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Marktschwärmer in Flensburg

Marktschwärmer in Flensburg

Marktschwärmer in Flensburg

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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"bauer to the people" heißt es demnächst in Flensburg, denn Benedikt Biese und sein Kompagnon eröffnen eine Marktschwärmerei nähe der Waldorfschule. Foto: Michael Staudt

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Die Marktschwärmereien werden in der Pandemie immer beliebter. Zwei junge Flensburger bringen ab Juni regionale Erzeuger und Kunden zusammen.

Schöner als die Franzosen kann man die Idee wohl kaum bezeichnen: Der Bienenkorb, der ja sagt – La Ruche Qui Dit Oui steht für ein Konzept von 2011, das drei Jahre später Deutschland erreichte. Hierzulande heißt es „Marktschwärmer“. Das Modell verbindet die Bestellung von regionalen und Bio-Produkten bei Erzeugern in der Nähe und die Abholung durch die Kunden an einem zentralen Ort.

Benedikt Bliese und Leon Christiansen aus Flensburg wollen diese Form der Online-Direktvermarktung auch in ihrer Heimatstadt etablieren. Geplant ist die Eröffnung des ersten Marktschwärmer-Wochenmarkts an der Waldorfschule. Der Verkauf soll Anfang Juni starten, als Markttag zum Abholen der online bestellten Waren wurde der Donnerstagabend von 17.30 bis 19 Uhr auserkoren.

Viel Platz für den Markt an der Waldorfschule

Die 28-jährigen Freunde haben beide die Waldorfschule besucht und diesen Standort gewählt, weil er viel Platz biete und gut erreichbar sei, begründet Benedikt Bliese. Der Hotelfachmann und Fachwirt für das Gastgewerbe hat mehrere Jahre in Australien und Neuseeland verbracht und war Chef de Rang auf der MS Europa.

Genauso wie Kompagnon Leon Christiansen ist er noch nicht lange wieder zurück in der Heimat. Christiansen hat Mediendesign studiert und ist als schiffsmechanischer Assistent zur See gefahren. Ein paar Jahre als Einzelhandelskaufmann folgten, jetzt ist er in einem Aufstiegsprogramm bei Rewe.

Wir schmeißen ungern Dinge weg.
Benedikt Bliese, Initiator der Marktschwärmer für Flensburg

egen der Pandemie hat Benedikt Bliese seine Tätigkeit in einem Flensburger Hotel im November 2020 zugunsten des Jobs in Johannsens Hofladen in Sprakebüll aufgegeben. Dort, so erzählt er, „durfte“ er das Konzept der Marktschwärmer kennenlernen, denn der Hof ist bereits Erzeuger für die Schwärmereien in Kiel und Schleswig.

In Sprakebüll habe er in der Küche gearbeitet, die IT-Installation und die damit verbundene Schulung der Mitarbeiter übernommen; jetzt versuche er, Arbeitsabläufe zu optimieren und neue Ideen für hausgemachte Gerichte einzuspeisen. „Wir schmeißen ungern Dinge weg“, die Speisekammer sei sorgfältig sortiert.

Bliese weiß auch zu berichten, dass es Marktschwärmer schon einmal in Flensburg gab, und zwar 2018 auf dem Sandberg. Doch die Gegebenheiten waren nicht ideal, der „Bienenkorb“ verstummte.

Laut Website gibt es bislang in Deutschland mehr als 100 lokale Märkte in zehn Bundesländern, weitere 50 Schwärmereien seien im Aufbau. Das Prinzip funktioniert so: Der Kunde bestellt auf der Marktschwärmer-Website für Flensburg seine Wunschwaren, also beispielsweise ein Kilogramm Ziegenkäse aus Sörup, 20 Landeier aus Mohrkirch und Wildfleisch aus Jübek. Bezahlt wird online.

Für die Marke Marktschwärmer gilt laut zentraler Auskunft: „Der Erzeuger gibt von seinem Nettoumsatz 8,35 Prozent an den Gastgeber für die Organisation der Schwärmerei und 10 Prozent an Marktschwärmer für die Bereitstellung der Plattform ab. Der Großteil der Einnahmen bleibt mit 81,65 Prozent beim Erzeuger.“ Bei ihnen liege auch die Haupt-Arbeit, sagt Gastgeber Benedikt Bliese.

Wir besuchen alle Erzeuger.

Benedikt Bliese

Das Verkaufsfenster öffne eine Woche lang, erklärt der 28-Jährige. Anderthalb Tage vor dem Markttag stoppt die Bestellmöglichkeit. Und zum Donnerstagabend arbeiten die Erzeuger ihre Bestelllisten ab und bringen die Produkte, die sie verkauft haben, zum Stand an der Waldorfschule mit.

Geplant sei, weitere Abholpunkte zu installieren, etwa ab 19.15 Uhr in der Innenstadt. Er wohne dort, sagt Bliese und, dass es sich für jeden lohnen und praktikabel sein solle. Die Begegnung zwischen Erzeugern und Kunden sei gewünscht. Eine Community entstehe, „jeder kennt jeden“.

Fünf weitere Erzeuger könnten zu bislang sechs teilnehmenden Höfen hinzukommen, kündigt er an, die befinden sich derzeit im Prozess der Registrierung. „Der ist umfangreich. Es muss nicht bio sein, Hauptsache regional. Und wir besuchen alle“, erklärt der Flensburger. Einen „Traum vom Landleben“ habe er unlängst erst auf dem Hof Carstensen in Jübek erlebt mit all den Tieren vom Truthahn bis zum Schaf – und es war nicht das erste Mal, schwärmt Bliese.

Marktschwärmer Flensburg

Bislang registrierte Erzeuger aus der Region

Biolandgärtnerei Jochen Höft, Schleswig
Hof Carstensen, Jübek
Hof Seeland, Idstedt
Jahnkes-Ziegenkäse, Sörup
Landeier aus Mohrkirch
Johannsens Hofladen, Sprakebüll

Das Modell der Marktschwärmer kommt gerade jetzt vielen Menschen gelegen, weil der Verkauf bislang draußen geplant und kontaktreduziert ist. Für Flensburg gelte zudem, dass zwischen Herstellungsort und Schwärmerei weniger als 30 Kilometer Transportweg liegen. Auch das Risiko für die Bauern und Landwirte, Lebensmittel, die nicht verkauft werden, wegwerfen zu müssen, werde auf ein Minimum reduziert, nennt Hof-Mitarbeiter Bliese als weiteren Vorteil.

Die 28-jährigen Gastgeber der Marktschwärmer für Flensburg werden ebenfalls wöchentlich ihren Stand für die Koordination an der Waldorfschule aufbauen. Je nach Corona-Möglichkeiten hoffen die zwei auch auf ein Event zur Eröffnung möglichst Mitte oder Ende Juni.

Nach Auskunft von Marktschwärmer Deutschland haben sich während der Lockdowns 2020 die Bestellungen im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt ebenso wie der Gesamtumsatz aller Erzeuger. „Seit Pandemiebeginn im März 2020 konnte ein Zuwachs von 50 Prozent von aktiven Erzeugern und neuen Schwärmereien verzeichnet werden“, teilt die zentrale Pressestelle in Berlin mit.

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