ohne Bußgeldbescheid davongekommen sind, wisse man nicht. „Darüber haben wir keine Statistik geführt. Die Zahl dürfte aber recht ordentlich sein“, vermutet der Mitarbeiter des Landespolizeiamtes.

„In Schleswig-Holstein fallen natürlich immer wieder auch dänische Verkehrsteilnehmer mit Verstößen auf, wir haben darüber aber keine konkrete Statistik. Es ist aber nicht richtig, dass dänische Verkehrssünder bisher gar nicht zahlen mussten. Wenn die Polizei ausländische Verkehrsteilnehmer wegen Verstößen anhält, mussten diese in der Regel die Strafe sofort bar bezahlen. Das wird nun mit EUCARIS ausgeweitet, beispielsweise bei Radarmessungen ohne Anhalten, und ersetzt die Barzahlung vor Ort", so der Mitarbeiter aus dem Leitungsstab für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Damit kann die seit einigen Jahren geltende grenzüberschreitende Enforcement-Richtlinie der EU auch gegenüber dänischen Verkehrsteilnehmern durchgesetzt werden.

Mahnungen: Vorgehensweise der deutschen Polizei

  • Die deutsche Polizei wird unerledigte Vorgänge nicht direkt nach Dänemark abgeben. Zunächst übernehmen die örtlich zuständigen Bußgeldbehörden in Schleswig-Holstein die Vorgänge. Der „Verkehrssünder“ wird zwei Mal angemahnt. Bleibt auch dies erfolglos, geht der Vorgang an das Hauptzollamt nach Potsdam über.
  • Wird der Verkehrssünder beim nächsten Grenzübertritt nach Deutschland ertappt, kann er direkt zur Kasse gebeten werden. Eine weitere Möglichkeit der Sanktionierung unbezahlter Fälle ist die Rechtshilfe über das Bundesamt für Justiz, das dann wiederum mit den dänischen Behörden in Kontakt tritt.

Datenaustausch über EUCARIS

  • Das europäische Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem EUCARIS (EUropean Car and Driving Licence Information System) ermöglicht einen direkten Online-Abruf von Daten aus den zentralen Fahrzeug- und Führerscheinregistern der beteiligten Staaten. Dänemark ist das letzte EU-Land, das dem Abkommen beigetreten ist.
  • Bereits zuvor konnten Bußgeldbescheide über die Grenze hinweg ausgestellt werden. Aufgrund der hohen Verwaltungsaufwands wurde darauf in der Regel aber verzichtet. Durch die Automatisierung des Verfahrens ändert sich das nun.
  • Parkstrafen werden nicht von der Polizei, sondern von Kommunen, Kreisen und Städten erhoben und eingezogen. Die meisten Kommunen arbeiten mit ausländischen Inkasso-Unternehmen zusammen.
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