Flucht und Einwanderung

„Wer wirklich Solidarität zeigen will, macht es wie Dänemark“

„Wer wirklich Solidarität zeigen will, macht es wie Dänemark“

„Wer wirklich Solidarität zeigen will, macht es wie Dänemark“

cvt/dpa/Ritzau
Brüssel
Zuletzt aktualisiert um:
Lars Løkke Rasmussen
Lars Løkke Rasmussen in Brüssel. Foto: Scanpix

Die EU-Staats- und Regierungschefs sind einer europäischen Einigung über den Umgang mit Asylbewerbern nicht näher gekommen. In Brüssel plädierte Dänemarks Regierungschef Løkke dafür, nicht über die von Deutschland geforderte Verteilung zu sprechen – sondern darüber, Migration zu vermeiden.

Im Streit über die europäische Asylpolitik hat es beim EU-Gipfel keine Annäherung gegeben. „Hier haben sich die Standpunkte nicht verändert“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach stundenlangen Gesprächen in Brüssel.  „Allerdings gibt es einen klaren Auftrag, bis Juni nächsten Jahres weiterzuarbeiten.“

Ähnlich äußerte sich der österreichische Bundeskanzler Christian Kern. Die 28 EU-Staaten finden seit Jahren keine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik. Eine Grundsatzdebatte am Donnerstagabend sollte ausloten, welche Reformen bis Mitte 2018 möglich sind. Umstritten ist vor allem, wie künftig im Fall einer Flüchtlingskrise besonders stark betroffene Staaten entlastet werden können. Die EU-Kommission und Länder wie Deutschland sind für eine Umverteilung inklusive Aufnahmepflicht, zumindest bei einem sehr starken Zustrom. Polen, Ungarn und Tschechien lehnen aber jede Art von Zwang bei der Aufnahme von Flüchtlingen ab.

Løkke: „Wir lösen das Problem, indem wir dafür sorgen, dass sie nicht nach Europa kommen“

Dänemarks Regierungschef, Staatsminister Lars Løkke Rasmussen (Venstre), plädierte unterdessen für einen verstärkten Einsatz in Afrika, um Flucht und Migration vorzubeugen. „Wenn man wirklich Solidarität zeigen will, dann sollte man es wie Dänemark machen“, sagte er. „Nämlich, der UN-Zielsetzung dazu nachzukommen, wie viel Entwicklungshilfe man geben sollte.“

Im März soll auf einem erneuten Treffen weiter verhandelt werden. Doch Løkke macht schon jetzt klar, dass auch er kein Freund der Umverteilung ist. „Wir lösen das Problem nicht grundlegend, indem wir die umherschieben, die nach Europa gekommen sind“, so Løkke. „Wir lösen das Problem, indem wir dafür sorgen, dass sie nicht nach Europa kommen“ – und auf diesem Gebiet habe sich die EU-Politik bereits in vielen Bereichen als wirksam erwiesen. Libyen zum Beispiel sende bereits täglich bis zu 700 Menschen in ihre Herkunftsländer zurück. Die Anzahl der Menschen, die nach Europa kommen, sei um bis zu 70 Prozent gefallen, so Løkke. „Die Dinge beginnen zu wirken“, sagte er.

Das Ziel, so Løkke, sei ein System, in dem die EU Afrika und sich selbst so sehr im Griff habe, dass Menschen nicht „zufällig“ nach Europa kommen. Deshalb seien es UN-Quoten und nicht EU-Quoten, über die zu Reden sei. „Dann müsste Europa – und das gilt auch für Dänemark – selbstverständlich darauf eingestellt sein, einen Anteil der Flüchtlinge aufzunehmen“, so Løkke.

Schweden enttäuscht über Nein-Sager

Schwedens Regierungschef Stefan Löfven unterdessen will die Quote – und verließ Brüssel mit einiger Enttäuschung, auch über die Aussagen von EU-Präsident Donald Tusk. Der Pole hatte vor dem Treffen gesagt, dass die Idee einer Quotenverteilung eingestampft werden sollte. „Es ist kein Geheimnis, dass wir eine andere Sicht der Dinge haben, zum Beispiel bei der Umverteilung der Flüchtlinge“, sagte er. Immerhin gebe es „ein Beswusstsein darüber, dass, wenn wir das hier nicht lösen, wir vor großen Problemen stehen“, so Löfven.

Es müsse allen klar sein, dass es einen Unterschied zwischen Wirtschaftsmigranten und anerkannten Flüchtlingen gebe. Bei der Umverteilung gehe es ausschließlich um Flüchtlinge, die schutzbedürftig sind, so der schwedische Sozialdemokrat. Er hofft auf Einigkeit, sagt aber auch: „Es gibt ja auch die Möglichkeit eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit. Natürlich zielen wir auf Einigkeit. Aber ich sehe das als Lösung, wenn wir uns nicht einig werden“, So Löfven.

Sanktionen gegen Russland, Distanzierung von Trumps Jerusalem-Entscheidung

Trotz des erbitterten Streits fanden die EU-Länder bei anderen Fragen eine gemeinsame Linie. So einigten sie sich auf eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland um ein halbes Jahr, weil der Friedensprozess in der Ukraine nicht vorankommt. Die EU hatte die Sanktionen in der Ukrainekrise 2014 eingeleitet und trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen immer wieder verlängert, zuletzt im Sommer bis Ende Januar 2018. Nun sollen sie mindestens bis Ende Juli 2018 in Kraft bleiben.

Die Gipfelteilnehmer distanzierten sich auch einmütig von der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Die EU beharrt auf der Position, dass der Status Jerusalems durch Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern geklärt werden muss.

Einigkeit demonstrierten die Staats- und Regierungschefs auch mit dem feierlichen Start der neuen Militärkooperation - kurz Pesco genannt. Sie wurde auf dem Gipfel als großer Fortschritt gefeiert. Merkel und die Chefs der übrigen 24 teilnehmenden Länder würdigten den Schritt bei einer kurzen Zeremonie. Tusk sprach von einem Traum, der Wirklichkeit geworden sei.

Am Freitag steht beim Gipfel eine Debatte über Reformen der Wirtschafts- und Währungsunion an. Entscheidungen sind allerdings nicht vorgesehen, bevor Deutschland eine neue Regierung hat. Ebenfalls am Freitag wollen die 27 bleibenden EU-Länder die zweite Phase der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien einläuten.

 

 

Mehr lesen