Geschichte

Friesische Wetterkapriolen

Friesische Wetterkapriolen

Friesische Wetterkapriolen

Karin de la Roi-Frey/shz.de
Föhr
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Die Ebbebrücke vor dem Haus Meinert am Sandwall wird im Frühjahr 1890 durch Eisdrift stark beschädigt. Foto: Archiv/Karin de la Roi-Frey/shz.de

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Mal zu warm, mal zu kalt: Der Frühling machte auch in früheren Jahrhunderten, was er wollte.

Im Jahr 1856 beginnt der Wyker Georg Weigelt sen. im Garten seiner Warmbadeanstalt am Sandwall (heute: „Milchbar“) mit seinen kontinuierlichen Wetteraufzeichnungen. Er wird mit seinen Beobachtungen zum Pionier an der Westküste Schleswig-Holsteins. Für frühere Zeiten existieren allenfalls sporadische, persönliche Aufzeichnungen wie die einer Berliner Salonière aus dem Frühling 1812: „9. April: Freitagnachmittag sechs Uhr vorbei, schneeig, hell, etwas blau am Himmel“. Von Unwettern berichten Pastoren in den Kirchenbüchern, Reisende erzählen von Wetterzonen, Landwirte machen sich Aufzeichnungen und sammeln so Erfahrungswerte. 

 

 

 

Dänemarks Herrscher lassen zum Beispiel die „Seeländische Chronik“ anlegen, manche notieren die Wetterlage zum eigenen Vergnügen, andere eher nebenher in ganz anderen Zusammenhängen. So ist bekannt, dass im Frühjahr 1322 noch im März ein strenger Winter herrschte. Ein Sammler von alten Wetterdaten berichtet über das Jahr 1596 auf den nordfriesischen Inseln: „Es war ein schönes Vorjahr, und schon drei Wochen vor dem 1. Mai war das Vieh allenthalben auf dem Feld. Niemand erinnerte sich eines so angenehmen Frühlings.“

Anfang März blühen die Bäume

Zwanzig Jahre später heißt es über den Frühling: „Es war ein ganz milder Winter, es fror nur zwei Tage. Holunder und andere Bäume blühten schon zur Fastnacht, am 3. März. Der Bauer auf der Geest hatte schon vor der Fastnacht sein Land gepflügt, und man brachte schon um diese Zeit das Vieh auf die Weide, so dass Pferde um Fastelabend auf der Weide gesprungen und getanzt haben.“ 

 

Für das Jahr 1756, in dem der Siebenjährige Krieg ausbricht, weiß der Sammler zu berichten: „Anfang Februar konnte man schon den Garten umgraben und besäen. Johannisbeerstauden bekamen schon Blätter.“ Zwanzig Jahre später kämpft der soeben nach Weimar gezogene Goethe im Frühjahr gegen die Unbilden der Witterung: „Ich kalfatre itzt Fenster und Türen“. Lange danach veröffentlicht er den „Versuch einer Witterungslehre“ und ist überzeugt, dass Gesundheit und Leistungsfähigkeit vom Wetter abhängig sind.

Ungewöhnlich milde Winter

Das erfahren die Sommergäste, die zur Erholung nach Föhr kommen, am eigenen Leib und genießen die Zeit auf der Insel. Von den Problemen der Hoteliers und Vermieter, die sich mit dem beginnenden Frühjahr ankündigen, bekommen sie wenig mit: „Der Winter 1881/82 war ungewöhnlich gelinde. Unsere Hotelwirte hatten es schwer, sich das erforderliche Quantum Eis zu verschaffen.“  Für den März 1888 registriert Georg Weigelt  jun. , nun offiziell vom Preußisch-Meteorologischen Institut mit der „Wahrnehmung der Beobachtungen in Wyk“ betraut, 25 Frosttage, 21 trübe Tage und einen heiteren Tag. Eine Ende Februar einsetzende Kältewelle mit Schneehöhen von zwei  bis drei Metern lässt erst etwa Mitte April nach. Es heißt: „Die Not war groß. Sammlungen setzten ein. Auch auf unserer Insel wurden solche veranstaltet. Stine Andresen sprach auf einer öffentlichen Veranstaltung.“

 

1894 bringen der April und Mai „sehr fruchtbares Wetter“. Eine harte Frostnacht lässt die Kartoffeln allerdings schwarz werden. 1899 wird für Mitte März viel Schnee bei steif-kaltem Nord-Ostwind verzeichnet. Die Kleinbahn von Niebüll nach Dagebüll bleibt in Schneewehen stecken, der Schiffsverkehr wird eingestellt. Im Jahr darauf wird die Ebbebrücke vor dem Haus Meinert am Sandwall durch Eisdrift stark beschädigt. Am 15. März melden die Halligen das Meer als eisfrei, der Bakenstecher bringt die Seezeichen wieder in Ordnung.  Im ersten Kriegsfrühjahr 1915 notiert ein Niebüller Bauer Mitte Mai: „Den ganzen Tag Regen, sehr kalt und Schnee-Hagel. Im Koog viel Vieh ertrunken“.

Wintermantel im Mai

Zum Ende des 2. Weltkriegs 1945 ließ ein früher, zarter Frühling Hoffnung in den Menschen aufkommen: „Ich erinnere mich an den Friedensfrühling. Es lag ein Schimmer über den Tagen, ein Licht“. Und manche denken wohl auch noch an den schweren Eiswinter 1963, gegen den sich der Frühling einfach nicht durchsetzen konnte. Noch am 19. Mai 1963 schreibt eine Insulanerin in ihr Tagebuch: „Sehr kalt, Karin hat ihren Wintermantel an“. Und dann wird es fast ohne Übergang Sommer. Am 30. Mai 1963 heißt es: „Sehr warm“.

 

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