Leitartikel

„Kühlen Kopf bewahren“

Kühlen Kopf bewahren

Kühlen Kopf bewahren

Kopenhagen
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Der dänische Außenminister Jeppe Kofod hat am Sonntag die östliche Ukraine besucht, um sich ein Bild von der Lage zu machen und seine Unterstützung zu bekunden. Eine Lösung zu finden, wird schwieriger werden. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

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Mit der militärischen Aufrüstung in der Ostsee ist der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine unangenehm nah an unsere Haustür gerückt. Jetzt gilt es, weder überzogen noch naiv zu reagieren, meint Walter Turnowsky. Dabei sei auch entscheidend, Informationen, ganz gleich von welcher Seite, kritisch zu bewerten.

Russland erhöht die Anzahl der Kriegsschiffe in der Ostsee von einem auf sechs, Schweden antwortet mit erhöhter militärischer Präsenz auf Gotland. Dänemark schickt eine Fregatte und vier F-16-Fighterjets ins Baltikum. Die NATO schickt ein niederländisches Kriegsschiff in die Nähe von Bornholm.

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist nicht nur in unserer Nähe angekommen, wir sind längst Teil des Konfliktes. Überraschend ist das nicht, denn es letztlich eben auch ein Konflikt zwischen Russland und der NATO.

Und da wir uns also in einem Konflikt befinden, sollten wir uns auch den Spruch vergegenwärtigen, die Wahrheit sei das erste Opfer des Krieges. Der US-Politiker Hiram Johnson soll das 1914 als erster gesagt haben. Es galt damals und gilt heute.

Daher müssen wir auch sämtlichen Aussagen zu dem Konflikt mit äußerster Vorsicht genießen, ganz gleich von welcher Seite sie kommen. Die Kommunikation ist ein wesentlicher Teil des Krisen-Managements.

Dies gilt zum Beispiel für die Aussage des Weißen Hauses in Washington, man habe sichere Hinweise, Russland plane in der östlichen Ukraine eine sogenannte „False-Flag-Operation“, die als Anlass für eine Invasion dienen soll. Dies könne ein fingierter Angriff auf die russisch-sprechende Minderheit sein, der dann der Ukraine zugeschrieben werden soll.

Nach Einschätzung des Militärexperten Peter Viggo Jakobsen handelt es sich dabei in erster Linie um einen Versuch der USA, ein ebensolches Ereignis zu verhindern.

Der Lektor am Institut für Strategie und Kriegsführung an der Bildungsanstalt der dänischen Streitkräfte, Forsvarsakademiet, sagt zu „Jyllands-Posten“, er meine, Wladimir Putin habe eingesehen, dass er Russland nicht geografisch ausweiten kann, da der Preis zu hoch wäre. Eine engere militärische Anbindung der Ukraine an die NATO könne Putin jedoch nicht tolerieren.

Der starke militärische Aufmarsch Russlands an der Grenze zur Ukraine birgt daher das Risiko einer Eskalation. Es kann zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen, auch wenn das möglicherweise nicht unmittelbar der Plan des russischen Präsidenten ist.

Der Westen sollte eine solche Situation jedoch nicht geradezu herbeireden beziehungsweise -handeln.

Dabei geht es nicht darum, die Ziele und Methoden eines Putin schönzureden. Er hat bereits hinlänglich bewiesen, dass ihm Menschenleben herzlich wenig bedeuten.

Auch scheint der Krieg gegen die Ukraine bereits begonnen zu haben. Vergangenen Freitag wurden die Behörden des Landes durch einen massiven Cyberangriff gelähmt. Solche Attacken sind Teil moderner Kriegsführung.

Eine belarussische Hackergruppe soll hinter dem Angriff stecken. Wie gesagt, so sollten wir derartige Informationen nicht einfach für bare Münze nehmen. Sollte sich der Verdacht jedoch erhärten, führt die Spur direkt nach Moskau. Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko ist ein enger Vertrauter Putins.

Die „Vorteile“ eines Cyberangriffes für einen Aggressor: Er ist wesentlich billiger, kostet kaum eigenen Soldaten das Leben und es lässt sich leichter verschleiern, wer dahintersteckt. Dass zum Beispiel Angriffe auf Energieversorger und Krankenhäuser für die Menschen im betroffenen Land schmerzlich sind, liegt auf der Hand.

Auch wirtschaftliche Methoden gehören zum Arsenal, wenn es darum geht, zu versuchen, geopolitische Ziele durchzusetzen. Das reicht von der Schaffung von wirtschaftlichen Abhängigkeiten über Erpressung bis zur Verweigerung von Lieferungen von Gas, Öl oder Strom.

Kurzfristig muss es darum gehen, den Konflikt um die Ukraine zu entschärfen. Das wird alles andere als einfach. Putin verlangt Garantien, dass die NATO die Ukraine niemals als Mitglied aufnehmen wird. Die NATO verweigert dies.

Dabei ist eine NATO-Mitgliedschaft derzeit kaum eine Option. Das würde nämlich bedeuten, dass wir verpflichtet wären, der Schwarzmeer-Republik militärisch beizustehen, sollte sie tatsächliche angegriffen werden. Die Frage ist daher, ob sich zwischen den beiden Positionen ein diplomatischer Weg finden lässt. 

Denn daran führt kein Weg vorbei, wobei Putin überzeugend vermittelt werden muss, dass ein eventueller Angriff Folgen haben wird.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reist am Montag zu ihrem Antrittsbesuch in die Ukraine und bereits am Abend nach Moskau weiter. Sie erwarte keine schnellen Lösungen, hat sie im Vorfeld gesagt.

Das ist wohl wahr, und dabei bin ich noch nicht einmal darauf eingegangen, wie wir auf die komplexe Bedrohungslage unserer Zeit langfristig reagieren können. 

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